Schon das düstere Artwork drückt aus, dass POP EVIL auf ihrem achten Album aggressiv und heftig unterwegs sind. In den Stücken von „What Remains“ wird die Härte dieses Mal höher als die Zugänglichkeit gewichtet. Große Refrains und catchy Hooks fehlen dennoch nicht.
Die aus North Muskegon, Michigan stammende Gruppe ist in Nordamerika im Feld zwischen Alternative-Metal, Post-Grunge, NuMetal und Heavy-Rock eine einschlägig etablierte und erfolgreiche Größe. Seit geraumer Zeit nimmt man aber auch diesseits des Atlantiks immer mehr Notiz von ihr: „In den USA sind wir definitiv größer als in Europa, was uns grundsätzlich freut, denn dort sind zu Hause“, erwidert Frontmann Leigh Kakaty, um hinzuzufügen: „Doch wir wollen auch in Europa größer werden und haben es zuletzt bei jedem Album-Zyklus zu einer immer höheren Priorität gemacht. Das zeigt sich etwa in unseren Tour-Aktivitäten und Auftritten während den Festivalsaisons. Wir wägen regelmäßig unsere Optionen ab und schauen, was für die Band das Beste ist. Als wir beispielsweise das Angebot für eine riesige Tour mit Poison und Cheap Trick erhielten, haben wir dies angenommen und dafür auf eine ebenfalls mögliche Europa-Tour verzichtet. Es war eine legendäre Tour und bis heute eine einmalige Sache. Es war die richtige Entscheidung, um die Band in den USA noch bekannter zu machen. Parallel suchen wir stets nach Chancen, um wieder zurückzukommen. Als es mit COVID losging, wollten wir bei Euch eigentlich mit Asking Alexandria touren und haben uns sehr darauf gefreut. Dann wurde diese Tour abgesagt. Es scheint, als würden wir jedes Mal, wenn wir wirklich versuchen, in Europa etwas in Bewegung zu bringen, einen Schritt rückwärts gehen. Die gute Nachricht ist, dass ihr immer noch eine hohe Priorität für uns habt und wir in Europa wirklich mehr erreichen wollen.“
Das Quintett ist geschäftstüchtig und weiß, dass bewusste Entscheidungen die Grundlagen für die erfolgreiche Fortsetzung seiner Karriere sind: „Heutzutage muss man insbesondere schauen, Tourneen so effizient wie möglich zu planen“, greift Leigh den Gedanken auf. „Das gilt umso mehr, wenn man über den Atlantik fliegt oder in andere Gegenden auf der Welt. Bevor man überhaupt Geld verdienen kann, türmt man bereits ordentliche Kosten auf, die man erst einmal wieder hereinholen muss. Für Bands kann es inzwischen sogar schädlich sein, in den USA auf Tournee zu gehen. Wenn man mehrere zehntausend Dollar auf einer 10-tägigen oder etwas längeren Tour verliert, ist das für die ganze Band kurzfristig, aber auch in den Monaten danach, ein großer Verlust, den sich heutzutage niemand mehr leisten kann. POP EVIL schauen nicht nur danach, wo wir auftreten, sondern auch darauf, ob wir die Produktion, die wir brauchen, auf der Bühne umsetzen können. Bei der Live-Show ist das für uns eine große Sache, nicht nur hier in den USA. Damit wollen wir auch nach Europa gehen, denn wir wollen unsere Shows auf die richtige Art und Weise umsetzen. Deshalb besprechen wir uns vor jedem Album-Zyklus, was wir erreichen wollen und wohin wir gehen werden. Mit das Erste ist dabei stets die Frage, wann wir nach Europa kommen. Wir müssen nur sicherstellen, dass wir all die Dinge unserer Karriere im Griff behalten, damit wir nicht nur nach Europa kommen, sondern dort auch die beste Show abliefern können.“
