BETWEEN THE BURIED AND ME – The Blue Nowhere

Das Quartett aus North Carolina eröffnet sein neues Album zwar nicht mit dem längsten Stück, doch bereits die 7:59 Minuten des Auftakts markieren eine klare Ansage: „The Blue Nowhere“ ist kein Werk für den schnellen Konsum, sondern ein vielschichtiges, forderndes Hörerlebnis, das sich Zeit nimmt – und dem man Zeit geben muss. Im weiteren Verlauf sprengen gleich drei der insgesamt zehn Tracks die Zehn-Minuten-Marke, was den epischen Anspruch der Band unterstreicht und ihre Lust am musikalischen Ausloten deutlich macht. Auch sonst bleibt vieles beim Alten – und genau darin liegt die Stärke von BETWEEN THE BURIED AND ME. Die Band kultiviert ihren Ruf als musikalische Wundertüte mit Hingabe: Alles kann passieren, nichts muss. Fest steht allein, dass sich Tommy Rogers (Gesang, Keyboards), Paul Waggoner (Gitarre), Dan Briggs (Bass, Keyboards) und Blake Richardson (Schlagzeug, Percussion) kreativ vollkommen frei bewegen und alles einfließen lassen, was sich klanglich und konzeptionell sinnvoll umsetzen lässt. Dabei entstehen Klanglandschaften, die sich zwischen kontrollierter Komplexität und eruptiver Spontaneität bewegen. Das Material auf „The Blue Nowhere“ ist ebenso widersprüchlich wie faszinierend. Manche Passagen wirken überraschend zugänglich, richtig hymnisch, andere wiederum sperrig, überfordernd und bewusst fragmentiert. Die Songtitel – etwa ,Things We Tell Ourselves In The Dark‘, ,God Terror‘, ,Pause‘, ,Psychomanteum‘, ,Slow Paranoia‘ oder ,Beautifully Human‘ – sind ebenso offen für Interpretation wie die Musik selbst. Sie spiegeln die Ambivalenz und Vielschichtigkeit der Stücke wider, pendeln zwischen introspektiver Tiefe und surrealer Abstraktion, zwischen emotionaler Direktheit und intellektueller Herausforderung. Im offensichtlichen wie im subtilen Wirkungsraum passiert so viel, dass sich das Album nur schrittweise erschließen lässt. Es verlangt Geduld, Neugier und die Bereitschaft, sich auf ein Werk einzulassen, das sich nicht sofort erklärt. Selbst eine fundierte Kenntnis des bisherigen Outputs von BETWEEN THE BURIED AND ME hilft nur bedingt weiter. Die Musiker stehen nicht umsonst im Ruf, sich selbst immer wieder neu zu fordern, musikalische Konventionen aus unterschiedlichsten Richtungen anzugreifen und hinter sich zu lassen. Dabei geht es nicht um bloße Provokation, sondern um eine ernsthafte Auseinandersetzung mit Form, Struktur und Ausdruck. Große epische Fixpunkte schließt das keineswegs aus. „The Blue Nowhere“ bietet sowohl immens eingängige Momente als auch komplexe Frickeleien, kreative Grenzgänge und klangliche Eskapaden, die sich zwischen Prog, Metal, Jazz, Elektronik und Avantgarde bewegen. Es ist ein Album, das sich jeder Kategorisierung entzieht und gerade darin seine Kraft entfaltet. BETWEEN THE BURIED AND ME liefern einmal mehr ein Werk, das fasziniert, herausfordert und sich mit jedem Hören weiter öffnet – ein musikalisches Universum, das sich nicht auf den ersten Blick erschließt, aber umso nachhaltiger wirkt.

(InsideOut/Sony)