Die Band aus Sofia steht für emotionale, schwere Musik zwischen Alternative-Rock und Heavy-Metal. ODD CREW klingen von Album zu Album anders, weil ihre Songs immer auch ein Spiegel ihrer Entstehungszeit und der aktuellen Interessenlage der Gruppe sind. Mit „Dark Matters (Part 1)“ erscheint die bislang dunkelste und impulsivste Scheibe der Bulgaren.
Personelle Konstanz und ungebrochene Entdeckungsfreude zeichnen das Vorgehen der Osteuropäer aus, die schon seit 1998 gemeinsam musizieren und seit 2008 den Namen ODD CREW tragen: „Nun, die Sache ist die, dass wir zusammen aufgewachsen sind“, führt Frontmann Vasko Raykov an. „Das ist wahrscheinlich der Hauptfaktor. Ich kenne Vassil Parvanovski (Gitarre) seit wir drei Jahre alt waren. Als wir ungefähr zehn Jahre alt waren, wurde Martin (Bass) in seine Klasse versetzt. Bonzy (Schlagzeug) trafen wir dann, als wir zwölf und er acht Jahre alt war. Also ja, wir sind so ziemlich durch alle Jugendphasen zusammen gegangen und haben gelernt, uns anzupassen und gegenseitig zu respektieren. Ich denke aber auch, dass unsere gemeinsame Liebe zur Musik der Hauptkleber ist. Sie hält uns zusammen und macht uns zu mehr als nur Freunden. Das ist der Hauptgrund für unseren Slogan „S.P.R.F.“, der für „Strength, Pride, Respect & Family“ steht. ODD CREW ist nicht nur eine Band, sondern eine Familie mit all ihren Höhen und Tiefen, mit all ihren schönen und hässlichen Momenten. Was die Chemie angeht, ist es so, als hätte jeder von uns drei Ehen, ganz zu schweigen von unseren Frauen und Kindern, die auch ein riesiger Teil dieser Reise sind. Es ist nicht gerade einfach, aber wenn man solche Leute um sich herumhat, weiß man, dass man alles durchstehen kann. Das ist der Hauptbeitrag zu unserem Leben, unserer Musik, unserer persönlichen Entwicklung, was auch immer… Es ist einfach ein riesiger Motor. Dadurch lernt man, jeden Moment zu schätzen.“
Dazu kommt, dass die Bulgaren von jeher breit interessiert sind und sich hinsichtlich der kreativen Arbeitsweise schlicht an ihren Vorbildern orientieren: „Die Bands, die uns dazu gebracht haben, uns mit Musik zu beschäftigen und sie zu lieben, sind so vielfältig, dass ich mich nie auf einen bestimmten Musikstil festlegen könnte“, bestätigt der Sänger. „Wir lieben Rock‘n‘Roll, Blues, Jazz, Metal, Southern Rock, Country, Hardcore und so viel mehr. Ich sage oft, dass es zwei Arten von Musik gibt: Musik, die ich mag, und Musik, die ich nicht mag. Wenn ich die Stimmung und die Botschaft mag, ist das für mich großartige Musik. Deshalb ist auch jedes unserer Alben ein bisschen anders im Stil. Wir schreiben so, wie wir leben, und es ist uns egal, ob es in Bezug auf die Erwartungen widersprüchlich erscheint. Wir schreiben einfach das, was uns im Moment am Herzen liegt. Ich weiß nicht, ob wir in dieser Hinsicht anders als andere sind, aber ich würde gerne glauben, dass wir aufgeschlossen sind. Nicht nur als Musiker, sondern auch als Menschen. Ich glaube, dass unsere „Väter“ wie Black Sabbath und Led Zeppelin sich auch nicht allzu sehr darum geschert haben. Was die Herangehensweise angeht, haben wir nichts geplant. Jedes Mal kommt es einfach von irgendwoher. Manchmal ist es ganz einfach und manchmal dauert es eine ganze Weile, aber wie man so schön sagt: die Inspiration muss dich beim Arbeiten finden. Wenn sie dich gefunden hat, ist der Rest magische Sache.“
