A KILLER’S CONFESSION

„Victim 1“ fällt in vielerlei Hinsicht extrem aus. Dem vierten Album von A KILLER’S CONFESSION liegt ein unbequemes, heftiges Konzept zugrunde. Die Gruppe aus Cleveland arbeitet sich an Schwächen, Verfehlungen und Gräueltaten ab, hält der Menschheit einen Spiegel vors Gesicht. Musikalisch setzt es radikale Brachialität, aber auch zugängliche Schmeichelei. Diese Mixtur ist hochgradig gefährlich.

Stilistisch bleibt es bei düsteren, heftigen Sounds im Spannungsfeld von Alternative-, Industrial- und NuMetal. Das dynamische, schonungslose Vorgehen der Band aus Ohio ist legendär. So variabel und verdichtet wie auf „Victim 1“ hat man die Formation um den ehemaligen Frontmann von Mushroomhead, Waylon Reavis, bislang allerdings noch nicht gehört. Angesichts der Tatsache, dass A KILLER’S CONFESSION schon seit 2016 bestehen, ist diese Wertung alles andere als alltäglich. Die Leistung ist umso beachtlicher, als der Trademark-Sound der Gruppe schon zuvor auffällig und eigenständig gewesen ist: „Wenn die Leute finden, dass wir anders klingen, fühle ich mich geehrt“, gibt sich Waylon Reavis bescheiden. „Ich wollte schon immer nur meinen eigenen Weg gehen. Egal, was dabei herauskommt, denn ich mag den Gedanken, ein Individuum zu sein und nicht nur eine Person, die blind einem Trend folgt.“ Das äußert sich bereits darin, dass A KILLER’S CONFESSION ihren Stil-Mix seit ihrer Gründung pflegen und nicht erst im Zuge des NuMetal-Revivals auf den Zug aufgesprungen sind. Deshalb ist es absehbar, dass die US-Formation auch dann weiterhin so ähnlich klingen wird, wenn der Hype vorübergezogen und die Aufmerksamkeit für derartige Klänge wieder geringer ist. Die folgende Einlassung des Frontmanns überrascht daher nicht:

„Für mich klingt A KILLER’S CONFESSION schlicht wie A KILLER’S CONFESSION. Ich würde mir selbst einen schlechten Dienst erweisen, wenn ich versuchte, wie jemand anderes zu klingen. A KILLER’S CONFESSION ist ein wahrer Ausdruck meiner musikalischen Persönlichkeit. In der Vergangenheit habe ich mit anderen Bands viele Songs geschrieben, die dann auch nur nach diesen Bands geklungen haben. Aber nur, weil das damals von mir verlangt wurde. Heute tue ich etwas, was unerwartet ist. Zwar fühle ich mich deshalb nicht immer wirklich verstanden, doch ich habe keine Angst, die Dinge anzugehen und auszusprechen, die viele Leute zwar denken, aber nicht ansprechen wollen.“ Wie sein Werk auf die Hörer wirken soll, verdeutlicht Waylon Reavis am eigenen Beispiel und daran, welche Tracks ihn catchen und wie er selbst Musik rezipiert: „Bei den Songs anderer Gruppen höre immer genau zu, um herauszufinden, ob sie meine Seele besänftigen können – textlich oder klanglich“, führt der Sänger aus. „Ich gehöre zu der Sorte Hörer, die sich gerne von Melodien hypnotisieren und von Texten verschlingen lassen. Was andere Künstler angeht, so wende ich mich auf der Suche nach Inspiration regelmäßig an Maynard von Tool. Die Art und Weise, wie er schreibt, ist auf eine Weise erstaunlich und interessant, wie ich es selbst nie sein kann. Künstler inspirieren mich dann, wenn sie etwas tun, was mir selbst verwehrt ist, so dass ich mich zurücklehnen und sie wirklich genießen kann, ohne sie in irgendeiner Weise imitieren zu wollen. Letzten Endes liegt es an jedem Künstler selbst, sich wirklich von innen heraus zu zeigen. Für mich gibt es nichts Originelleres als das.“

