THE OCEAN – Phanerozoic Live

Die Corona-Pandemie mit ihren Lockdowns und dem Herunterfahren des öffentlichen Lebens hat auch positive Seiten. Wenn man denn so will. Ohne die erzwungene Tour-Pause hätte es weder das „Phanerozoic“-Fotobuch gegeben noch diese Live-Veröffentlichung. In Support ihres 2018 erschienenen „Phanerozoic I: Palaeozoic“ sind THE OCEAN unter anderem durch Indien, Russland, Kasachstan, Armenien, Georgien, Australien, Neuseeland und Europa getourt. Die dabei entstandene Foto-Dokumentation lag dem letztjährigen Album „Phanerozoic II: Mesozoic / Cenozoic“ bei. Pandemie-bedingt war es dem Sextett lange Zeit nicht möglich, Konzerte vor Publikum zu spielen. Dies soll Anfang 2022 nachgeholt werden, sofern die Lage es zulässt. Gewissermaßen als Abschied von den Konzert-losen Monaten und als Vorgeschmack auf die geplanten Tour-Aktivitäten erscheint „Phanerozoic Live“, das die letzten beiden Alben – ohnehin ein zusammengehöriges Konzept – am Stück gespielt bietet. Dass sich der Aufnahmerahmen im März 2021 extrem unterschieden hat, hört man dabei nicht. „Phanerozoic I“ ist live aus dem Pier 2 im Bremer Hafen in die Welt gestreamt und dort mitgeschnitten worden; de facto ein Konzertmitschnitt in einem großen Venue, nur ohne Publikum. „Phanerozoic II“ wiederum ist in einem intimeren Setting im Studio „Die Mühle“ festgehalten worden. THE OCEAN haben ihr aktuelles Album mehrfach gespielt und ihre beste Leistung für eine Online-Aufführung im Rahmen des digitalen Roadburn-Festivals im April ausgewählt. Gewissermaßen zwangsläufig erfolgt nun die gebündelte Auflage über das Label des Band-Gründers. Dass es dauert, bis man die 15 Tracks durchgehört hat, stört überhaupt nicht. Die Zeit vergeht wie im Flug. Vielleicht ist es Einbildung, vielleicht Realität: aufgrund des Live-Rahmens und der einhergehenden Situationsdynamik klingt „Phanerozoic“ in den Nuancen leicht anders als aus den regulären Studio-Produktionen bekannt. Natürlich ändert sich nichts daran, dass THE OCEAN in vielseitige, wendungsreiche und sich behutsam entwickelnde Soundscapes zwischen Rock und Metal entführen. Das bewusste, akzentuierte Spiel mit Kontrasten, Stimmungen und stilistischen Zutaten lässt allgegenwärtig scheinende Klangwelten entstehen, die in ihren Bann ziehen und ebenso fordern wie freigiebig wirken. Was man bei der Auseinandersetzung mit den Songs des Sextetts erlebt, gleicht einem Geben und Nehmen. So ist es bei den Berlinern stets. Man muss sich investieren, um die zugrunde liegenden Intentionen der Musiker nachzuvollziehen und den übergeordneten Bedeutungszusammenhang zu verstehen. In der Live-Umsetzung von „Phanerozoic“ fällt das sogar etwas leichter als gemeinhin.

(Pelagic)