BELL WITCH & AERIAL RUIN

Mit „Stygian Bough: Vol. II“ setzen BELL WITCH & AERIAL RUIN ihre außergewöhnliche Kollaboration fort – und vertiefen sie zugleich. In vier ausladenden, fein nuancierten Kompositionen entfaltet sich ein klangliches Ritual von beeindruckender Intensität. Das Album basiert auf den anthropologischen Konzepten aus James Frazers „The Golden Bough“, insbesondere den Prinzipien der Kontagions- und Ähnlichkeitsmagie. Ambient-Sphären, düstere Folk-Akustik und doomige Klangverdichtung verschmelzen zu einem musikalischen Erlebnis, das sich zwischen Vergangenheit und Gegenwart, Mythos und Realität bewegt. „Stygian Bough: Vol. II“ steht als eigenständiges Werk neben den Solo-Veröffentlichungen der beteiligten Künstler und ist doch tief mit ihrer gemeinsamen Geschichte verwoben.

Auf die Frage, was sie dazu bewogen habe, erneut gemeinsam ein Album zu schreiben, stellt Dylan Desmond (BELL WITCH) klar: „Wir haben das Projekt fortgesetzt, anstatt zurückzukehren. Während wir „Vol. I“ geschrieben und aufgenommen haben, haben wir bereits auf dieses Album vorausgeschaut.“ Für ihn fühlte sich der erste Teil noch wie ein gemeinsames Werk zweier Projekte an, die sich aneinander gewöhnt hatten: „Das Schreiben und Aufnehmen von „Volume II“ war nun, wie wir es vorhergesagt hatten, weniger ein Gemeinschaftsprojekt, sondern eher wie eine eigenständige Band.“ Es sei mehr Wert auf die Songs selbst gelegt worden: „Für meine Ohren klingt dieses Album wie eine Gruppe, die zu sich selbst findet.“ Diese Entwicklung spiegelt sich auch in der Balance zwischen den individuellen musikalischen Identitäten und dem gemeinsamen Klangbild wider. Jesse Shreibman (BELL WITCH) erklärt: „Wir wussten, dass wir nach „Vol. 1“ noch mehr zu bieten hatten. Unser Ziel war es, ein Album zu schaffen, das sich in seiner Herangehensweise einheitlicher anfühlt, in dem alle Elemente der einzelnen Projekte vorhanden sind, aber auf eine kohärentere Weise.“

Dafür habe man viel Zeit in die Orchestrierung investiert, mit dem Fokus auf „Kohäsion und Konsistenz von Song zu Song und von Teil zu Teil.“ Dylan ergänzt: „Die Bewahrung dieser Entitäten war Teil des Ansatzes. Sowohl BELL WITCH als auch AERIAL RUIN sind in ihrer Welt einzigartig und stilistisch auf ihren eigenen Weg festgelegt.“ Die fast fünfzehnjährige Zusammenarbeit habe ihnen geholfen, „alle komplementären Aspekte jedes einzelnen Projekts einzubeziehen.“ Erik Moggridge (a.k.a. AERIAL RUIN) beschreibt, wie sich durch die Tournee zu „Vol. I“ ein stärkeres Band zwischen den Musikern entwickelte: „Die Songs haben live ein neues Leben bekommen, das dies widerspiegelte. Beim Schreiben von „Vol. II“ ging es deshalb weniger darum, die Identität der einzelnen Acts zu bewahren, sondern mehr darum, was wir alle drei mögen und worüber wir uns einig sind.“ Ein zentrales Thema des Albums ist Transzendenz – musikalisch wie spirituell. Dylan sagt: „Musik selbst ist eine Form der Transzendenz, die für den Menschen so natürlich ist wie jedes andere Verlangen.“ Musik könne „einen bewusst aus der Realität herausholen und die Zeit stillstehen lassen.“

Der musikalische Ansatz von Erik habe ihn von Anfang an fasziniert: „Das hat mich ursprünglich zu AERIAL RUIN hingezogen, und ich fühle mich weiterhin ästhetisch mit allem verbunden, was Erik in diesem Projekt tut.“ Dieser wiederum ist von der „wunderschönen, traurigen Melodik in Dylans Riffs“ inspiriert: „Die Texte auf diesem Album spiegeln genau das wider, sind Ausdruck meiner eigenen spirituellen Erfahrungen, aber auch meiner Vorstellung von den Erfahrungen anderer und meiner Erforschung der Beziehungen zwischen diesen Perspektiven.“ Dass der Opener ,Waves Became The Sky‘ auf Motive aus der Frühphase von BELL WITCH verweist, ist kein Zufall, wie Dylan erklärt: „An dieser Grundlage festzuhalten, scheint mir der beste Weg zu sein, um den ursprünglichen Absichten des Projekts treu zu bleiben.“ Die Verbindung zum Ursprung empfinde er als „eine Hommage an eine Muse.“ Erik wiederum beschreibt den Einstieg ins Album als bewusste Öffnung: „Indem wir das Album mit einem Verweis auf ‚Rows (Of Endless Waves)‘ und ‚The Bastard Wind‘ beginnen, befreien wir unser Gefühl der Ehrfurcht, um Aberglauben zu überwinden und die Transzendenz anzunehmen, die sich in den unzähligen Wundern des Universums widerspiegelt. Die Entdeckung der Gravitationswellen ist ein besonders eindrucksvolles Beispiel dafür.“

Auffällig ist zudem die Struktur der neuen Songs, die kompakter und organischer wirken. Jesse freut sich über diese Beobachtung: „Die Orchestrierung dieser Songs war viel songorientierter, was in gewisser Weise eine Herausforderung war, da wir uns bei BELL WITCH auf Dynamik konzentrieren, insbesondere auf Spannung und Auflösung in langen Stücken.“ Das Ziel sei es gewesen, „jeden Song zu einer eigenständigen Einheit zu machen, die sich dennoch als integraler Bestandteil einer größeren Komposition des Albums anfühlt.“ Mit „Stygian Bough: Vol. II“ ist BELL WITCH & AERIAL RUIN ein Werk gelungen, das sich tief in die Gewebe von Klang, Mythos und Emotion einwebt. Es ist ein Album, das sich Zeit nimmt und das dem Hörer genau das abverlangt. Doch wer sich auf diese Reise einlässt, wird mit einem Erlebnis belohnt, das lange nachhallt.

Bell Witch | Facebook

Aerial Ruin | Facebook

Picture credit: Emma Ruth Rundle