LUSTMORD entführt auf „Much Unseen Is Also Here“ in eine urtümliche Parallelwelt, in der nichts Bestand hat oder eindeutig ist. Sound-Designer Brian Williams setzt einmal mehr auf deutungsoffene Klangwelten zwischen Dark-Ambient, Drone und Experimentals.
Wer das bandcamp-Profil des gebürtigen Walisers, der seit 1993 in Los Angeles lebt, besucht, stolpert bei genauem Hinsehen über das Tag „Weird Shit“: „Grundsätzlich beschreibe ich meine Musik nicht selbst, das müssen andere Leute tun“, erklärt Brain. „Für mich ist es schlicht das, was es ist. Dafür brauche ich eigentlich keinen Namen. Doch wenn man solche Profile anlegt, muss man etwas angeben. „Weird Shit“ scheint mir schlicht zu passen. Weiter kann ich mich nicht annähern. Für viele Menschen klingt es sonderbar, schräg und bizarr – zumindest für ganz normale Durchschnittshörer, die sich nicht intensiv mit Musik beschäftigen.“ LUSTMORD agiert aus der komfortablen Position heraus, dass er allein sich selbst verpflichtet ist:
„Ich habe nichts mehr zu beweisen – nichts und niemandem“, bestätigt der Klang-Tüftler. „Es ist nicht so, dass es mich überhaupt nicht interessiert, was andere Leute über meine Musik denken, doch in diese Richtung geht es stark. Das, was ich tue, ist primär für mich selbst und nicht für irgendwen sonst. Deshalb spielt es für mich keine Rolle, wie viele Leute es mögen oder ob überhaupt. Natürlich freue ich mich darüber, dass es Menschen gibt, die meine Platten kaufen und dafür ihr hart verdientes Geld ausgeben. Doch es geht mir nicht darum, irgendwem zu gefallen, sondern darum, mich auszuprobieren und auszuleben.“ Auf die Verdienste für seine Pionier-Arbeit im Dark-Ambient angesprochen, zeigt sich Brian bescheiden: „Natürlich habe ich bemerkt, dass mir eine besondere Wertschätzung entgegengebracht wird, aber das verfolge ich nur am Rande. Als Mensch bin ich sehr bodenständig, stamme aus einfachen Verhältnissen, bin harte Arbeit gewohnt und lasse mich von Lob und Anerkennung nicht über Gebühr beeindrucken. Dankbarkeit empfinde ich durchaus, doch auch nach all den Jahren bin ich immer noch jemand, der auf der Straße nicht auffällt und in der Masse untergeht. LUSTMORD dient primär meiner persönlichen Unterhaltung. Allerdings gefällt es mir, dass andere Künstler meine Musik hören, wenn sie Bilder malen, Bücher schreiben oder sich auf andere Art und Weise kreativ ausleben. Als inspirative Quelle Teil kreativer Prozesse Anderer zu sein, ist für mich das größte Kompliment.“
Was seine eigene Kreativarbeit anbelangt, befindet sich der Kalifornier von einem technischen Standpunkt aus betrachtet in der glücklichen Lage, seine Ideen so umsetzen zu können, wie er es sich vorstellt: „Es hat lange gebraucht, an diesen Punkt zu gelangen, doch vor circa zehn Jahren ist mir das endlich gelungen“, freut sich Brian. „Das hat zu gleichen Teilen mit Erfahrung und neuer Technologie zu tun, die es mir in ihrem Zusammenspiel ermöglichen, genau das zu tun, was mir vorschwebt. Meine verbliebende Limitierung ist es, dass ich kein Musiker bin. Weder kann ich ein Instrument spielen noch Noten lesen. Alles entsteht zunächst in meinem Kopf, bevor ich damit beginne, es in die Realität zu überführen. Ich bin mit einem fantastischen Keyboard-Spieler befreundet, der mit vielen bekannten Gruppen arbeitet und eine klassische Ausbildung genossen hat. Vor Jahren habe ich ihn gebeten, mich in die Grundlagen der Musik-Theorie einzuweihen. Das hat er direkt als ganz schlechten Vorschlag abgelehnt und darauf verwiesen, dass ich als Künstler viele Regeln gerade deshalb breche, weil ich sie nicht kenne. Das wollte er nicht gefährden.“
Das klingt so ähnlich, wie es in Dokumentationen über den „King Of Pop“ dargestellt wird: „Genau, ich bin wie Michael Jackson“, erwidert LUSTMORD lachend. „Dieses Gefühl hatte ich schon immer, nur habe ich es bislang noch nicht so ausgedrückt. Danke dafür. Dieses Bild passt aber gut, denn ich denke nicht in der Kategorie von Musik, sondern Sounds. Ich kreiere Sounds, Atmosphären und klangliche Plätze. Das erfolgt nicht bewusst oder geplant, weshalb ich eine Trennung zwischen Musik und Sounds vornehme. Mein Ding ist nicht das Schreiben von Musik im herkömmlichen Sinn. Im Alleingang sind Sounds meine Spezialität.“ Das Selbstverständnis der Wirkungsrichtung seiner Kunst steht dabei im Gegensatz zur Rezeption auf Hörerseite:
„Das ist der Grund dafür, dass ich von „Weird Shit“ spreche“, entgegnet Brian. „Du wirst mir inzwischen zustimmen, dass ich keine düstere oder melancholische Person bin. Meine Musik ist das ebenso wenig. Es ist nicht meine Absicht, dunkle Sounds zu erschaffen. Wenn überhaupt, möchte ich von ursprünglicher Musik sprechen. Alles ist sehr grundsätzlich und fundamental. Es sind die Hörer, die meine Alben als düster, bedrohlich oder sogar angsteinflößend wahrnehmen. Nur weil alles ursprünglich klingt, ist es aber nicht notwendigerweise auch extrem oder dunkel. Die Sounds sind von dunklen Plätzen in meinem Inneren motiviert und ich höre immer wieder, dass Leute sie als verstörend empfinden und sich beim Hören unwohl fühlen. Für mich sind meine Sounds hingegen ganz und gar nicht verstörend. Diese Wirkung will ich nicht hervorrufen.“