Die Franzosen ordnen sich dem gnostischen Black Metal zu. Auf „Ecclesia Gnostica“ erlebt man einen majestätisch-bombastisch angelegten Ansatz, dessen extreme, schonungslose Ausrichtung in einen mystisch-spirituellen Kontext eingebunden ist. Das Debüt von A/ORATOS besitzt verschiedene Wirkungsebenen und ist musikalisch wie thematisch spannend.
„Das Schreiben von Musik ist für mich sowohl eine persönliche als auch eine künstlerische Angelegenheit“, erzählt Gitarrist und Band-Gründer Wilhelm. „Es dringt in die intimen Gedanken des Komponisten ein und zielt darauf ab, mit dem Zuhörer in Resonanz zu treten. Das ist paradox und eine Herausforderung. Im Fall von A/ORATOS betont die Tatsache, dass ich der einzige Komponist bin, diesen persönlichen und unverwechselbaren Aspekt noch mehr. Dies hilft mir, einen umfassenden und konzeptionellen Ansatz für die künstlerische Gesamtleitung des Projekts zu finden.“ Der Musiker aus Paris nimmt sich die nötige Zeit, akribisch und mit Sinn für die Details zu arbeiten: „Die Erstellung von „Ecclesia Gnostica“ war ein schwieriger und einsamer Weg“, so Wilhelm. „Kurz nachdem die Aufnahmen unserer ersten EP „Epignosis“ beendet waren, habe ich 2019 mit der Arbeit am Album begonnen. Stunden um Stunden auf dem Instrument zu verbringen, um die besten Ideen zu finden, dann die Musik und musikalischen Arrangements zu schreiben und mit einer beabsichtigten Atmosphäre in Bezug auf das Thema des Stücks zu verbinden, ist ein üblicher, aber immer schwieriger Prozess. Auch deshalb, weil die Band lange Zeit nur mein Sänger und ich gewesen ist. Dazu eine Anekdote: an dem Morgen, an dem wir den Gesang aufnehmen wollten, um den Aufnahmeprozess abzuschließen, hatte mein Sänger auf dem Weg zum Studio einen schweren Autounfall. Glücklicherweise blieb er unverletzt, doch wir hatten das Gefühl, das die Mächte von oben oder unten der Entstehung dieses Albums ein letztes Hindernis in den Weg legen wollten.“ In welchem Genre die Band unterwegs sein würde, musste ihr Gründer von Beginn an:
„Black Metal betrachte ich als ein privilegiertes Medium, um metaphysische und spirituelle Themen zu erforschen“, erklärt der Franzose. „Ich glaube sogar, dass diese Vertikalität charakteristisch für Black Metal ist. In dieser Hinsicht unterscheiden sich A/ORATOS nicht von anderen Bands des Genre. Was uns absetzt, ist, dass wir unsere Energie – ohne in Klischees zu verfallen – nicht aus dem Satanismus oder den dunklen Künsten beziehen, sondern aus der Suche nach Licht und Erhabenheit durch das Wissen um das Göttliche hin zu dem, was manche das Überbewusstsein nennen. Über das gesamte Album hinweg beschäftigen wir uns mit alten esoterischen Traditionen wie Gnosis, Hermetik und Kabbala. Dies sind Themen, die uns faszinieren.“ Der Schritt hin zu einem Konzept-Album war angesichts dessen nicht weit:
„Es ist wahr, dass wir Konzepte, Symbole und Mysterien lieben“, stimmt Wilhelm zu. „Der Name A/ORATOS stammt vom griechischen AORATOS, was mit UN/SICHTBAR übersetzt werden kann und das unseren Ansatz in gewisser Weise widerspiegelt. Für mein Songwriting habe ich gerne einen roten Faden und ein Thema, das meine Musik auf ein spirituelles Ziel zuführt. „Ecclesia Gnostica“ folgt einem Konzept, dessen Tracks sich um esoterische Themen drehen. Der Titel ,O Roi des Eons‘ zum Beispiel ist direkt von einem gnostischen Gebet aus der Nag Hammadi-Bibliothek inspiriert, einer Sammlung gnostischer Texte, die fast 1.600 Jahre alt ist und in Ägypten entdeckt wurde. Die Herausforderung für das Debüt bestand darin, dieses kohärente Ganze zu schaffen – diesen umfassenden künstlerischen Ansatz, dem ich zutiefst zugetan bin. Dass die mystische, spirituelle, asketische und gleichzeitig sehr extravagante Dimension unseres esoterischen Universums auf intelligente Weise in der Musik vermittelt wird. Und dass auch das visuelle Universum diesen Ansatz widerspiegelt. Angesichts der Komplexität und Schönheit dieser Themen erfordert das einen gewissen Anspruch und viel Demut. Wir haben das Privileg, mit Vincent Fouquet von Above Chaos zusammenzuarbeiten, der als Künstler einen wirklich einzigartigen Ansatz und ästhetische Tiefe besitzt. Er hat unser atemberaubendes Artwork geschaffen, das das Universum des Albums und die zahlreichen Botschaften, die es enthält, perfekt einfängt. Eine mögliche Interpretation des Covers: die Lanze, die nach unten auf den menschlichen Knochen zeigt, symbolisiert die Ablehnung des Fleisches und der Materialität der Welt zugunsten der spirituellen Welt. Ein Thema, das den Gnostikern am Herzen lag und an das wir glauben.“
Neben der Thematik fallen auch die Riffs von A/ORATOS auf. Kein Zufall, wie der Gitarrist verrät: „Von der zeitlosen Kraft und nackten Wahrheit der Riffs einiger klassischer Black Metal-Alben bin ich fasziniert“, so Wilhelm. „Denke nur an das Haupt-Riff von ,Into The Infinity Of Thoughts‘ von Emperor – solche Riffs bleiben einem ein Leben lang im Kopf. Die Arbeit am Riffing ist ein wesentlicher Bestandteil meiner Herangehensweise an das Schreiben von Musik. Darüber hinaus mag ich es, mit Zwischenspielen und akustischen Parts zu kontrastieren, um Abwechslung zu schaffen und intime oder mystische Gefühle zu vermitteln.“