Wer mit dem Veröffentlichungskatalog von A KILLER’S CONFESSION vertraut ist, weiß, dass die Band aus Cleveland nicht immer, sondern eher selten auf Konzeptwerke setzt. Das vierte Album „Victim 1“ ist nun aber eines: „Es ist weitaus schwieriger, ein Konzept anzugehen als das zu schreiben, was ich gerne als „Hook-Song“ bezeichne“, bestätigt Frontmann Waylon Reavis. „Bei Konzepten muss man recherchieren und herausfinden, was die Charaktere sind und wie sie sich entwickeln. Dieses Album hat sich dennoch gelohnt, zumal ich schon immer Herausforderungen mochte. Deshalb habe ich mich entschieden, wieder ein Konzept zu schreiben. Weil ich es satt habe, geistlose Musik zu hören, die keine Substanz aufweist. So viele Songs kommen und gehen, sind einen Moment lang populär und dann genauso schnell wieder vergessen, wie sie populär waren. Ich wollte nie die Band sein, die etwas schreibt, das nur ein Strohfeuer ist, sondern möchte viel lieber ein langsamer, stetiger Erfolg sein.“ Mit dem direkten Abgleich von Hook-Songs und Album-Konzepten tut sich der Musiker aus Ohio jedoch schwer: „Diesbezüglich kann ich weder von Vor- noch von Nachteilen sprechen“, sagt Waylon Reavis. „Bei jedem Album will ich etwas schreiben, mit dem sich die Leute identifizieren und mit dem sie grooven können. Ich strebe es an, dass der Hörer nachdenkt, aber gleichzeitig auch, dass er sich einfach zurücklehnen und es genießen kann. Im Rückblick habe ich das Gefühl, dass dieses Album in unserem Team sehr reibungslos entstanden ist und wir während des Prozesses keine wirklichen Produktionspannen hatten. Deshalb muss ich Dusty Boles und Evan McKever ein großes Lob aussprechen. Sie waren echte Profis und wussten genau, wie sie dieses Album so klingen lassen konnten, wie es jetzt vorliegt.“

Anders als man vermuten könnte, arbeitet der einstige Mushroomhead-Sänger im Vorfeld der Aufnahmen sehr akribisch und geht komplett vorbereitet ins Studio: „Ich bin das, was man ein Gewohnheitstier nennt, und spiele den Song gerne so, wie er geschrieben wurde“, verrät Waylon Reavis. „Für Jam-Band-Improvisationen habe ich mich in meiner Musik nie wirklich interessiert. Wir schreiben Songs so, dass sie auf eine bestimmte Art und Weise klingen. Und ich finde, sie sollten auch so gespielt werden. Nichts gegen Bands, die das anders machen, aber mir persönlich hat das einfach nie gefallen und nichts gegeben.“ Zu entdecken und verdauen gibt es auf „Victim 1“ trotzdem jede Menge. Das ist Teil des Selbstverständnisses von A KILLER’S CONFESSION: „Wie in alles, was im Leben gut ist, muss man auch in die Musik investieren und bereit sein, Risiken einzugehen“, weiß der Frontmann. „Ich weigere mich, etwas zu schreiben, das nur Hintergrundrauschen ist. Es stimmt, dass die Aufmerksamkeitsspannen vieler Menschen gesunken sind und sich viele nicht mehr wie früher in die Musik hineinhören wollen. Aber das sind dann auch nicht die Hörer, nach denen ich suche. Es gibt da draußen immer noch Leute, die sich in Songs vertiefen. Für diese Leute ist das Album geschrieben worden.“ Das Konzept des Viertwerks wirft existenzielle Fragen auf und stellt in diesem Sinne auch schonungslose Gesellschaftskritik dar. Waylon Reavis ist es ein Anliegen, mehr als nur Musik zu bieten: „Weil mir eine Plattform gegeben worden ist, auf der ich die Möglichkeit habe, etwas zu sagen. A KILLER’S CONFESSION soll kein Hintergrundgeräusch sein. Das habe ich bereits gesagt. Ich mag Dinge mit Substanz. Wenn ich etwas einstreuen kann, das zum Nachdenken anregt und Dinge korrigiert, die in der heutigen Welt falsch laufen, habe ich das Gefühl, dass ich meine Plattform richtig genutzt habe.“

