Das Quartett hat ein Debüt der Gegensätze erschaffen. WISENT füllen den mit dem Titel vorgebenden Dualismus von „The Acceptance. The Sorrow“ musikalisch und textlich mit Leben. Die eine Hälfte der Post-Hardcore-Platte ist hell oder positiv gestimmt, die andere dunkel oder pessimistisch. Dieses Konzept zieht sich zusätzlich auch durch die Produktion und das Artwork.
Beim Hören dem Albums fallen vor allem dessen Intensität und Leidenschaft auf. Im Zentrum aller Stücke stehen große Emotionen: „Eine Sache, die wir durch die „Seething“ EP gelernt haben, war, die Musik besser an Stephens Gesangs- und Schreibstil auszurichten, so dass sie nicht erst im Nachhinein mit Vocals versehen wird, sondern sich gemeinsam mit den textlichen Ideen und Gesangslinien entwickelt“, erklärt Schlagzeuger Olli. „Dadurch konnten wir die Musik noch mehr an den Inhalten der Texte ausrichten und ihre Emotion und Botschaft verstärken, was letztlich für eine sehr gefühlszentrierte und intensive Wirkung sorgt.“ Der angesprochene Frontmann stimmt dieser Einschätzung zu und ergänzt: „Ein Song, der diesbezüglich sehr geholfen hat, war ,The Last Scavenger‘“, so Stephen. „Dieser ist direkt nach der EP entstanden und war das erste Stück, bei dem Vocals, Text und Musik aus einem Guss entstanden sind. Das hat den Album-Sound und die folgenden Songs stark beeinflusst. Textlich behandelt das Album viele schwere und leidvolle Themen, was den Gesamt-Sound maßgeblich prägt. Dabei frage ich mich „Warum schreibe ich über dieses Thema?“ und „Warum muss diese Geschichte erzählt werden?“. Das gibt mir die Gewissheit, dass das, was wir abliefern, authentisch ist. Ich gewähre mit meinen Texten einen Einblick in mein persönliches Tagebuch. Damit habe ich die Möglichkeit, meine Erfahrungen und Gefühle zu verarbeiten und gebe anderen Menschen, die selbst mit solchen Situationen zurechtkommen müssen, ein Gefühl von Verständnis und Hoffnung.“
Der erste Longplayer dokumentiert zudem den Findungsprozesss von WISENT: „Die Reihenfolge der Songs auf dem Album spiegelt ein Stück weit die Entwicklung der Band wider: angefangen von eher einfachen Songstrukturen und geradlinigen Sounds, bis hin zu deutlich komplexeren und düsteren Songs“, ordnet der Frontmann ein. „Produktion ist ein Thema, mit dem wir uns als Band schon sehr früh beschäftigt haben und das wir mittlerweile, gleichberechtigt zu unseren Instrumenten und Stimmen, als ein zusätzliches Songwriting-Werkzeug verstehen, was gerade im zweiten Teil der Platte auch gut hörbar ist.“ Das freigeistige, mutige Suchen der Band im kreativen Bereich kommt auf „The Acceptance. The Sorrow“ gut zur Geltung: „Eine Sache, für die ich sehr dankbar bin, ist, dass wir den Mut hatten, uns auf neue Stil-Richtungen einzulassen und zu lernen, wie man diese verkörpert und performt“, freut sich Schlagzeuger Olli. „Songs wie ,Withered Away‘, ,Alone In The Nothingness‘ oder ,Over The Horizon‘ beinhalten alle Stil-Elemente, die wir als Band vorher noch nie gespielt haben. Zu sehen, wie sich die Mitglieder der Band diesen Herausforderungen gestellt haben und die Bereitschaft hatten, über ihre Komfortzone hinaus zu gehen und sich diese Songs zu eigen zu machen, war unglaublich bereichernd und ist damit auch ein Stück weit zum Selbstverständnis für das Songwriting der Band geworden.“ Die Überraschung über die eigene Leistung ist umso größer, weil WISENT ohne Vorfestlegungen gearbeitet haben:
„Als wir uns ans Schreiben des Albums gesetzt haben, sind wir da bewusst ohne eine konkrete Vorstellung von einem Stil oder bestimmten Genre-typischen Elementen oder Sounds dran gegangen“, bestätigt Frontmann Stephen. „Wir waren einfach neugierig, zu entdecken, in welche Richtung sich die Band entwickeln kann und welche Ideen uns begeistern würden. Das bringt für das Songwriting einen immensen Freiraum mit sich, kann es aber auch kompliziert machen, wenn es darum geht, ein konsistentes Album zu schreiben. Das Konzept von „The Acceptance. The Sorrow.“ hat uns dabei geholfen, die stilistisch weitgefächerten Songs sinnvoll in ein Album zu verpacken. Wenn ich jetzt darauf zurück schaue, war die Arbeit sehr viel umfangreicher, als ich mir das jemals hätte vorstellen können.“ Wie es zur Zweiteilung des Debüts kam, verrät der irischstämmige Sänger auf Nachfrage:
„Durch die beiden Seiten hatten wir die Möglichkeit, bestimmte Themen weiter zu vertiefen und über mehrere Songs hinweg zu entwickeln und den Verlauf des Albums als eine Art Reise zu begreifen. Angefangen mit den Songs auf „The Acceptance“, die eine gewisse Naivität und Unbeschwertheit bergen, mit der man durchs Leben geht, bis man mit den unvermeidbaren Schicksalsschlägen, die das Leben mit sich bringt, konfrontiert wird, bis hin zu „The Sorrow“, das sich mit dem Umgang oder dem Prozess der Verarbeitung beschäftigt, der mitunter sehr komplex und mit viel Schmerz und Leid verbunden sein kann und dafür sorgt, dass diese Unbeschwertheit verloren geht und auch nicht mehr zurückkommt. Über den Verlauf des Albums sollte diese Veränderung sichtbar oder hörbar gemacht werden, so dass am Ende nichts mehr so ist, wie es am Anfang schien.“