WHEN PLAGUES COLLIDE

Das Zweitwerk der Belgier fällt als ebenso angriffslustig wie kompakt und dicht auf. WHEN PLAGUES COLLIDE führen ihren symphonisch aufgeladenen Deathcore konsequent in die Extreme und geizen dabei nicht mit Technik. „An Unbiblical Paradigm“ wirkt in jeder Beziehung heftig.

Picture Laura Van Den Eede

„Es ist unser erklärtes Ziel, unseren Sound beständig zu verändern“, erklärt Frontmann Wouter. „Das liegt hauptsächlich daran, dass wir noch nicht das erreicht hatten, was wir anstrebten. Das heißt, bis jetzt zu „An Unbiblical Paradigm“. Dieses Album fühlt sich in jeder Hinsicht und mit jedem Song richtig an. Ebenso wie all die Emotionen, die wir mit den Texten und in den Songs kombinieren und ausdrücken. Versteht mich nicht falsch: wir sind uns alle einig, dass es noch weitere Fortschritte geben gibt, weshalb wir uns schon jetzt auf das nächste Album freuen. Die Tatsache, dass wir uns nicht auf eine klassische Art des Songwriting und klassische Songstrukturen festlegen, sondern einfach das schreiben, was wir in einem Moment fühlen, sorgt dafür, dass alles von Herzen kommt. Musik muss eine Seele haben. Wir glauben fest daran, dass, sofern es uns gelingt, das zu erreichen, die Musik für sich selbst spricht.“ Auf Nachfrage bestätigt der Sänger, dass WHEN PLAGUES COLLIDE weniger planvoll als vermutet agieren:

„Wir folgen vor allem unserem Bauchgefühl, streben aber immer die nächsthöhere Ebene an. Unser Ziel ist es, dorthin zu gelangen, wo wir unsere Musik sehen. Bisweilen bedeutet das einen komplexeren Sound, der etwas mehr Aufmerksamkeit erfordert. Man muss unsere Songs eingehend erforschen. Andererseits ist die Zugänglichkeit nicht von dieser Welt und ebenso wichtig. Beim Hören unserer Songs ist es immer noch leicht möglich, sich einfach zurückzulehnen und die Musik zu genießen.“ Die seit Mitte 2016 aktiven Belgier aus Zaventem haben nichts dagegen, dass ihre Band primär mit einem Extrem-Genre in Verbindung gebracht wird: „Deathcore ist nur eine Bezeichnung und das ist völlig in Ordnung“, sagt Wouter. „Die Sache ist die, dass „melodisch-symphonischer und manchmal geschwärzter Death Metal mit Core-Einflüssen“ einfach nicht auf eine Visitenkarte passt. Wenn es uns hilft, als Deathcore-Band in den richtigen Playlists aufzutauchen und auf den richtigen Bühnen zu landen, dann können wir wohl von einer Win-Win-Situation sprechen. Für potentielle Hörer und Fans wird es dadurch einfacher, unsere Musik zu entdecken und sich mit ihr zu identifizieren. Nichts für ungut, Sir!“ Im aktuellen Wettbewerbsumfeld erkennt der Frontmann weitere Vorteile der Verortung: „Es ist unbestreitbar, dass der Deathcore gerade einen neuerlichen Höhepunkt seiner Popularität erlebt. Das zu sehen, ist eine schöne Sache. Das Timing dafür könnte nicht besser sein, denn wir sind davon überzeugt, dass „An Unbiblical Paradigm“ sowohl von neuen als auch bestehenden Fans unserer Musik geschätzt werden wird. Vor der Pandemie hatte es sich in der belgischen Szene etwas abgeflaut. Nachdem die Leute zu Hause sitzen mussten und ihnen klar wurde, was sie verpassen, ist die Szene jetzt lebendiger als jemals zuvor – zumal in Kombination mit dem gegenwärtigen Popularitätsschub für den Deathcore.“

