MOUTH FOR WAR

In den Songs von „Bleed Yourself“ geht es primär destruktiv, ruppig und gewalttätig zu. MOUTH FOR WAR erweitern ihren Heavy-Hardcore um Elemente aus dem NuMetal, Beatdown und Deathcore. Im Ergebnis steht ein Zweitwerk, das sein Publikum schroff erdet und konsterniert zurücklässt.

Die Band aus Colorado Springs, Colorado besteht seit 2019 und hat bisher die Einstands-MCD „An Ear Kept To The Ground“ und das Vollzeit-Debüt „Life Cast In Glass“ veröffentlicht. MOUTH FOR WAR gehen stets rücksichtslos nach vorne und schonen sich nicht. Das gilt sowohl für die rabiaten Sounds als auch die schonungslos offenen Texte. Das fällt auf, führt zunächst zu Interesse und dann zu Identifikation. In Nordamerika ist die relevante Hörer-Klientel schnell auf das Quartett aufmerksam geworden. Angesichts von regelmäßigen Shows und Touren mit ähnlich positionierten Kollegen wie Bodysnatcher, Boundaries, Knocked Loose und Malevolence überrascht das nicht. Die Gruppe von Trae Roberts bewegt sich spätestens jetzt mit dem Zweitwerk auf Augenhöhe mit den genannten Underground-Lieblingen: „Als ich die Mitglieder für MOUTH FOR WAR ausgewählt habe, basierte das bereits auf ihrer guten Persönlichkeit und ihrem individuellen Talent“, erzählt der Frontmann und blickt auf die Entstehungsphase der Band zurück. „Jedes Mitglied von MOUTH FOR WAR ist großartig und fügt seine eigene Stimmung und Sichtweise mit hinzu. Das bringt es mit sich, dass das gemeinsame Touren einfacher wird. Versteht man sich gut, ist das so. Und das lässt es zudem auch viel leichter werden, gemeinsam Erfolg zu haben. In der Zeit, die wir bislang schon gemeinsam auf Tour verbringen konnten, sind wir als Musiker nur noch enger zusammengewachsen und verstehen uns noch besser als am Anfang.“

Der Vierer aus Colorado hat seine Aktivitäten zu einer Zeit gestartet, als die Heavy-Hardcore-Szene wieder Fahrt aufgenommen und neue Beachtung gefunden hat. Nun erntet die Band die Früchte ihrer harten Arbeit: „Den gegenwärtigen Status-quo der aggressiven und harten Musik sowie die Art und Weise, wie so viele Bands aus so vielen Subgenres schöpfen, werte ich in jeder Hinsicht als großartig“, freut sich Trae Roberts. „Insbesondere für diejenigen unter uns, die schon eine ganze Zeit lang in diesem Underground-Bereich gearbeitet haben, läuft derzeit alles überaus vorteilhaft. Als MOUTH FOR WAR nehmen wir gerne Teile all unserer Lieblings-Sounds auf und fügen sie auf eine Art und Weise zusammen, die man nicht so oft zu hören bekommt. Meiner Ansicht nach verhilft uns diese Vorgehensweise zu einer Position, in der wir mit einer Menge anderer Bands zusammengepackt werden können, die allgemein unter dem Genre des Metal zusammengefasst werden. Die Optionen, was beispielsweise das Touren anbelangt, scheinen mir grenzenlos.“ Die Wurzeln des Sounds der Gruppe liegen erkennbar im Heavy-Hardcore, doch die zahlreichen Erweiterungen in Kombination mit der brachialen Zuspitzung der Tracks lassen das Quartett tatsächlich für unterschiedlichste Hörer-Lager kompatibel erscheinen.

