Im Umgang oder besser der Auseinandersetzung mit dem Zweitwerk der Schweizer fällt auf, dass die Wirkung der Songs mitunter im direkten Gegensatz zu den transportierten Stimmungen steht. Das ist ein Phänomen und keinesfalls alltäglich. Wie es überhaupt dazu kommt, erklärt sich auch nicht wirklich. Doch es ist so. Vielleicht liegt der Schlüssel zum Verständnis darin, dass bei BLACK SEA DAHU Stimmungen zentral stehen und die Musiker*innen auf das Unbewusste und Implizite abstellen. In der Klangwelt von „I Am My Mother“ fühlt man sich von Beginn an zu Hause. Die Sounds und Songs sind niemals laut oder offensiv adressiert. Es geht behutsam, ruhig und implizit zu. Es scheint beabsichtigt, dass die sieben Songs vom hektischen Alltag entkoppeln und Hörer*innen zur Entschleunigung und dem bewussten Ankommen im Album „zwingen“. Dass man bereit ist, ist wichtig, weil BLACK SEA DAHU fein akzentuiert agieren und auch den unauffälligen Akzenten oftmals große Bedeutung zukommt. Der zweiter Longplayer der Schweizer weist einen verhaltenen, jedoch keinen ausgeprägten Hang zur Opulenz auf. Nicht immer geht es nur reduziert und minimalistisch zu, aufgeräumt und bewusst arrangiert aber zu jeder Zeit. Folk, Indie-Pop und Singer/Songwriter – das sind die drei Pfeiler, zwischen denen Janine Cathrein und BLACK SEA DAHU ihre hochgradig emotionalen und persönlichen Stücke anlegen. Die Texte drehen sich um das Mensch- und Künstlersein in unterschiedlichen Facetten. Die Lieder von „I Am My Mother“ sind gut und gerne als sieben Tagebucheinträge auszulegen, dienen sie doch der Verarbeitung von Gedanken, Eindrücken und Gefühlen. All das berührt und klingt wirklich schön.
(s/r)