Picture Laura Van Den Eede

Die Spielart erfährt nicht nur viel Aufmerksamkeit, sondern verschiebt auch die Grenzen dessen, was als modern-extremer Metal anzusehen ist: „Das ist etwas, worüber wir in unserem Freundeskreis schon seit den frühen 2000er Jahren diskutieren, seit wir Cannibal Corpse, Slipknot und The Black Dahlia Murder für uns entdeckt haben“, greift Wouter den Gedanken auf. „Was kommt als nächstes? Wie wird sich die Szene weiterentwickeln? Wie kann sie noch extremer werden? Ich habe es nie bereut, die Existenz von Bands wie The Berzerker entdeckt zu haben, und, wenn wir mehr über die jüngere beziehungsweise gegenwärtige Szene sprechen, Mire Lore, Shadow Of Intent, Lorna Shore und viele mehr. Für die technologischen Möglichkeiten heute müssen wir dankbar sein und zwar aus dem einfachen Grund, dass wir ohne einen Laptop hinter den Bands nie in der Lage gewesen wären, Musik zu hören, wie wir sie heute erleben. Es war noch nie so einfach und lohnend, Symphonien, Chöre, fiese Horror-Sounds oder was auch immer zu seinen Songs hinzuzufügen. Ich mag mir kaum vorstellen, was ich von der Zukunft noch alles erwarten kann, aber ich weiß, dass wir fast den Punkt erreicht haben, an dem die einzige Grenze, die es noch gibt, die Kreativität der Musiker selbst ist. Mit WHEN PLAGUES COLLIDE werden wir weiterhin unserem Bauchgefühl folgen, uns täglich mehr anstrengen und niemals aufhören, unsere eigenen Grenzen und Möglichkeiten zu erforschen. Das einzige Versprechen, das wir geben können, ist, dass wir niemals Pop-Songs schreiben werden, außer vielleicht als Ghostwriter.“

Die Belgier wollen sich mit der eigenen Band austoben: „Obwohl wir umgängliche, nette Menschen sind, die ohne zwei Mal nachzudenken älteren Mitbürgern über die Straße helfen, spielen wir bösartige und gefährliche Musik“, stellt der Frontmann klar. „Unsere Songs sind und werden immer voller Aggression sein, aber – und jetzt spreche ich nur für mich selbst – das liegt vor allem an den Ungerechtigkeiten, die ich in meinen Texten thematisiere. Wir verstehen nur zu gut, dass das Leben viel mehr ist, als die ganze Zeit über nur angepisst zu sein. Das ist genau der Grund, warum wir auch über tiefe Trauer, Kummer und Ängste geschrieben haben. Zusätzlich ist es uns ein Anliegen, eine positive Einstellung zu vermitteln. Versteht mich nicht falsch: das Leben ist schön, kann aber auch bösartig und gefährlich sein. Nur gemeinsam können wir die Hindernisse meistern.“ Der markige Groove und natürliche Sound-Fluss von „An Unbiblical Paradigm“ haben sich von selbst eingestellt: „Einfach dadurch, dass wir uns als Künstler weiterentwickelt und unseren eigenen Sound gefunden haben“, erklärt Wouter. „Wir haben uns mehr Gedanken über die Strukturierung der Songs gemacht. Darüber, was ihnen einen besseren Fluss verleiht und sie einprägsamer werden lässt. Man könnte sagen, dass die Art und Weise, wie wir schreiben, gewollt ist, obwohl immer Intuition oder Instinkt mit hineinspielen. Das gilt auch für die Texte. Natürlich muss man eine Menge Zeit und Energie investieren, doch wenn man zu viel nachdenkt, verliert man einen Teil der Persönlichkeit. Das gilt es zu verhindern.“

Picture Laura Van Den Eede

WHEN PLAGUES COLLIDE setzen auf konsequent durchgezogenes Tempo und viel Technik, behalten aber auch den größeren Wirkungszusammenhang im Blick: „Wir sind bestrebt, ein gesundes Gleichgewicht zwischen den harten Parts und der Schönheit eines Chors oder der Orchestrierung zu erreichen“, beschreibt der Sänger den kompositorischen Anspruch der Gruppe. „Musik ist wie unser tägliches Leben. Es gibt keine Möglichkeit, immer die gleichen Gefühle zu empfinden. Man will ja auch nicht immer dasselbe Gericht essen. Es muss Abwechslung geben. Nicht nur, um unsere Gedanken durch Lieder und Texte auszudrücken, sondern auch, um es für uns selbst und unsere Zuhörer interessant zu halten. „An Unbiblical Paradigm“ fühlt sich im Vergleich zu unserer MCD „Shrine Of Hatred“ und dem ersten Album „Tutor Of The Dying“ wie ein großer Schritt nach vorne an. Trotzdem werden wir auch künftig unsere Grenzen austesten, weil wir als Band und Musiker weiter wachsen wollen. Ein genug gibt es nicht und kann es auch gar nicht geben, wenn es um Selbstentfaltung geht.“ Wouter vermag nicht zu prognostizieren, wie die musikalische Zukunft der Band klingen wird, blickt dieser aber mit Vorfreude entgegen:

Picture Laura Van Den Eede

„Wie wird die nächste Generation von Autos aussehen, wer weiß das schon?“, fragt er. „Es ist unmöglich, vorherzusagen, was sein wird. Schon gar nicht, wenn es um die Kreativität von einem selbst oder gar die von anderen geht. Früher war ich davon überzeugt, dass Chris Barnes so extreme Vocals abliefert, dass es nicht möglich sein würde, dass die Death- und Black-Metal-Musik noch härter werden kann. Doch seht euch an, was Dickie Allen, Luke Griffin, Will Ramos, Ben Duerr, David Simonich und viele andere seither getan haben. Grenzen sind zwar temporär real, werden aber oftmals allein in den Köpfen gezogen. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir unsere Kreativität, unser Wissen und unsere Fähigkeiten immer weiter vorantreiben. Wer weiß schon, was uns dann erwartet? Was unsere Beziehung zu unserer Musik angeht, kann ich mit Bestimmtheit sagen, dass sich nichts geändert hat. Auf unseren allerersten Song ,Terra Incognita‘ waren wir ebenso stolz und glücklich wie jetzt auf unser neues Album. Dennoch werden wir nie aufhören, uns weiter verbessern zu wollen.“ Damit stellt der Belgier nicht unbedingt auf den handwerklichen Bereich ab: „Gibt es in der extremen Metal-Musik überhaupt so etwas wie zu technisch?! Scherz beiseite, ja, wir müssen die Technik bisweilen zurückschrauben, um die einprägsameren Teile der Songs zur Geltung kommen zu lassen. Unser Ziel ist es nicht, die technischste oder extremste Metalband da draußen zu sein, sondern eher eine gute Balance zwischen technisch-extrem und einprägsam zu erzielen.“ WHEN PLAGUES COLLIDE wissen, dass Musik Emotionen widerspiegeln muss, um zu wirken:

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„Genau, Emotionen sind immer und überall zu finden“, stimmt Wouter zu. „Deshalb können wir über alle möglichen Themen schreiben. Ob es nun um etwas geht, das wir in den Nachrichten gehört haben, um eine Geschichte, die uns ein Freund oder ein Fremder erzählt hat, oder um einen zufälligen Gedanken, der anfängt, ein Eigenleben zu entwickeln, spielt keine Rolle. Solange der Text mit der Stimmung der Instrumentalversion des Songs übereinstimmt, ist alles in Ordnung. Auf „Tutor Of The Dying“ ging es darum, die Hörer dazu zu bringen, über die Bedeutung des wahren Glücks nachzudenken und dieses in den kleinsten Dingen zu finden. „An Unbiblical Paradigm“ beschäftigt sich mit dem Missbrauch von Macht, Menschen und des eigenen Selbst, sofern man dies geschehen lässt. Es geht darum, sich zu trauen, für sich selbst einzustehen und anderen, aber auch sich selbst, mit dem nötigen Respekt zu begegnen. Auf der Suche nach Seelenfrieden und einem glücklichen, dankbaren Leben ist das ein wichtiges, unumgängliches Thema. Was den klanglichen Aspekt angeht, ist es uns gelungen, die Unterschiede zwischen den einzelnen Songs gut herauszuarbeiten, ohne dabei den Vibe von WHEN PLAGUES COLLIDE aus den Augen zu verlieren. Für die Hörer ist das Album ein Abenteuer. Es hat einen klaren Anfang und ein definiertes Ende. Dazwischen gleicht es einer Reise. Obwohl jeder Song für sich allein gehört werden kann, ist das Album mehr als nur die Summe seiner Elemente.“

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