Seit den Erfahrungen der COVID-Zeit arbeiten POP EVIL noch bewusster als davor und funktionieren mehr denn je wie eine gut geölte Maschine: „Da man heutzutage weniger Geld verdient und alles teurer geworden ist, müssen wir sicherstellen, dass wir unser Budget für die besten Entscheidungen verwenden“, stimmt der Sänger zu. „Manchmal bedeutet das, nicht durch Europa zu touren, sondern allein in den USA. Aber selbst dort, geht nicht alles. Spielt man ein Konzert in Denver, Colorado oder Los Angeles, werden wir zwei Tage später nicht in New York auftreten, denn dann verlören wir viel Geld. Reiserouten müssen sinnvoll und effizient geplant sein. Und auch wenn wir im Ergebnis unserer Abwägungen nicht jedes Jahr nach Europa kommen, ist uns die nächste Tour dort dann umso wichtiger. Ich sehe heute die beste Version von POP EVIL, die es jemals gab. Und das hat COVID bewirkt. Seit es wieder losging, tun wir alles dafür, so professionell wie möglich zu agieren. Wir wollen die beste Live-Show bieten und sicherstellen, dass wir in Bewegung bleiben. Jeder Schritt, den wir machen, ist kämpferisch und strategisch und verfolgt das Ziel, diese Band wachsen zu lassen. Aufgrund der gestiegenen Kosten kommt es mehr denn je auf die Budgetierung jeder einzelnen Tour an. Manchmal ist man als in einem Paket unterwegs, in dem sich alle Gruppen die Kosten teilen. In Europa haben wir das schon ein paar Mal erlebt, dass wir uns beispielsweise die Kosten für den Tourbus geteilt haben. Es gibt immer Möglichkeiten, strategisch vorzugehen. Deshalb gilt es immer zuerst, herauszufinden, was man machen will und was überhaupt möglich ist. In welchen Ländern wollen wir spielen? Wie gehen wir das an? Was lässt sich sinnvoll kombinieren? Wie viel wird das kosten? Und wie viel von unserer Produktion können wir mitbringen? Man budgetiert es, man schlüsselt es auf. Wenn ähnliche Routen regelmäßiger machen kann, hilft das. Einige unserer Bandfreunde haben Lagerräume in Europa, sodass sie ihr Equipment nicht jedes Mal mit in den Flieger nehmen müssen. Sie fliegen einfach hin, laden ihre Sachen auf und fahren los, was einen großen Unterschied macht. Wenn die Ausrüstung stimmt, kann man wirklich die Band sein, die man sein möchte und die die europäischen Fans verdient haben. Hier in Nordamerika haben wir übrigens dieselben Herausforderungen, wenn es um Auftritte in Kanada geht. Es ist ähnlich schwierig für uns, überhaupt nach Kanada zu reisen. Dabei komme ich aus Kanada. Für uns als Musiker ist es frustrierend, in Diskussionen mit Managern und den Labels zu erfahren, dass wir bestimmte Länder oder Gegenden nicht so erschließen können, wie wir es eigentlich brauchen.“
Die Ausführungen von Leigh zeigen, dass die Gruppe in jeder Hinsicht reflektiert und planvoll agiert: „In dieser neuen Ära von POP EVIL liegt der Fokus unserer Aktivitäten ebenso sehr auf dem Geschäft wie der Musik“, bestätigt der Künstler. „Wenn man das nicht tut, ist es sehr schwer, dabei zu bleiben. Man muss sicherstellen, dass jeder Schritt, den man macht, effizient und kalkuliert ist, den Fehlschläge kann man sich nicht mehr leisten. Früher haben wir bei Touren teilweise auch Verluste in Kauf genommen, doch diese Zeiten sind vorbei. Dafür haben wir kein Geld mehr. Die wahre Definition von Erfolg ist, dass man das tun kann, was man tun will und nicht draufzahlt. Dieses Rock- oder Rock’n’Roll-Metal-Leben passiert einfach und wir haben darin irgendwie unseren Platz gefunden. Inzwischen stehen wir vor der Veröffentlichung unseres achten Albums. Das ist eine sehr beeindruckende Erfolgsbilanz, für die wir sehr dankbar sind.“
