NORMA JEAN

Das Spiel von NORMA JEAN ist von jeher düster, sperrig und unbequem. „Deathrattle Sing For Me“ stellt aber selbst für die Gruppe aus Douglasville eine neue Qualität dar.

Das Quintett verändert seine stilistische Aufstellung zwischen Mathrock, MetalCore, Noise, Sludge, Post-Hardcore und -Metal sowie Punk mit jeder Veröffentlichung. Verbindung schaffen die transportierte Attitüde und Wirkungsrichtung. Die seit 1997 aktive Band fällt dabei als in jeder Hinsicht heftig und kompromisslos auf: „Das hören wir gerne“, erwidert Frontmann Cory Brandan. „Der Nachteil ist, dass unser Stil für neue Hörer verwirrend sein kann. Das bedeutet, dass die Leute länger brauchen, um uns zu finden. Fast jedes Album hat eine andere Fan-Gemeinde. Für jede Ära von NORMA JEAN gibt es andere eingefleischte Fans. Das nehmen wir so hin und machen weiter. Wir sind immer auf der Suche und haben das Ziel noch nicht erreicht. Alles ist eine Übergangsphase, bis wir gefunden haben, was auch immer wir suchen. Als Individuen werden wir von so vielen Dingen beeinflusst, die in der Schreibwerkstatt aufeinanderprallen. Wir versuchen, keine Schablonen für das zu haben, was wir tun. Doch wenn man kurz rauszoomt, kann jeder hören, dass es hauptsächlich um schwere Musik, dunkle Atmosphären und viel Dynamik geht. Und wir lieben es, Risiken einzugehen! Alles, was uns dazu bringt, uns zu fragen, was zur Hölle ein Song macht, steht heutzutage ganz oben auf der Liste.“

Das verändert die Arbeitsweise von NORMA JEAN: „Mit jedem Album werden wir offener dafür, wirklich jede Idee auszuprobieren“, sagt Cory. „Es fällt einem meistens leicht, sich Ideen auszureden, bevor man überhaupt etwas gespielt hat. Also probieren wir alles aus und lassen unsere Ohren entscheiden. Ich bin immer wieder überrascht, was wir sonst verworfen hätten. Wenn eine Idee nicht funktioniert, führt sie in der Regel zu einer anderen. Manchmal beginnen die besten Ideen als Fehler. Wir akzeptieren inzwischen, dass wir nicht vorher wissen, wohin ein Song führt, und lassen uns von ihm dorthin führen, wo er hinwill. Wir hören einander zu und vertrauen einander genug, um zu wissen, dass wir alle das Beste für jeden Song und die Platte wollen. Wir fragen uns und die anderen oft: „Wie dient das dem Album?“. So überwinden wir die meisten Hindernisse.“ Die Covid-Pandemie ist dabei nur mittelbar für das wilde, düstere Wesen von „Deathrattle Sing For Me“ verantwortlich:

„Es ist für mich ein Isolationsalbum“, so der Frontmann. „Ich habe den anderen schon immer empfohlen, mindestens eines zu machen, und glaube, das hat jetzt jeder verstanden. Es ist interessant, zu sehen, was jeder einzelne in seiner Isolation gemacht hat. Wenn ich nur daran denke, bekomme ich Gänsehaut. Wir haben das Album – ähnlich wie „Polar Similar“ – in fast völliger Abgeschiedenheit aufgenommen, aber das jetzt war das x-fache davon. Ob das etwas Gutes oder Schlechtes ist, kann ich nicht sagen. Die Hälfte des Albums ist einfach eine Gruppe von Freunden, die Spaß am Schreiben von Garagen-Songs hat. Die andere Hälfte ist verwirrender – selbst für uns. Aber auch die Verwirrung ist Teil des Spaßes. Wir haben über ein Jahr mit dem Schreiben, mehrere Monate mit dem Aufnehmen und fast acht Monate mit dem Abmischen verbracht. Einige dieser Songs haben über 200 Schichten. So etwas werden wir wohl niemals wieder machen – zumindest nicht für eine lange Zeit. Die Idee der Isolation während des Schreibens ist, sich nicht von außen beeinflussen zu lassen, allerdings weiß ich noch immer nicht, wie gut das funktioniert hat. Es zwingt einen dazu, die Inspiration woanders zu suchen. Für „Deathrattle Sing For Me“ haben wir uns viele alte Football-Spiele angesehen, alte Metallica-Konzerte angehört und in Platten gegraben, die wir als Teenager geliebt haben.“

Die daraus resultierende Kreativität überrascht selbst NORMA JEAN: „Nach einem Album kann ich mir zumeist nicht vorstellen, was wir als Nächstes machen werden und bin froh, wenn ich ein paar Jahre lang nicht darüber nachdenken muss“, verrät Cory. „Das war dieses Mal anders. Normalerweise haben wir am Ende ein-zwei Songs mehr als wir brauchen und wählen dann aus, was auf dem Album landet. Dieses Mal waren es 40 komplette Songs aus denen wir auswählten. Wir haben einen ganzen Monat damit verbracht und dabei eine Menge Lieblinge getötet.“ Das Quintett ist dennoch mit sich im Reinen:

„Natürlich denken wir gerne, dass alles, was wir gemacht haben, genauso relevant ist wie das, was wir noch machen werden“, äußert der Frontmann. „„Deathrattle Sing For Me“ ist explizit dafür gedacht, dass man es sich anhört, um es zu erforschen. Wir haben uns herausgefordert, etwas zu machen, das sich stark von den früheren Platten unterscheidet. Ich hoffe, dass die Hörer auch in Jahren noch neue Klänge und Schichten entdecken werden, die sie vorher nicht gehört haben. Diese Art von Alben sind für uns am einflussreichsten. Schon das Album-Cover spricht Bände und zeigt, wie wir uns gefühlt haben und erklärt es anschaulicher, als ich es ausdrücken kann. Wir waren in einem verwirrten Zustand und haben uns entschieden, das durchzustehen und gemeinsam eine Menge Musik zu schreiben. Als ob unsere Leben davon abhängen würden.“

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