Der Einstieg von Shouterin Iris Goessens erweist sich als Glücksfall. SPOIL ENGINE sind seit 2015 eine völlig andere Band. „Renaissance Noire“ heißt der zweite Longplayer unter ihrer Beteiligung. Das belgisch-niederländische Quartett präsentiert sich als moderne Heavy-Core-Kombo, die darauf aus ist, nachklingende Hymnen zu setzen.
„Die wesentlichen Zutaten unseres neuen Albums sind Zeit, fehlender Druck und einfach das zu tun, was wir tun wollten,“ erzählt Gitarrist Steven. „Bewusst haben wir uns die nötige Zeit für das Songwriting genommen und uns immer gefragt, ob wir die Songs wirklich mögen. Wenn etwas authentisch ist, klingt es auch echt. Die meisten Leute schätzen das mehr als ein künstliches Album. Unserer bescheidenen Meinung nach sind unsere neuen Stücke hart, dunkel gestimmt und sehr vielfältig. Noch dazu glänzt jedes einzelne Band-Mitglied mehr als in der Vergangenheit. Davon profitiert das Gesamtbild.“ Die Wurzeln von SPOIL ENGINE reichen ins Jahr 2004 zurück. Der Mix aus melodischem Thrash und wuchtigem Groove-Metal ist seither um eine moderne Attitüde und MetalCore-Akzente erweitert worden.
„Metal ist für mich das Schlüsselwort“, erwidert der Gitarrist. „Von MetalCore zu sprechen, greift für mich zu weit. Besonders mit Blick auf unser neues Album. Was man deutlich hört, ist, dass sich unsere Inspiration deutlich widerspiegelt. Unser Bassist Dave und ich sind von Gruppen wie PANTERA und CARCASS inspiriert, während unserer Sängerin Iris und Schlagzeuger Matthijs eher Sachen wie BRING ME THE HORIZON, WHILE SHE SLEEPS und ARCHITECTS mögen. Daraus resultiert diese Kombination aus MetalCore und melodischem Groove-Metal. Selbst ein kleiner Punk-Vibe ist nie weit entfernt.“ Jeff Walker von CARCASS gibt bei ,The Hallow‘ einen Gast-Auftritt. Ansonsten sind sich SPOIL ENGINE selbst genug und feiern ihren live-tauglichen Sound, den die Musiker selbst produziert haben, nach allen Regeln der Kunst. Das schafft vielfältige Identifikationsmöglichkeiten: „Sich von einer Band angezogen zu fühlen, kann auf so vielen Ebenen passieren“, meint Steven. „Das beginnt mit der Wirkung der Musik, wenn man sie das erste Mal hört. Doch auch visuelle Aspekte oder schlicht die Musiker können eine Reaktion hervorrufen. Es gibt immer diesen einen kleinen Funken, der es auslöst. Und wenn alles zusammen kommt, also Musik, Image und eine tolle Live-Band: bingo!“
Das Quartett bringt auf „Renaissance Noire“ alles mit, was es braucht, um nachhaltig aufzufallen: „Die wirklich großen Künstler sind diejenigen, bei denen man auch dann noch ihren einzigartigen Sound hört, wenn alle Studio-Tricks entfernt sind“, äußert der Musiker. „Der Gesang spielt dabei eine wichtige Rolle. Ich persönlich denke, dass Iris unseren Sound durch ihre markante Präsenz auszeichnet. Vor allem durch die mühelose Kombination der aggressiven Growl-Parts mit den gesungenen Passagen. Es ist immer toll, mit zu erleben, dass das Publikum nach dem Soundcheck einen CANNIBAL CORPSE-Sänger-Typus erwartet, doch dann diese schmächtige Frau auf die Bühne kommt und den Laden rockt.“
Die Frontfrau verbucht in jeder Hinsicht einen souveränen Auftritt und beschert SPOIL ENGINE ohne Frage Wiedererkennungswert: „Iris war definitiv der Schlüssel für die internationale Bühne“, bestätigt Steven. „Das heißt aber nicht, dass wir nicht auch hart arbeiten. Es wirkt immer noch surreal. Iris tauchte auf, nachdem wir bereits 30 Vorsingen hinter uns hatten. Plötzlich gab es im Studio den X-Faktor, als sie einen unserer Songs so gesungen hat, wie wir ihn noch nie zuvor gehört hatten. Bullseye! Durch die neue Besetzung haben unsere Songs mehr Abwechslung und Dynamik erfahren. Es sind immer noch harte Metal-Stücke, doch wir haben keine Angst mehr, sie wachsen zu lassen. Während der Aufnahmen haben wir bewusst versucht, uns noch stärker dem Live-Feeling anzunähern. Wann immer uns eine repräsentative Aufnahme gelungen ist, die den Moment perfekt eingefangen hat, haben wir es beim Original belassen und nachträglich nichts mehr poliert. Im Song ,Venom‘ findet sich zum Beispiel die Zeile „Yeah, I fuckin‘ did it!“ Das klang von Anfang an so gut, dass wir es einfach so gelassen haben. Weder hat es weitere Takes gegeben, noch haben wir mit Overdubs gearbeitet. Alles, was man hört, ist eine angepisste Seele, die nicht imitiert werden kann.“
Am Ende ist es die Gruppenleistung, die überzeugt. Das Quartett hat sich gegenseitig zu Höchstleistungen angestachelt: „Der Schlüssel zu „Renaissance Noire“ ist das individuelle Leuchten jedes unserer vier Band-Mitglieder“, stimmt der Gitarrist zu. „Iris hat mit ihrer Stimme in alle Richtungen experimentiert. Unser Bassist Dave legt mit seinem knurrenden Bass-Sound das Fundament der Songs. Unser Schlagzeuger Matthijs steigt darauf voll ein und fungiert als technisches Rückgrat unserer Gruppe. Und bezüglich der Gitarren-Parts liebe ich jedes einzelne Riff des Albums. Die Anzahl der Leads habe ich bewusst reduziert. Leads gibt es immer nur dann, wenn sie den jeweiligen Song unterstützen. Die Basis-Riffs klingen so viel härter. Insgesamt haben wir uns allein in Richtung „So wollen wir klingen“ entwickelt und sind der Maßgabe gefolgt, einen natürlichen Sound mit nur wenigen Studio-Tricks und reduzierten Layern umzusetzen.“
Die mitreißenden Heavy-Hymnen von SPOIL ENGINE basieren dabei auf Leidenschaft und Spontanität: „Die besten Songs entstehen zumeist spontan in weniger als zehn Minuten“, verrät Steven. „Wenn alles passt, fließt es einfach aus einem heraus. Dann trifft man direkt ins Schwarze. Während des Songwritings versuchen wir, so wenig wie möglich nachzudenken und so viel wie möglich frei zu spielen. Wie bei jeder guten Mahlzeit, die man kocht, braucht es dann aber doch Zeit, um etwas wirklich Leckeres zu zaubern. Wenn ein Song dich nach einer Woche immer noch begeistert, wird er es auch nach einem Jahr noch tun. Deshalb arbeiten wir in der Vorproduktion mit möglichst vielen Songs, lassen sie einige Zeit ruhen und nehmen die Arbeit später wieder auf. Die wirklich guten Stücke fallen dann sofort auf. Im letzten Aufnahmeschritt arbeiten wir nur noch mit den besten. Das neue Album fällt exakt so aus, wie wir es uns vorgestellt haben: modern, heavy und tight, jedoch auch sehr persönlich und mit unserem eigenen Sound.“