Stil-Fragen spielen für die jungen Musiker ohnehin keine Rolle. „Bleed Yourself“ ist sowohl der Spiegel der breiten Einflüsse der US-Amerikaner als auch ihres Mutes, darüber hinaus zu gehen: „Dem Grunde nach liebe ich es, wenn Bands einen Teil ihres traditionellen Sounds beibehalten und diesen mit jedem neuen Album weiter ausbauen oder verändern“, sagt der Frontmann. „Künstler müssen sich eine bestimmte Grundstimmung bewahren, in ihrem Sound gleichzeitig aber auch immer neue Elemente hinzufügen. Das war bei unserem neuen Album eines meiner größten Ziele. Als Band wollten wir das beibehalten, wonach MOUTH FOR WAR an der Basis klingt, und gleichzeitig versuchen, die übrigen Sounds unserer Lieblingsbands und -genres einzubringen, die man bei uns bislang noch nicht so deutlich herausgehört hat.“ Das Quartett legt darüber hinaus Wert auf reifes Songwriting. Die eigenen Einfälle adäquat umzusetzen, ist Trae Roberts & Co. wichtiger, als maximal kompromisslos und extrem in Erscheinung zu treten: „Wir haben kein Problem damit, uns zurückzuhalten, wenn dies angebracht ist“, bestätigt der Frontmann. „Wenn wir Songs schreiben oder an Ideen arbeiten, haben wir stets ein bestimmtes Ziel vor Augen und sind alle ziemlich gut darin, den Nagel am Ende auf den Kopf zu treffen. Das bedeutet aber auch, dass wir uns regelmäßig zurücknehmen und nach den Erfordernissen des Songs richten.“

Beim Hören des Zweitwerks der Gruppe fällt auf, dass dieses für ein Heavy-Hardcore-Album vergleichsweise variabel aufgesetzt ist und überdies ein Stück weit anders als die Scheiben der Konkurrenz klingt: „Wenn ich schreibe, war ich schon immer jemand, der absichtlich versucht, etwas zu tun, woran ich eigentlich nicht sofort denken würde“, verrät der Sänger. „Auf diese Art und Weise kommen oftmals spannende Song-Ideen zustande, die wir dann zurückverfolgen, auseinandernehmen und anreichern, um dramatische Übergänge und Dinge hinzuzufügen, an die man alleine für sich nicht denken würde. Das ist der Mehrwert, den die Arbeit als Gruppe bietet. Allein kann man nicht an alles denken oder hat man nicht so viele Einfälle wie in einer Gruppe, in der sich jeder einbringt.“ Jenseits der starken zugrundeliegenden Motivation und kontinuierlicher harter Arbeit gibt es bei MOUTH FOR WAR nichts Besonderes, was die Arbeitsweise des Quartett von der anderer Gruppen absetzt: „Um tight und einsatzbereit zu bleiben, üben wir zu unserem aktuellen Live-Set regelmäßig mit dem Click-Track“, erwidert Trae Roberts. „Unser Schlagzeuger ist zudem wirklich gut darin, viel mit den Füßen und einem Drum-Pad zu arbeiten und mit seinen Händen beschäftigt zu bleiben. Das tun aber viele Schlagzeuger, die ich kenne. Ganz allgemein gesprochen, tun wir das, was nötig ist, um die Rock-Säfte im Fluss zu halten.“

Nach Aussage des Frontmanns hat die Band Zeit ihres Bestehens nichts weiter getan, als beständig Songs zu schreiben und Konzerte zu spielen. Das Mehr an Erfahrung und die tiefere Verinnerlichung des eigenen Ansatzes wirken sich auf „Bleed Yourself“ merklich positiv aus: „Mit dem Album sind wir jetzt endlich an einem Punkt angelangt, an dem wir den Sound, den wir kreieren wollen, für uns als selbstverständlich ansehen und ihn so beherrschen und anlegen können, wie wir es immer schon wollten“, überlegt Trae Roberts. „Bei dieser neuen Platte war es das erste Mal, dass wir die Songs einfach so aus dem Ärmel schütteln konnten beziehungsweise sie uns in den Schoß gefallen sind. Dieses Mal fiel es uns relativ leicht, die Klänge, die wir für diese neuen Songs in unseren Köpfen hatten, mit Leben zu füllen.“ Den Entstehungsprozess des zweiten Longplayers fasst der Musiker wie folgt zusammen: „Es gab definitiv ein übergeordnetes Ziel, denn wir wussten, was wir wollten. Jeder von uns hatte dasselbe Verständnis davon, was wir zu erschaffen suchten. Erstmals in unserer Geschichte haben wir als komplette Band MOUTH FOR WAR gemeinsam Zeit in einem richtigen Aufnahmestudio verbracht. Dort haben wir sogar eine Woche lang gemeinsam gewohnt. Das hat zu einer noch tieferen Verbindung zwischen uns Band-Mitgliedern geführt und war ein entscheidender Faktor bei der Entwicklung einiger der Sounds, die wir für dieses Album kreiert haben.“

