Die sechsköpfige Gruppe ABSTRACTED existiert seit 2013 und musste sich in ihrer Laufbahn immer wieder mit personellen Veränderungen auseinandersetzen. Fluktuation gehört fast schon zum Markenzeichen der Band, doch anstatt sie zu schwächen, scheint sie neue Energie freizusetzen. Umso erstaunlicher ist es, dass mit „Hiraeth“ nicht zu lange nach dem 2022 veröffentlichten Vollzeit-Debüt „Atma Conflux“ ein weiteres Album erscheint. Die jüngsten Umbesetzungen im Line-up haben offenbar einen kreativen Schub ausgelöst, der sich nun im Zweitwerk eindrucksvoll niederschlägt. Die Vorabsingle ,Languish‘, auf der Chaney Crabb von Entheos als Gast zu hören ist, machte früh deutlich, dass ABSTRACTED große Ambitionen verfolgen. Die Brasilianer aus São Paulo setzen nicht auf kleine Gesten, sondern auf eine kompromisslose Mischung aus technischer Raffinesse und emotionaler Wucht. Jeder Song ist durchzogen von aufwendigem Storytelling, das weit über bloße Songstrukturen hinausgeht. Die Band will Erwartungen unterlaufen, überraschen und sich als konsequent nach vorne gerichtete Formation positionieren. Dieser Anspruch bedeutet harte Arbeit, doch ABSTRACTED scheuen die Mühen nicht. Im Gegenteil: Sie nutzen die Herausforderung als Treibstoff für ihre künstlerische Weiterentwicklung. Das Ergebnis sind vielschichtige, komplexe Tracks, die trotz progressiver Strukturen und technischer Versiertheit erstaunlich zugänglich bleiben. Die Songs wirken nie überladen oder verkopft, sondern entfalten eine organische Dynamik, die den Hörer unmittelbar mitnimmt. Besonders hervorzuheben ist die Balance zwischen Härte und Freigiebigkeit, die „Hiraeth“ prägt. Aggressive, Riff-getriebene Passagen wechseln sich mit atmosphärischen Momenten ab, wodurch die Spannung konstant hochgehalten wird. Diese Kontraste sorgt dafür, dass das Album nicht nur intellektuell herausfordert, sondern auch emotional berührt. Mit ihrem Zweitwerk beweisen ABSTRACTED, dass sie mehr sind als eine weitere progressive Metal-Band. Sie sprechen sowohl Fans komplexer Strukturen als auch Hörer mit Vorliebe für melodische Zugänglichkeit an.
(M-Theory)
