PLEBEIAN GRANDSTAND

Musik als Herausforderung – das führen die Franzosen von PLEBEIAN GRANDSTAND im Programm. Ihr vierter Longplayer „Rien Ne Suffit“ steht für kompromisslose Selbstverwirklichung in einer extremen und experimentellen Ausprägung. Die Spielwiese umfasst dabei unter anderem Black Metal, Düster-Hardcore, Mathcore, Jazz, Noise, Industrial, Elektro und Avantgarde.

„Warum sollte uns das Angst machen?“, fragt Schlagzeuger Ivo darauf angesprochen zurück, dass die Anlage seiner Band auf Unverständnis stoßen oder zumindest als (zu) progressiv aufgefasst werden könnte. „Visionär ist sicherlich übertrieben, aber wir versuchen tatsächlich, extreme Musik in wenig bespielte Ecken zu bringen und einen anderen Ansatz als die meisten anderen Metal-Bands zu bieten. Wir haben aber kein Interesse daran, irgendjemanden zu belehren. Das wäre eine extrem prätentiöse Aussage. Doch es braucht wahrscheinlich ein ziemlich geschultes Ohr, um die Details und das Songwriting jenseits der Aggression wahrzunehmen. Das ist meiner Auffassung nach bei allen Formen extremer Musik der Fall. Kunst sollte selbsterklärend sein, also brauchen die Leute uns nicht zu verstehen. Wir freuen uns darauf, zu erfahren, wie sich die Leute fühlen, wenn sie auf Play drücken und was ihnen in den Sinn kommt.“

Ein gewisses Schockmoment scheint von PLEBEIAN GRANDSTAND bewusst einkalkuliert zu sein: „Die meisten Songs auf „Rien Ne Suffit“ waren viel schwieriger zu schreiben als sonst, aber nicht aufgrund irgendwelcher Erwartungen, sondern wegen einer veränderten Arbeitsweise. Wir sind zuversichtlich, dass die Leute, die uns folgen, auf dieser Platte immer noch alles finden, was sie an uns mögen, und dass sie starke Emotionen über die neu hinzugefügten Facetten empfinden. Ob das nun Erleichterung, Unbehagen, Anziehung oder Abstoßung ist, bleibt abzuwarten.“ Die Franzosen haben zunächst konzeptionell den Rahmen ihrer Stücke abgesteckt und sie dann musikalisch umgesetzt: „Normalerweise veröffentlichen Bands ein Album, wenn sie eine zufällige Sammlung von Songs beisammen haben, die lang genug ist“, weiß Ivo. „Wir hatten das Gefühl, dass dies kein optimaler Weg ist, um unsere Geschichte zu erzählen und Gefühle zu vermitteln. Also beschlossen wir, ein Album nach der Methode abzuarbeiten, die beim Filmemachen verwendet wird. Zunächst schrieben wir ein Szenario, das sowohl durch Texte als auch eine Liste von Schlüsselwörtern, die sich auf Ereignisse und Stimmungen beziehen, verkörpert wird. Dann haben wir diese Liste in Kapitel unterteilt, bis uns klar war, was jedes einzelne von ihnen ausdrücken sollte. Schließlich haben wir die Musik für jedes Kapitel geschrieben. Die neuen Klangfarben waren kein Ziel an sich, sondern sind ein Mittel, um eine größere Vielfalt an Bildern zu erschaffen. Was die Kreativarbeit anbelangt, war die Vorgabe von Schlüsselwörtern sehr anregend, machte aber alles auch schwieriger und schmerzhafter.“

Als partiell überfordernd will der Schlagzeuger „Rien Ne Suffit“ nicht verstehen: „In Kategorien wie technisch, experimentell oder herausfordernd denken wir nicht. Wir definieren, was wir ausdrücken wollen, und wählen die Mittel, um es zu verwirklichen. Ein unzusammenhängender Song wie ‚Tropisme‘, in dem sich nichts wirklich in irgendeiner Form auflöst und alles stirbt, bevor man es wirklich genießen kann, funktioniert gut, um an eine frustrierte und gequälte Person oder Gesellschaft zu erinnern. Wie in einem Gaspar Noé-Film kann man spüren, dass etwas Schlimmes geschehen wird. Wenn dann das Unabänderliche kommt und alles explodiert, als ob der Typ all diese kochenden Emotionen angesammelt hat und es nicht mehr aushält und einfach in einen riesigen Fehler abtaucht, benutzen wir einen schnellen und chaotischen Rhythmus wie am Anfang von ‚Part Maudite‘, um das darzustellen. Das ganze Album wurde solchen Überlegungen folgend konzipiert. Trotzdem achten wir darauf, ein Gleichgewicht zwischen Anregung und Behaglichkeit zu finden, so dass es hier und da Melodien und Hooks gibt, um einen Kontrast zu den Dissonanzen und dem Chaos zu schaffen sowie jedem Song eine einprägsame Identität zu geben.“

Darin drückt sich die dem Album zugrundeliegende Intention aus: „„Rien Ne Suffit“ bedeutet „Nichts ist genug““, erklärt Ivo. „Von der Handlung her geht es um die Auswirkungen der menschlichen Natur auf die Zyklen der Evolution und die Unmöglichkeit eines echten Fortschritts in bestimmten Bereichen. Man will sich weiterentwickeln, es besser machen, denkt eine Zeit lang, dass man es schafft, um dann festzustellen, dass man fast wieder am Ausgangspunkt steht und für einen neuen Zyklus des Versuchs bereit sein muss. Dies kann sowohl eine Episode im Leben eines einzelnen Menschen als auch eine Gesellschaft im größeren Maßstab beschreiben. Welche Beschreibung sie wählen, bleibt ihnen überlassen. Es ist wie ein Rorschach-Test. Sie sehen, was Sie sind.“

Will heißen, dass die Wirkungsrichtung nicht eindeutig ist und man das PLEBEIAN GRANDSTAND-Album auch als Experimental-Exzess auslegen kann: „‚Tropisme‘ ist sicherlich der verstörendste Song des Albums“, meint der Schlagzeuger. „Er ist nicht wie ein Rock-/Metal-Song geschrieben, sondern verwendet einen Lead-Modular-Synthesizer mit völlig unvorhersehbaren Techno-Rhythmen und sehr wenig Gitarre. Was unsere Zukunft angeht, bin ich mir nicht sicher, ob wir uns einig darüber sind, welche Grenzen wir brechen wollen und welche Codes wir bereit sind, aufzugeben. Also werden wir sehen, welche Kompromisse wir eingehen können. Ich glaube nicht, dass unsere Musik eine inhärente, objektive künstlerische Qualität aufweisen muss und versuche, mich auf das zu konzentrieren, was ich sagen will, und nicht auf das, was ich gerne spiele oder von dem ich es gewohnt bin, es zu spielen.“

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