Erzwungen wird dabei nichts. Auch das ist Teil des Ansatzes der Gruppe aus Cleveland: „Meinem Gefühl nach sollten die Songs immer so sein, wie sie sich einstellen“, überlegt der Frontmann. „Wenn sie schwer ausfallen, sind sie schwer. Geht es dramatisch zu, klingt es auch dramatisch. Ich scheue mich nicht vor dem, was die Songs darstellen und lasse mich auch nicht von den Ketten der Mittelmäßigkeit unterkriegen, sondern gebe immer einhundert Prozent. Man darf keine Angst davor haben, etwas Neues auszuprobieren. Nur dann kann man originell sein.“ Die breite Anlage des Heavy-Sounds zwischen Alternative-, Industrial- und NuMetal bietet vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten. Den Überblick zu behalten, fällt nicht schwer, denn er weiß wie ihm das gelingt: „Indem ich mir die Zeit nehme, mich zurückzulehnen und mir anzuhören, was ich geschaffen habe. Dann frage ich mich: „Ist das wirklich das Beste, was ich machen kann?“ Dabei hilft es, auch andere Leute mit einzubeziehen. Im Studio muss man sich mit Menschen umgeben, die bereit sind, dir zu sagen, was die schlechten Ideen sind und nicht richtig funktioniert. Es hilft nichts, wenn man nur Leute um sich versammelt, die alles toll finden. Man braucht diejenigen, die ehrlich die Wahrheit sagen.“

Das funktioniert. Mit „Victim 1“ erscheint ein Album, das unglaublich variabel aufgesetzt setzt. Den brachialen, gefährlich anmutenden Parts stehen fies Hook-geladene Passagen gegenüber, die sich im Kopf festsetzen. Die neue Platte von A KILLER’S CONFESSION markiert die gnadenlose Zuspitzung all dessen, was man an A KILLER’S CONFESSION bereits schätzt, aber auch viele Überraschungen. „Ich folge einer Regel: „Steh auf und tue etwas – mache etwas aus jedem Tag.“, äußert Waylon Reavis. „Das Leben ist voller Veränderungen. Man muss nur bereit sein, sich ebenfalls zu bewegen. Schon in jungen Jahren habe ich verstanden, dass man immer das bekommt, was man reinsteckt. Ist man bereit, sich anzustrengen, wird man alsbald das Ergebnis sehen.“ Die Band aus Ohio glänzt, keine Frage. Das groovig gefärbte Aggressions- und Drucklevel wird beständig hochgehalten und unterstützt die düsteren bis gemeinen Lyrics: „Hörer sollen in den Spiegel schauen und erkennen, was für Menschen sie wirklich sind“, so der Frontmann. „Vor allem aber hoffe ich, dass sie verstehen, dass sie bei allem, was sie tun, eine Wahl haben.“ In einer Zeit, in der selbst schrecklichste Taten mit Verweis auf Fehlleitungen der menschlichen Psyche und daraus resultierende Unzurechnungsfähigkeit begründet und akzeptiert werden, ist das eine bittere und richtige Feststellung, die man angesichts der Kombination des Band-Namens A KILLER’S CONFESSION und des Album-Titels „Victim 1“ kaum erwartet. Auch diesbezüglich sind Waylon Reavis & Co. für eine Überraschung gut.

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Photo credits: Matthew Taylor bzw. Kegan King Photography