MASSEN

Das Sextett aus Belarus bezeichnet sich selbst als „in D-Moll gestimmtes Extrem-Metal-Orchester, das antisoziale Askese praktiziert“. MASSEN präsentieren sich als Band mit Anspruch und Überraschungswert. Der düster gestimmte Klangkosmos der Gruppe ist breit und kontraststark angelegt. Die resultierenden Eindrücke des Debüts „ContrAesthetic“ sind vielschichtig und nachhaltig.

„Die Grundlage unserer Musik ist die Erforschung extremer und hyper-emotionaler Klangsphären“, versucht sich Multi-Instrumentalist Aleerma (Schlagzeug, Noise, Zupf-instrumente, Gesang) an einer Annäherung. „Sie ist stark mit unserer antisozialen und asketischen Weltvision verbunden. Trotz der Tatsache, dass diese Musik seit langem in unseren Köpfen lebt, haben wir MASSEN erst vor kurzer Zeit ins Leben gerufen. Der Geist dieser Band ist noch frisch und neigt dazu, sich weiter zu intensivieren.“ Ausgehend von einer Basis-Schwere weist „ContrAesthetic“ vielfältigen Zustandsformen und Schattierungen auf:

„Natürlich nutzen wir traditionelle Musik-Formen, aber das ist nicht der Punkt für uns“, erwidert Aleerma. „Ich denke, wir sind eine Art Stalker oder Erforscher der klanglichen Materie. Wir sind mit Metal-Musik aufgewachsen und von aktuellen Realitäten beflügelt. Wir könnten die Rolle eines Vermittlers zwischen extremem Metal und moderner Avantgarde-Kunst einnehmen.“ Die Gruppe aus Belarus hat klare Vorstellungen davon, wie sie in Erscheinung treten und wahrgenommen werden will: „Wenn wir über Referenzen sprechen, möchte ich betonen, dass wir dem Spezialisten für das Mixing und Mastering unseres Albums bewusst keine Metal-Referenzen zur Verfügung gestellt haben“, so der Kreativkopf. „Hinter uns liegt ein langer Weg der Klangsuche, den wir zusammen mit dem Ton-Ingenieur betrieben haben. Wir verstehen, dass die Besonderheiten unserer Musik einen angemessenen Offbeat-Sound erfordern, damit unsere Zuhörer die Atmosphäre richtig aufnehmen können – vom dichten Schlagzeug bis hin zu den feinen Ausläufern der Geige. Ich freue mich darüber, dass wir die gewünschte dramatische Stimmung, auf die wir aus waren, größtenteils erreicht haben.“

Aleerma’s Auslegung der Wirkung seiner Band überrascht: „Ich möchte ungewöhnliche Worte wie „kalt“ oder „nass“ wählen. Diese Musik wird aufgeführt, um das Massenbewusstsein zu durchdringen, wie der kalte Regen in den Boden eindringt und diesen nach und nach durchnässt. Und ja, wir wollten auch eine Platte mit diesem besonderen belarussischen Klang erschaffen. Wie dem auch sei, ich bin mir sicher, dass das Publikum ganz andere Adjektive und Beschreibungen wählen wird, die vielleicht noch richtiger sind als unsere.“ Als über Gebühr progressiv sieht der Künstler die Gruppe nicht positioniert:

„Moderne Musik strebt für mich ganz allgemein nach Experimenten, um etwas Neues oder Unbekanntes zu entdecken. Wir sollten aber auch verstehen, dass Kombinationen von bestehenden Formen in jeder Gattung schon immer die Grundlage für Fortschritte in der Kunst waren. Die wichtige Frage dabei ist, wie man die Zutaten aus verschiedenen Bereichen, Gattungen oder Untergattungen so vermischt, um das Ergebnis einzigartig klingen zu lassen. Was ich an der Musik von MASSEN besonders schätze, ist die Tatsache, dass jedes Lied ein aufrichtiger Selbstausdruck unseres Kollektivs ist, ohne dabei an ein bestimmtes Sub-Genre gebunden zu sein. Nicht der Stil bestimmt die Band, sondern die Band kreiert Stücke, die trotz ihrer Vielfalt ganzheitlich und aufregend wirken. Wir erschaffen Musik, die kaum mit kulturellen Strömungen verbunden ist. Unser Hauptanliegen ist es, unseren Zuhörern eine andere Sichtweise des traditionellen Metal-Vibe zu bieten und eine andere Seite des Metal-Songwriting auf zu zeigen. „ContrAesthetic“ fällt so experimentell und überraschend aus, weil wir unseren Horizont beständig erweitern.“

Wie in jeder Gruppe haben die Mitglieder des Sextetts unterschiedliche Interessen, die in ihrer Interaktion ein größeres Ganzes formen: „Unsere musikalischen Einflüsse reichen von Metal-Klassikern bis hin zum schizophrenen Grindcore. Wenn wir über meine persönlichen Vorlieben sprechen, suche ich unabhängig vom Stil nach etwas Eingängigem, das mich überzeugt. Als Bands, die ich mir jederzeit anhören kann, möchte ich Darkthrone, Anathema und Dead Infection anführen. Im Moment bin ich auch von Deftones und Dolores O’Riordan beeindruckt. Die Welt ist voll von bewundernswerter Musik.“

Diese Umschreibung lässt sich auch auf das anwenden, was die Band aus Belarus spielt: „Unsere Musik entsteht praktisch von selbst“, gibt sich Aleerma bescheiden. „Zuerst werden die Melodien geboren. Dann stecken wir sie in eine musikalische Hülle. „ContrAesthetic“ ist durchaus mit extremem Metal gefüllt, aber wir haben schlicht nur jene Ideen und künstlerischen Bilder in Musik umgesetzt, die uns aus dem Nichts in den Sinn kamen. Bei MASSEN geht es zu einhundert Prozent um persönliche Erfahrungen und Stimmungen. Viele Künstler vertreten die Ansicht, dass Musiker zunächst die Songs schreiben, die sie selbst hören wollen und ihnen fehlen. Für mich ist MASSEN jenes fehlende Element, mit dem ich durch’s Leben gehen möchte und von dem ich hoffe, dass ich mich niemals davon trennen muss.“ Da die Texte des Debüts in der Muttersprache der Band verbleiben, gibt Aleerma abschließend einen Abriss:

„Die Hauptthemen, die auf dem Album behandelt werden, sind Askese, emotionaler Burn-out, seelischer Protest gegen soziale Ungerechtigkeit und die ungebrochene Hoffnung auf etwas Neues. Man könnte „ContrAesthetic“ sowohl als Kehrseite der konventionellen Ästhetik als auch als Ästhetik des Kampfes für ein besseres Leben aus der Perspektive eines negativistischen Menschen verstehen.“

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