HANGING GARDEN

Bei der Beschäftigung mit „The Garden“ beeindruckt neuerlich die allgemeingültige, anmutige Düsternis, mit der HANGING GARDEN unterwegs sind. Der achte Longplayer der Finnen bietet zusätzlich positiv ausblickende Akzente, die den Klangraum des Septetts erweitern und neuartige Eindrücke aufkommen lassen.

Picture Kalle Pyyhtinen

„Die kreative Einstellung, die wir alle teilen, dreht sich um musikalische Experimente und Verspieltheit“, überlegt Frontmann Toni. „Was das Selbstverständnis innerhalb der übergeordneten Thematik angeht, so denke ich, dass die Idee von Anfang an – sogar bevor ich Teil der Band wurde – diese düstere Betrachtung der Tendenz der Menschheit zur Selbstzerstörung ist und die Art und Weise, wie wir uns ziemlich weit von der Natur entfernt haben und sie mit einer Art utilitaristischer Verachtung behandeln. Zu sagen, dass wir keine politische Band sind, wäre eine Lüge, denn diese Themen sind von Natur aus politisch. Darüber schreiben wir aber nur selten auf eine banale Art und Weise.“ Die Gruppe aus Helsinki tritt in jeder Hinsicht konsequent in Erscheinung:

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„Da wir mit unserem Handwerk kaum Geld verdienen, machen wir uns keine Gedanken darüber, wie das breitere Publikum unsere Songs aufnimmt. Das gibt uns viel Spielraum, das zu tun, was uns gefällt, und an dem zu arbeiten, was uns inspiriert. Dennoch sind wir natürlich sehr an der Wirkung und den Meinungen derjenigen interessiert, die sich unsere Musik anhören. Die beschriebene Herangehensweise rührt auch daher, dass wir uns nicht wiederholen und das machen wollen, was andere bereits getan haben. Andererseits sprechen wir offen über unsere Einflüsse und haben zum Beispiel gerade eine Spotify-Playlist mit den Sachen veröffentlicht, von denen wir uns inspirieren ließen, als wir „The Garden“ geschrieben haben.“ Hört man HANGING GARDEN, stellt sich die eine oder andere Assoziation ein. Vor allem aber nimmt man die Intensität wahr, mit der die Band aufspielt: „Intensität ist ein gutes Wort, um zu definieren, wie der Prozess für mich persönlich aussieht“, greift Toni den Gedanken auf. „Inspiration ist intensiv. Emotionale Musik zu schaffen, ist intensiv. Wenn ich Songs komponiere, Texte schreibe oder Gesangs-Arrangements anlege, gibt es für mich sehr wenig Systematisches oder Kontrolliertes. Jedes Ding muss ausgekostet, gefühlt und überlegt werden. Manchmal ist das Ergebnis seltsam. Manchmal ist es scheiße. Und manchmal hebt es den Song auf eine andere Ebene. Wenn man die Musik und ihre Atmosphäre als intensiv empfindet, wird es mir warm ums Herz.“

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In diesen Worten drückt sich die emotionale Intelligenz aus, die man der Musik und den Texten der Finnen zusprechen muss: „Emotionale Intelligenz ist eine gewagte und schmeichelhafte Beschreibung, aber ich würde sehr gerne glauben, dass unsere Musik manchmal einen solchen Wert hat“, gibt sich der Frontmann bescheiden. „Im mittleren Alter zu sein, sowohl als Band als auch als Mensch, bringt einen gewissen Grad an Reife mit sich, so wie es sein sollte. Die einzige Alternative wäre Stagnation. Und Reife bringt Weisheit, wenn nicht gar Intelligenz, mit sich. Ich denke, das ist einer der Eckpfeiler unseres kreativen Prozesses. Was unser künstlerisches Schaffen betrifft, so ging es für mich immer um die Texte. Texte können einen schlechten Song nicht retten, aber für mich können sie eine großartige Komposition ruinieren. Ich bin damit aufgewachsen, Songtexte zu lesen. Sie haben mich immer gefesselt, selbst die beschissenen. Texte müssen für mich nicht immer intelligent oder tiefgründig sein. Sie können auch mit reichlich Ironie oder einfach nur mit Genialität glänzen oder schlicht dazu da sein, die Musik zu unterstützen oder zu kontrastieren. Solange er durchdacht und nicht irgendwie halbherzig ist, bekommt jeder Text zumindest meinen Respekt.“

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Thematisch geht es bei HANGING GARDEN wiederum nicht eindeutig und interpretationsoffen zu: „Die Ästhetik des Albums ist für mich mit meiner Traumwelt verbunden“, holt Toni aus. „Ich habe diese wiederkehrende Welt in meinen Träumen, in der alles irgendwie stagniert, verrostet, überwuchert und still ist, und ich immer auf Reisen bin. Nachdem mir unser Keyboarder Nino im Traum den Namen „The Garden“ vorgeschlagen hat, begann ich bei der Annäherung an das Album dieses Gefühl der Traumwelt zu verfolgen. In meinem Traum sagte Nino: „Hey Toni, da dies unser Magnum Opus sein wird, was hältst du davon, wenn wir es „The Garden“ nennen?“ Das war der Ausgangspunkt.“ Entstanden ist ein kontraststarkes Album, das düstere Melancholie mit einem bekräftigenden Optimismus verbindet, den man von Finnen so noch nicht gehört hat: „Das ist sehr nah an dem, was ich als die zentrale Essenz dieses Albums empfinde“, bestätigt der Sänger. „Das Album teilt die Bühne mit der vergangenen Diskografie, wenn es um die Emotionen von Verlust und düsterer Kontemplation geht. Doch wo es vorher ausschließlich Resignation und Akzeptanz gab, hört man jetzt auch das Gefühl der Überwindung, sogar einen Hauch von Triumph. Wenn alles vergangen ist, gibt es immer noch einen Sinn und ein Ziel, die in unserer Menschlichkeit verankert sind.“

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