Das scheint zudem der Grund dafür zu sein, dass die Formation aus Colorado Springs zu einer neuen musikalischen Qualität gefunden hat: „Ja, auf jeden Fall“, stimmt der Frontmann zu. „Natürlich ist das das Ziel jeder Band, aber die wenigsten erreichen das tatsächlich. Mit „Bleed Yourself“ haben wir endlich das Album erschaffen, das wir als MOUTH FOR WAR von Anfang an angestrebt haben. Ich bin davon überzeugt, dass wir endlich den Nagel auf den Kopf getroffen haben, was den Sound angeht, den wir schon immer realisieren wollten. Unser Zweitwerk klingt nach den MOUTH FOR WAR, die wir seit dem ersten Tag aufgebaut haben.“

Daran hat Trae Roberts seit seinen Teenager-Tagen gearbeitet: „Als ich ungefähr 15 Jahre alt war, habe ich bei irgendjemanden, den ich gerade besucht habe, zufällig das Musik-Video zu ,Hey John, What’s Your Name Again?‘ gesehen“, erinnert sich der Sänger. „Damals hatte ich bereits den Metal für mich entdeckt, doch das war ein noch entscheidenderer Wendepunkt in meinem Leben. Auch, was mein Gitarrenspiel anbelangt. The Devil Wears Prada hatten damals und heute einen immens großen Einfluss darauf, wie ich Musik schreibe – zusammen mit Bands wie Lamb Of God, Bullet For My Valentine und auch Slipknot.“ Die Bereitschaft und der Anspruch über das Schaffen der eigenen Helden und Inspirationsquellen hinaus gehen zu wollen, zeichnet das Spiel von MOUTH FOR WAR aus: „Jeder Künstler sollte versuchen, sich musikalisch außerhalb seiner Komfortzone zu bewegen“, argumentiert der Frontmann. „Einige der besten Platten sind nur dadurch entstanden, dass man es einfach ausprobiert hat und Musiker ihren Ideen gefolgt ist. Viele der Sounds, die wir auf dem neuen Album anbieten, sind das Ergebnis des Herumspielens jenseits unserer Komfortzone.“

Das Quartett aus Colorado traut sich etwas und wird belohnt: „Es geht uns darum, unverfälscht wir selbst zu sein und nicht aufzuhören, Spaß zu haben. Wir sind eine aggressive, wütende Band, aber wir zeigen gleichzeitig, dass es cool ist, sich selbst nicht zu ernst zu nehmen.“ Angesichts der ernsten Thematik der Texte von „Bleed Yourself“ dürfte den Musikern das nicht immer leicht fallen. Aufzustecken, ist aber auch keine Lösung: „Dieses Album ist meiner Schwester Sophie gewidmet, die 2020 getötet wurde“, erklärt Trae Roberts abschließend. „Jeder Song handelt von der Wut, Angst und Trauer, die durch diese traumatische Erfahrung in meinem Leben ausgelöst worden sind. Ich hoffe, dass meine Texte jemandem helfen können, der trauert oder etwas Ähnliches durchmacht wie ich.“ Das Quartett führt auf seinem Zweitwerk eine kompakte, allgegenwärtige Hardcore-Brutalität ins Feld, die in vielfacher Hinsicht bitter aufstößt und zumeist destruktiv anmutet. Gleichzeitig spürt man, dass die Musiker die Plattform ihrer Band dafür nutzen, sich ihren Emotionen und inneren Dämonen zu stellen. Aus der schmerzhaften Auseinandersetzung mit der eigenen Gefühlswelt und dem Schicksal des Lebens ziehen MOUTH FOR WAR die Kraft, die ihnen dabei hilft, den Alltag zu meistern und an den Niederschlägen nicht zu zerbrechen.

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