The Defaced – Charlatans

Mittlerweile sollte es sich hinlänglich herumgesprochen haben, dass in Schweden jeder junge Mann unter 60 in mindestens fünf Bands spielt, die alle hochqualitativen Metal spielen. Das liegt an wenig Sonne, seltsamem Trinkwasser und viel schwarzgebranntem Alkohol. Soviel zur urbanen Legende. Da ist natürlich genauso viel dran wie an den hochgiftigen Spinnen, die abends aus der Yuccapalme krabbeln. Es bleibt aber dennoch erstaunlich, wieviel Potential in schwedischen Musikern steckt. So man THE DEFACED nicht kennen sollte: Dahinter stecken Musiker von Darkane und Soilwork. Eben nicht unbedingt die schlechtesten Namen im Musikbusiness. Dabei liest sich die Zutatenliste auf „Charlatans“ gar nicht mal so spektakulär. Moderner Metal, ein bisschen schwedischer Death Metal und viel Melodie. Typisch Schweden eben. Und irgendwo fehlt dann noch eine Schraube. Aber, Spaß beiseite. Musikalisch-technisch, songwriterisch und produktionstechnisch geben sich die Mannen hier nun wahrlich keine Blöße, ohne all ihre Songs nach Schema F zu komponieren. Ein hohes Maß an Emotionen wird hier abgerufen. Wut, Liebe, Hass, Melancholie. Alles wunderbar in mal groovende, mal wunderbar nach vorne gehende Songs gegossen, die trotz wohl bekannter Zutaten eben nicht altbacken, sondern frisch und modern klingen. Gibt es denn da gar nichts zu kritisieren? Nun, eigentlich nicht. Vielleicht nur dies: THE DEFACED fehlt meiner Meinung nach ein bisschen ein Alleinstellungsmerkmal. Klagen auf hohem Niveau, aber diese Songs, so gut sie auch sind, könnten auch von gefühlt fünfzig anderen schwedischen Bands stammen. Böse formuliert: es mangelt mir persönlich ein bisschen an einer eigenen Identität. Sieht man einmal davon ab, ist „Charlatans“ ein hochklassiges Album.
(Vici Solum Productions)