GRAPHIC NATURE

Die Frage ist unmissverständlich: „Who Are You When No One Is Watching?“ GRAPHIC NATURE beantworten sie auf ihrem Zweitwerk schonungslos ehrlich und stimmungsseitig düster. Die Briten setzen auf eine heftige Mixtur aus MetalCore, NuMetal und Elektro/Drum’n’Bass, arbeiten sich textlich an der mentalen Gesundheit und Einflussfaktoren der menschlichen Psyche ab.

„Eigentlich bin ich ziemlich introvertierter Mensch, der sich am liebsten zu Hause aufhält und sich mit Videospielen und Filmen die Zeit vertreibt“, äußert Frontmann Harvey bei seiner Vorstellung. „Ich bin mir nicht sicher, wie sich das in unserer Musik widerspiegelt, aber mein Zimmer ist definitiv ein großartiger Ort, der mich sehr beeinflusst, wenn ich neue Songs schreibe. In den frühen Morgenstunden ist es dort schön ruhig. Das hilft mir, meinen Kopf zu senken und mich ganz auf den jeweiligen Song zu konzentrieren. Etwa 90 Prozent meiner Texte handeln von psychischen Problemen. Das ist das, was ich in die Band einbringe – eine Menge deprimierend ehrlicher Texte, die meine talentierten Freunde ergänzen, die mit mir in GRAPHIC NATURE spielen.“ Die kathartische Wirkung seiner Beteiligung an der Gruppe ist für den Sänger dadurch gesetzt: „Das Album ist für mich wie eine verdammte Therapiesitzung“, bestätigt Harvey. „Der Text jedes Songs liest sich wie etwas, was ich in einer Sitzung sagen würde. Mein Ziel für die Texte ist es stets, unangenehm ehrlich und maximal düster zu sein. Das habe ich mit dieser Platte ohne Frage erreicht. Der Schlusssong ,For You‘ hat für mich dabei den größten Wert. Aufgrund des Themas war es sehr schwierig, ihn aufzunehmen. Und ich glaube, dass er genau bei den richtigen Leuten ankommt. Bei denen, die ihn hören müssen.“

Auf dem Zweitwerk „Who Are You When No One Is Watching?“ finden sich allein Tracks über Trauer, posttraumatische Belastungsstörungen, Depression, Selbstmordgedanken und Bösartigkeit: „Wir halten uns an das Album-Format, weil ich es satt habe, dass Bands nur Singles veröffentlichen und hoffen, dass eine davon ein Hit wird und sie auf große Tour gehen können“, echauffiert sich Harvey. „Zeigt mir ein richtig gutes Gesamtwerk, auf das ihr stolz seid, und ihr verdient meinen Respekt.“ Diesen haben sich zumindest einige Gruppe erworben: „Es gibt Bands, mit denen ich mich auf einer persönlichen Ebene verbunden fühle. Das ist meiner Meinung nach wichtiger als das Musikalische, weil man erst an den Emotionen erkennen kann, wer die wahren Motherfucker sind. Hier möchte ich Vexed, Starved, Indevth und Still In Love anführen.“ Den Genannten ist ihr vorwärts gerichtetes und kompromissloses Musizieren gemein:

„Experimentieren ist auch für uns der Schlüssel“, stimmt der Frontmann zu. „Wenn sich etwas fehl am Platz anfühlt, passt es wahrscheinlich genau zu GRAPHIC NATURE. Wir sind immer bestrebt, bessere Songs zu machen als die letzten. Das ist der beste Teil des Musiker-Daseins. Bleibst du immer auf der sicheren Spur, wirst du dich nie weiterentwickeln und irgendwann bitter und abgestanden klingen. Neue Sachen auszuprobieren, macht Spaß. Unser Ziel ist aber nicht mehr, als einfach gute Musik zu schreiben und offene Gespräche über die mentale Gesundheit von Männern zu führen.“ Das fällt den Briten ziemlich leicht: „Weil wir genau wissen, was wir hören wollen“, verdeutlicht Harvey. „Deshalb wissen wir auch, was wir schreiben müssen. Die Idee von Genres oder Fragen danach sind wirklich bescheuert und behindern uns im Zweifel nur. Also spielen wir, was wir mögen und kreieren, was wir wollen. Vielleicht will ich aber in ein paar Jahren etwas ganz Anderes machen. Wer weiß das schon?“ Aktuell tritt das Quintett wie folgt auf: „GRAPHIC NATURE klingt nach lauter, wütender Musik mit Einflüssen aus Oldschool-Garage und Drum’n’Bass“, beschreibt es der Sänger. „Am Meisten gefällt mir, dass unsere Songs von verschiedenen Leuten auf unterschiedliche Art und Weise interpretiert werden. Manche Leute wollen einfach nur einen Breakdown hören, was völlig in Ordnung ist. Andere wiederum schätzen das Schlagzeug, den Gitarren-Sound oder die Texte. Das ist ebenfalls in Ordnung und sogar noch besser.“

Die Stücke von „Who Are You When No One Is Watching?“ fallen ob ihres Groove und dem vertontem Herzblut auf: „Diese Elemente machen für mich großartige Songs aus“, gibt der Musiker zurück. „Ich höre mir nicht oft Musik von Bands an, die einen ähnlichen Stil verfolgen. Es sei denn, es ist der Scheiß, den ich schon als Kind gehört habe. Um zu denken „Verdammt, das ist krank.“, muss ich mich mit Songs auf einer emotionalen oder viszeralen Ebene verbinden. So etwas suche ich. Billie Eilish hat mich seit den Anfängen unserer Band stark inspiriert. Ihre Arbeit wirkt durchweg offen und ehrlich. Man merkt, dass die Dinge, über die sie singt, tiefsitzender Herzschmerz oder innere Kämpfe sind. Sie sind echt. Das ist es, was für mich zählt. Ich verstehe GRAPHIC NATURE als eine dieser Bands, die harte Musik spielen, weil wir auf etwas verdammt sauer sind. Unser Ziel ist es, Musik zu machen, die uns selbst gefällt. Das war es auch schon. Es ist uns scheißegal, wenn jemand das nicht mag. Denn dann ist es nicht für ihn gemacht, sondern für Leute wie uns selbst.“

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