Dass „Dark Matters (Part 1)“ wiederum anders als die bisherigen Veröffentlichungen von ODD CREW klingt, überrascht da nicht. Die Musiker hören in sich hinein und überführen ihre Emotionen in Songs: „Es sind 100% persönliche Erfahrungen“, stellt Vasko klar. „Schau dir die Welt an, in der wir leben. Ja, es ist ein großartiger Ort und wir haben all diese Annehmlichkeiten. Doch wir sind nachlässig, abgelenkt und leer, wenn es um Empathie geht. Wir schreiben das Jahr 2022 und trotzdem ziehen wir in den nächsten Weltkrieg, weil wir, die Menschen, nicht mit den Ressourcen unseres Planeten umgehen können. Aber das ist alles nur äußerlich. Unser größtes Problem ist, dass wir noch immer nicht mit unserem Inneren umgehen können. Ich denke, das ist es, was mich am meisten antreibt, wenn ich die Texte schreibe. Und ich würde mit Sicherheit sagen, dass es auch das ist, was die anderen aus der Band antreibt, wenn sie Musik schreiben. Es ist traurig, wie wir uns mehr um die Nachrichten im Fernsehen kümmern können als um die Person, die neben uns auf dem Sofa sitzt.“ Diese und andere Überlegungen und Einsichten drücken sich auf dem neuen Album des Quartetts musikalisch und textlich aus:
„Alle Leute, die ODD CREW bereits kennen, wissen, dass wir uns nicht viel aus Erwartungen machen“, äußert der Frontmann. „Das macht es ja so schön. Wenn man den Weg schon vorgezeichnet hat, wäre es wirklich langweilig, ihm zu folgen. Im Laufe der Jahre haben wir uns als Menschen so sehr verändert und, ich wage zu behaupten, als Musiker weiterentwickelt, dass es unmöglich ist, an einem Ort stehen zu bleiben. Und genau das mag ich am meisten. Was die persönlichen Erwartungen angeht: es ist die Hölle, denn jedes Mal, wenn wir neue Songs machen, durchlaufen wir all diese Zweifel, Probeläufe und Neuarrangements, das Umschreiben von Texten und all diesen Scheiß. Aber das ist ein Teil des Spiels, wenn du das Beste in dir finden willst. Hat man ODD CREW erst einmal kennen und lieben gelernt, ist man kein Fan, sondern Teil der ODD CREW. Das ist unsere Einstellung. Manchmal ist es einfach, zu schreiben, manchmal ist es schwer. Solange wir diese Familie haben, wird das Endergebnis reine Ehrlichkeit sein.“ Auch deshalb lässt sich die Gruppe aus Sofia von ihren Gefühlen leiten: „Handwerklich versuchen wir nur so gut zu sein, wie es der Musik in technischer Hinsicht dient“, bestätigt Vasko. „ODD CREW hat für mich die emotionalen Fähigkeiten vor allem anderen. Manchmal müssen wir uns gegenseitig daran hindern, bestimmte Stellen zu übertreiben, aber am Ende des Tages geht es nur um das Gefühl. Wenn es funktioniert, bleibt es auf der Platte.“ Danach gefragt, welche Stimmung die Musiker anstreben, antwortet der Sänger: „Es gibt einen Ort, wo man hingeht, der einen verzehrt, wo man wird klein und einem gesagt wird, was man tun soll und man tut es. Das war‘s dann auch schon. Aber es fordert seinen Tribut. Es ist ein bisschen wie bei „Twin Peaks“.“
Die Musiker sind emotional stark involviert und übernehmen für ihre Musik die volle Verantwortung. Auch der Drakkar-Einstand „Dark Matters (Part 1)“ ist eine Eigenproduktion der Band: „Wir haben kein Qualitätsniveau vor Augen, sondern versuchen einfach zu schreiben, was wir fühlen und es so gut wie möglich klingen zu lassen“, umreißt Vasko den Arbeitsansatz. „Im Laufe der Jahre haben wir die meisten unserer Aufnahmen selbst übernommen – mit Ausnahme des „Mark These Words“-Albums, bei dem wir mit Daniel Berkstrand, Jason Suecof und Alan Douches zusammengearbeitet haben. Sie alle haben uns in Bezug auf das Vertrauen in unseren eigenen Weg nachhaltig beeinflusst. Ich glaube, dass wir jetzt wirklich auf unsere Instinkte vertrauen und ihnen folgen. Wir diskutieren viel und streiten uns manchmal über die Entscheidungen, die getroffen werden müssen, aber wie ich schon sagte: das ist ein Teil des Geschäfts und man muss es wissen. Wenn es dein Herz berührt, bist du dabei. Wir haben gelernt, miteinander zu arbeiten, um die Waage zu halten. Aber wir haben Spaß aneinander, und das macht uns Spaß. Ich betreibe ja auch ein Aufnahme-Studio und arbeite mit vielen anderen Bands als Produzent oder Engineer zusammen. Selbst dann kann ich nicht von dem Projekt getrennt sein. Wenn die Musik gut ist, werde ich ein Teil der Band und agiere so, als würde ich an einem Album unserer Band arbeiten. Wenn es sich gut anfühlt, ist es gut.“
