THE AMITY AFFLICTION

Die stilistische Anlage zwischen Post-Hardcore, MetalCore und Breitwand-Ambitionen bietet den Australiern seit jeher eine spannende Spielwiese, die sie unterhaltsam ausgestalten. Mit „Not Without My Ghosts“ erscheint ein härteres Album von THE AMITY AFFLICTION, das dennoch alle Trademarks des Quartetts aufweist.

„Der Geist der Band ist nach wie vor intakt“, stellt Frontmann Joel Birch eingangs klar. „Wir haben noch viel vor und sind stark motiviert. Es war ja niemals unser Ziel, eine erfolgreiche Band zu werden. Darauf haben wir nie auch nur spekuliert. Weil es Spaß gemacht hat, haben wir irgendwann angefangen, zu touren. Das tun wir weiterhin. Das Schreiben, Produzieren und Aufführen von Musik sind immer noch die Essenz von allem, was wir tun wollen. Nach so vielen Jahren freue ich mich, aus Überzeugung sagen zu können, dass wir das, was wir tun, wieder zu schätzen wissen, und dass wir aus dem Covid-Lockdown einen neuen Schwung mitgenommen haben, der vorher vielleicht etwas nachgelassen hatte.“ Die Gruppe aus Gympie, Queensland ist bereits seit zwei Dekaden aktiv und tourt kontinuierlich auf der ganzen Welt. Dass der Frontmann jeder Band besonders im Fokus steht, stört Joel nicht. Er verspürt auch keine besondere Verantwortung dadurch, dass sich THE AMITY AFFLICTION großer Beliebtheit erfreuen. Als Vorbild sieht er sich gleich gar nicht:

„Wo immer ich bislang war oder in welcher Szene ich mich bewegt habe, habe ich mich nie als Mitglied der inneren Crew oder als Anführer gefühlt – auch wenn ich mittendrin bin und vorne stehe“, so der Sänger. „Auch heute noch gibt es Leute, die ich anschaue und bei denen ich davon überzeugt bin, dass sie viel „cooler“ sind als ich und mehr zu sagen haben. Mit dem Alter kommt zudem eine viel geringere Sorge darum, was andere Leute denken oder von mir erwarten. Ich weiß, wer ich bin. Es ist mir egal, was andere über mich denken. Ob ich mich verantwortlich fühle, weil ich einen prominenten Platz in der Heavy-Musik-Sphäre einnehme, weiß ich nicht so recht. Mit meinen Meinungen und meiner Haltung zu sozialen Themen bin ich sehr offen, versuche aber, das aus der Musik herauszuhalten. Die Leute können aus meinen Texten machen, was sie wollen. Ich fühle mich in keinem besonderen Maße dafür verantwortlich, die Wirkung meiner Texte auf andere Leute mitzudenken.“ Das Schreiben war für Joel schon immer eine persönliche Erfahrung: „Das, worüber ich schreibe, ist fast immer ein direkter Spiegel einer bestimmten Zeit in meinem Leben“, stimmt der Frontmann zu. „Es gibt nichts, worüber ich lange nachdenke oder was ich plane. Alles, was sich für mich mit den Jahren verändert hat, ist, dass ich mir bewusster geworden bin, wie ich die Dinge in den Songs rüberbringen will und wie ich besser für Ahren‘s Art zu singen schreiben kann.“

Gemeint ist Bassist Ahren Stringer, der die Clean-Vocals verantwortet. Es überrascht auch nicht, zu hören, dass der Australier die Arbeit auf sich zukommen lässt und eher spontan agiert: „An ein Album gehe ich niemals mit irgendwelchen expliziten Zielen heran“, sagt der Frontmann. „Dieses Mal haben wir uns allein darauf verständigt, eine härtere Platte anzugehen. Das haben wir dann auch getan. Mehr gab es nicht. Für die Texte schreibe ich einfach das auf, was mir durch den Kopf geht. So, wie es herauskommt, geht es mir durch den Kopf. Wir haben die neue Platte schon im letzten Juli fertiggestellt. Ich habe mir „Not Without My Ghosts“ erst in den letzten Wochen intensiv angehört. Vielleicht erst jetzt, weil das Aufnehmen für mich immer irgendwie ätzend ist. Es macht mir wirklich keinen Spaß, also ziehe ich es durch und hoffe, dass ich später zufrieden sein werde.“

Auf „Not Without My Ghosts“ trifft das zu, auch wenn die Umstände der Entstehung nicht einfach waren und THE AMITY AFFLICTION einiges zu verarbeiten hatten: „Alle Songs wurden während der Covid-Zeit geschrieben, weshalb viel Wut und Traurigkeit dabei sind“, erzählt Joel. „Während dieser Zeit haben wir zwei enge Freunde verloren, also gibt es Momente, die von Verlust handeln und wie ich persönlich mit diesem Verlust umgehe. Ein übergreifendes Thema oder so etwas gibt es aber nicht. Die Arbeit war auch so schon stressig genug. Als wir damit fertig waren, war ich froh und stolz auf das, was wir geschaffen haben.“ Der Australier richtet seinen Blick selten zurück, sondern lieber nach vorne:

„Mein stolzester Moment mit der Band?“, fragt Joel zurück. „Ich bin mir nicht sicher, ob ich dieses Gefühl überhaupt mit der Band jenseits der Alben verbinde. Vielleicht werde ich irgendwann auf THE AMITY AFFLICTION zurückblicken und dieses Gefühl haben, aber nicht im Moment. Wir sind immer noch hier, also gibt es noch mehr Erinnerungen, die geschaffen werden müssen, und noch mehr Musik, die auf uns wartet. Wir sind in vielfacher Hinsicht einfach ein Produkt unserer Erziehung und der Dinge und Künstler, mit denen wir aufgewachsen sind. Zieht es uns nicht alle zu dem, was wir lieben? Streben wir nicht alle danach, uns durch die Brille dessen auszudrücken, was wir kulturell bedeutsam finden? Wir tun das.“

www.theamityaffliction.net