Das seit 2001 aktive Quintett hat seit seiner Gründung tatsächlich viel erreicht und nach wie vor viel zu sagen. „What Remains“ heißt der eindringliche Beweis, auf dem POP EVIL ihre Relevanz untermauern und zeigen, dass sie ihren Sound aufgeschlossen weiterentwickeln: „In den frühen Tagen von POP EVIL waren wir hier in den USA eine Radioband“, erzählt Leigh. „Die härtere Seite, das Böse von POP EVIL, haben wir eine Zeit lang zurück gehalten, weil wir das Gefühl hatten, wir müssten diese Singles schreiben, die gut ankamen und dabei halfen, unseren Platz zu definieren. Der Schwerpunkt hat sich mit der Zeit immer mehr zum Heavy Metal verschoben, und auch der kommt an. Mit härteren melodischen Songs hatten wir viel Erfolg. Inzwischen wissen wir, dass es darum geht, den Trends immer einen Schritt voraus zu sein und diese mit zu bestimmen. Um das zu erreichen, sprechen wir bewusst ein jüngeres Publikum an und hören darauf, was unsere Fans wollen. Als Künstler muss man kreativ sein, um neue Generationen dazu zu bringen, der eigenen Band zu folgen. Sonst wird es dich nicht mehr lange geben. Manchmal kann ein anderer Ton der Gitarren oder für das Schlagzeug helfen, manchmal neue Effekte für den Gesang. Als Künstler ist es unsere Aufgabe, zu experimentieren und neue Dinge ausprobieren. Und dann gilt es, in all dem eine Balance zu seinem eigenen Katalog zu finden, denn die Fans, die von Anfang an dabei waren, muss man ja ebenfalls respektieren. POP EVIL sind eine Band, die definitiv noch neue Musik machen kann und will. Unsere Fans erwarten das auch. Das ist ein Segen und wir versuchen, diese Verantwortung mit viel Stolz zu tragen und ihr gerecht zu werden. Beispielweise können wir die Gitarren auf eine Art und Weise aufdrehen, wie wir es auf den vorherigen Alben nicht getan haben, um die Leute daran zu erinnern, dass unser Name POP EVIL lautet. Es gibt eine dunkle Seite unserer Band, während Pop schon immer die melodische Seite repräsentiert. Bevor ich zu einem Schreihals wurde, war ich längst ein Sänger. Heute kann ich meine Stimme auf verschiedene Arten, mit unterschiedlichen Texturen und Klängen einsetzen, manchmal auch mit meiner echten Stimme singen. Auf unserer letzten Single ,Wishful Thinking‘ singe ich sehr leise mit meiner echten Stimme. Auf früheren Alben hätte ich mich das noch nicht getraut. Jetzt dachte ich mir, es ist an der Zeit. Sobald man den Refrain erreicht, kehre ich zu dieser rauen Rock-Stimme zurück, die die Leute kennen und von mir erwarten. Es geht darum, diesen Kontrast zu schaffen, dieses Yin und Yang, aber auch darum, die Leute musikalisch mit Breakdowns auf Trab zu halten. Das macht so viel mehr Spaß, dabei fand ich Breakdowns früher immer stressig. Für mich stellt sich die Frage: Was ist, wenn ein Hörer den Song nur ein einziges Mal hört? Dann muss er magisch sein! Man gibt den Leuten wirklich etwas, bei dem sie sagen: „Oh mein Gott, ich muss die Wiederholungstaste drücken.“
Das ist das Ergebnis unserer Entwicklung und dessen, wer wir sind, nicht nur auf der Bühne, sondern auch abseits dieser. Ich habe zuerst als Songwriter angefangen und verstehe mich erst an zweiter Stelle als Frontmann. Als Songwriter kann ich mich wirklich entfalten. Ich befinde mich an einem Punkt, an dem ich nicht mehr schüchtern bin und bewusst Risiken eingehe. Auf „What Remains“ spielen wir Songs, bei denen wir die Zähne zusammenbeißen und mit denen wir unsere Fans motivieren wollen, dies ebenfalls zu tun und einige Dinge anzugehen. Es soll nicht nur hübsch und geschmeidig klingen. Wir wissen, dass unsere Fans keine Angst davor haben, auf diese aggressive Art und Weise angesprochen und motiviert zu werden.“
Pop Evil “What Remains” New Album Out NOW!
Photo credit: Nick Fancher