Der Schritt, auch wieder selbst zu produzieren, war demnach naheliegend: „Natürlich haben wir über verschiedene Optionen nachgedacht, aber von dem, was wir hören, waren wir überzeugt. Es ist zwar anstrengend, die Verantwortung für die gesamte Produktion zu tragen, aber gleichzeitig ist man völlig frei, wenn es darum geht, wie man es am Ende klingen lassen möchte. Es gibt keinen richtigen Sound, es kommt nur darauf an, dass er die Emotion und die Botschaft transportiert. Wir sind nicht perfekt, aber wir sind auf dem besten Weg dahin. Es ist eine gewisse Genugtuung, wenn man es später hört und weiß, dass man es selbst gemacht hat, aber das bedeutet nicht, dass wir bei den kommenden Alben nie ein externes Ohr benutzen werden. Speziell bei allen „Dark Matters“-Teilen waren wir uns sicher, dass wir selbst daran arbeiten würden. Wir haben uns im Studio eingeschlossen und wollten herausfinden, was passiert. Wie in den alten Tagen. Heute nutzt fast niemand mehr diese Art von Praxis, weil die Welt so dynamisch ist, dass niemand mehr diese Zeit für das Schreiben von Musik aufbringen will. Wir lieben es, nicht nur unterwegs zu sein, sondern auch nachts mit einer Akustikgitarre im Studio zu sitzen, zu jammen und Melodien auszuprobieren. Ich denke, so sollte es auch sein und nicht nur zur Pflichtprobe erscheinen.“ Die Songs von ODD CREW entziehen sich den modernen Rezeptionsmustern vieler Hörer und fordern ein Mehr an Beschäftigung und Zeit ein:
„F*** die Welt“, reagiert der Frontmann impulsiv. „Die Leute werden immer fauler, dümmer, grimmiger, weinerlicher und die meisten von ihnen erwarten, dass alles mit einem Fingerdruck auf ihr Smartphone zu ihnen kommen muss. Und auch, dass jeder von ihnen irgendein Recht an dir besitzt. Wir sind kein Risiko eingegangen. Wenn sie einen Song hören wollen, der zwei Minuten dauert, weil ihr Verstand nicht mehr als zwei Strophen und zwei Refrains verarbeiten kann, ist das ihr Problem, nicht unseres. Das Format „schneller und einfacher Song“ wurde bei den Radiosendern populär, weil es einfach zu hören ist und mehr Leute es genießen können, so dass sie auch mit mehr Werbung gefüttert werden können, die die Rechnungen der Sender bezahlen. Das ist heute nicht anders. Schaue dir nur Spotify an und was dort an die „normalen Künstler“ gezahlt wird. Und last but not least: ,Stairway To Heaven‘ ist acht Minuten lang, also….“
Die emotionale Dichte und Intensität von „Dark Matters (Part 1)“ resultiert auch daraus, dass ODD CREW in diesen Songs voll und ganz aufgehen: „Wir haben eine geplante Tour abgesagt, um ausreichend Zeit zu haben, an dem Album zu arbeiten“, so Vasko. „Dann schlug Covid zu und aus den Alben wurden zwei, dann drei, dann vier. Das hat uns zwar vor einem totalen mentalen Absturz bewahrt, aber trotzdem seinen Tribut gefordert, weil wir nicht auf der Straße, der Bühne und so weiter sein konnten. Aber das Wichtigste ist, dass wir uns die volle Freiheit in Bezug auf das Schreiben gegeben haben. Und noch einmal: Seit fast 24 Jahren zusammen zu sein, ist ein unmittelbarer Grund, immer kohärenter zu werden.“