IMMINENCE

UM DER MUSIK WILLEN. Etliche Gruppen kämpfen mit dem Problem nachlassender Kreativität und zunehmender Berechenbarkeit. Nicht so IMMINENCE. Das Quintett wird stattdessen immer besser. Den Schweden gelingt es mit jeder Veröffentlichung, das Spektrum zwischen Post-Hardcore und MetalCore ein Stück weit anders aufzuzäumen und ihr musikalisches Antlitz zu verändern. „Heaven In Hiding“ heißt der neuerliche Beleg.

Musikalisch darf es dabei durchaus brachialer zugehen: „Mit „Heaven In Hiding“ wollte ich eine dunklere Seite ansprechen und wirklich in diese Materie eintauchen“, führt Eddie Berg (Gesang/Violine) aus. „Bei diesem Album geht es darum, den Kampf mit der psychischen Gesundheit zu illustrieren, aber auch Trost und Inspiration zum Weitermachen zu spenden. Es geht darum, den geheimen Ort in dir selbst zu finden, der dir die Kraft gibt, einen weiteren Tag zu kämpfen. Wir messen uns so sehr an anderen, dass wir betonen müssen, wie wichtig es ist, Selbstliebe zu üben. Unser größter Einfluss kommt aus unseren Herzen, indem wir Musik machen, die wir lieben. Wir haben schon früher mit den Erwartungen gekämpft, sowohl intern als auch extern. Aber bei „Heaven In Hiding“ haben wir uns entschlossen, unsere Mauern komplett niederzureißen, Songs ohne Druck zu schreiben und uns nur auf uns selbst und unsere Freude am Musik-Schreiben um der Musik willen zu konzentrieren.“ Ausgehend vom 2019er „Turn The Light On“ ist das Viertwerk in der Tat härter und barscher angelegt, bietet aber auch wiederum die Bombast-, Akustik- und Breitwand-Sounds, die man mit IMMINENCE verbindet:

„Klanglich kommt es unserem Vorgänger-Album am nächsten, ja, erweitert aber zugleich das Spektrum zwischen sanft und schwer und setzt auf den Kontrast, der für unsere Band charakteristisch geworden ist“, bestätigt der Frontmann. „Unser Bezugspunkt ist die Metal- und MetalCore-Musik der frühen 2000er bis 2010er Jahre, wo die Melodie und der Hook immer sehr bestimmend gewesen sind. Für uns ist es darüber hinaus wichtig, dass die lyrische Botschaft, die wir transportieren, auch wirklich mit durchkommt. Der Song steht dabei immer im Mittelpunkt. Wir sind entschlossen, das zu schreiben, was für einen bestimmten Track als Ganzes am besten ist. Manchmal bedeutet das, seine Lieblinge zu töten.“ Was er damit meint, erzählt der Frontmann auf Nachfrage: „Es mag beängstigend klingen, aber wir haben wahrscheinlich 20 bis 25 Tracks oder Ideen um des Schreibens willen abgearbeitet. Nach zehn Monaten war dann irgendwann nicht mehr zu leugnen, welche Tracks auf dem Album sein müssen. Wir haben jeden Song in unserem Heimstudio geschrieben, was uns in Anbetracht des Faktors Zeit einen Blick auf das große Ganze ermöglicht hat.“ Das Mehr an Struktur, Dynamik und Melodie ist angesichts dessen nicht überraschend: „Der Grund liegt wahrscheinlich in unserer Entwicklung als Songschreiber“, mutmaßt Eddie. „Wir haben das Gefühl, dass wir mehr Freiheit haben, zu experimentieren und bereit sind, beim Schreiben Risiken einzugehen. Zumindest, seit wir selbstbewusster und entschlossener agieren und wissen, was wir erreichen wollen.“ Wichtig ist aber auch, dass sich IMMINENCE nicht auf ihren Erfolgen ausruhen und stets auf der Suche sind:

„Wir haben es immer geliebt, unsere eigenen Grenzen zu erweitern und unsere Hörer zu überraschen“, formuliert der Musiker den zugrundeliegenden Ansatz. „Man weiß wirklich niemals vorab, was man von uns erwarten soll. Ich liebe die Freiheit, die das mit sich bringt. Mit dem neuen Album und dem Vorgänger haben wir wirklich den Sound entwickelt, der IMMINENCE verkörpert. Ich denke, dass heutzutage mehr Leute wissen, wie wir ungefähr klingen, aber wir werden immer versuchen, Wege zu finden, diese Erwartungen zu übertreffen. Mit allem, was wir tun, den großen Kontrasten und sogar den akustischen Neuinterpretationen unserer Songs, fordern wir die Vorstellung davon, wie eine Metal-Band heutzutage klingen „sollte“, heraus.“ Dabei verlangen die Schweden von ihrem Publikum, sich einzubringen, in den Klangraum einzutauchen und eigene Schlüsse zu ziehen: „Vor allem bei meinen Texten versuche ich immer, dem Hörer die Möglichkeit zu geben, seine eigene Interpretation zu finden“, so der Sänger. „Heutzutage ist alles so zugänglich und lässt so wenig Raum zum Nachdenken. Das ist eine weitere Sache, die wir mit unserer Musik herausfordern wollen. Die Art und Weise, wie ich selbst Musik konsumiere, ist und war schon immer das Hören einer ganzen Platte, von vorne bis hinten. Wenn wir das Album-Format aufgeben würden, bestünde die Gefahr, dass wir uns selbst der kreativen Freiheit berauben, diese besonderen Stücke zu schreiben, die als Single nie funktionieren würden. Außerdem möchte ich gerne glauben, dass das Beibehalten des Album-Formats eine tiefere Bindung zum Hörer schafft und ihn in unser Band-Universum einlädt.“

Das Viertwerk der Schweden fällt dabei auch deshalb düster und suchend aus, weil es seine Entstehungszeit spiegelt: „Das Schreiben von „Heaven In Hiding“ war für mich ein Licht im Dunkeln“, ordnet Eddie Berg abschließend ein. „Es hat mir geholfen, eine Pandemie zu überstehen, von der ich zunächst nicht wusste, wie sehr sie mich mental beeinträchtigte. Ich habe diese Dunkelheit angezapft, um mich selbst besser zu verstehen und mir zu helfen, den Sinn und die Kraft zu finden, weiterzumachen. Die Songs auf diesem Album bedeuten mir persönlich sehr viel, aber ,Alleviate‘ und der persische Track (übersetzt ,Auch dies wird vorübergehen‘) sind insofern etwas ganz Besonderes, als sie wieder einmal das herausfordern, was die Leute von IMMINENCE erwarten. Vor allem die Texte zielen auf eine andere Ebene der Selbstbetrachtung und Ehrlichkeit ab. Ein weiterer Song, auf den ich sehr stolz bin, ist der Titel-Track. Wir hatten das Gefühl, dass wir etwas völlig Anderes und Verletzliches geschaffen haben, das dennoch nach IMMINENCE klingt.“

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