Mit „Gallows“ setzen BLESSTHEFALL ein kraftvolles Zeichen. Sie sind zurück – laut, kompromisslos und besser denn je. Nach sieben Jahren Funkstille präsentiert sich die Band aus Phoenix, Arizona gereift, aber keineswegs gezähmt. Ihr siebtes Studio-Album ist mehr als nur ein Comeback. Es ist eine Weiterentwicklung, die den Trademark-Sound aus MetalCore und Post-Hardcore nicht nur bewahrt, sondern klanglich auffrischt. Hymnische Refrains, poppige Hooks und brutale Breakdowns treffen auf eine druckvolle Produktion und provokante Statements.
Frontmann Beau Bokan wirkt entspannt, als er sich zum Interview meldet. Der Tag begann für ihn eher gemächlich, wenn auch nicht ganz freiwillig: „Ich habe heute ziemlich lange geschlafen“, erzählt er. „Bei uns zu Hause wird gerade gebaut, und die fangen morgens um sieben Uhr mit dem Lärm an. Ich schlafe dann wieder ein, wenn es ruhiger wird.“ Um BLESSTHEFALL ist es dafür wieder laut, denn die Band ist zurück. Seit der ersten Single und den ersten Touren sind nochmals Monate ins Land gezogen, doch das Timing steht mehr denn je auf der Seite des Quartetts: „Lange wussten wir nicht, ob wir überhaupt zurückkommen würden“, gibt Beau zu. „Erst als die Lust auf Musik wieder aufflammte – unter der Bedingung, dass es Spaß machen müsse – nahm das Projekt Gestalt an. Die konstant hohe Zahl an Spotify-Hörern war ein klares Zeichen dafür, dass die Fans noch da sind. Und mit dem Wiederaufleben von Emo und Hardcore und dem Comeback anderer Szene-Größen wie THE USED und STORY OF THE YEAR war der Moment perfekt. 2023 war zudem das zehnjährige Veröffentlichungsjubiläum von „Hollow Bodies“ – das wurde unser Ziel.“ Die Arbeit am „Gallows“ zog sich dennoch, nicht zuletzt, weil Beau inzwischen Vater ist und zwischen Studio und Familienleben pendelte. Doch als der erste Song veröffentlicht wurde und durch die Decke ging, war klar: Das Album wird fertiggestellt:
„Es war ein schönes Gefühl“, erinnert er sich. „Unsere erste Show nach der Pause in Anaheim war schnell ausverkauft, meine ganze Familie war da. Ich stand hinter der Bühne mit dem Mikrofon in der Hand und dachte: „Was zum Teufel mache ich hier?““ Zweifel kamen auf – trotz aller Proben: „Du kannst so viel proben, wie du willst, aber auf der Bühne ist es etwas anderes. Der Adrenalinstoß, die Aufregung, die Menschenmenge – all das war überwältigend. Ich hatte fast so etwas wie ein Impostor-Syndrom“, sagt Beau. Doch er fand seinen Weg zurück, mit Humor und Bodenhaftung: „Die Leute lieben es, wenn man menschlich ist – nicht wie ein Gott auf der Bühne.“ Inzwischen ist der Frontmann längst wieder in seinem Element und hat einen Wandel im Publikum bemerkt: „Es ist älter geworden, aber wir sind ja auch älter. Aber was wirklich cool ist: Es kommen viele junge Leute dazu. Manche entdecken die Band über Verwandte oder Freunde. Es ist schön zu sehen, wie die jüngere Generation dieses Genre und Bands wie unsere entdeckt. Es ist ja ein Underground-Genre – nicht sofort zugänglich, aber wenn man es einmal liebt, bleibt man dabei.“ Als eine Art „Gateway-Band“ – ein Einstiegspunkt für neue Fans – machen BLESSTHEFALL in jedem Fall eine gute Figur:
„Darüber habe ich ehrlich gesagt noch nie nachgedacht, aber das könnte schon stimmen“, erwidert der Sänger. Er kennt Geschichten von Fans, die über seine Band zu anderen Gruppen und Genres gefunden haben: „Das ist ziemlich cool.“ Mit Blick auf „Gallows“ ist die Einordnung klar: „Comeback-Album trifft es ganz gut“, stimmt Beau zu. Nach sieben Jahren Pause sei die Welt eine andere. Trotzdem wollte die Band ihren Sound bewahren und gleichzeitig modernisieren: „Wir wollten, dass die Fans, die so viele Jahre gewartet haben, zufrieden sind – und gleichzeitig neue Hörer ansprechen.“ Das Ergebnis: ein Sound, der heavy, eingängig und zeitgemäß ist: „Alles ist ein bisschen besser geworden – Gitarren, Drums, Gesang, Screams. Wir hoffen, dass die Leute erkennen, dass wir gewachsen sind, aber immer noch dieselbe Band geblieben sind. Uns liegt wirklich etwas daran, dass unsere Fans Freude an den neuen Songs haben. Wir schreiben mit ihnen im Kopf – aber auch für uns selbst, denn wir würden uns nie verkaufen. Wenn ein Song poppiger klingt, dann nur aus künstlerischem Antrieb. Doch wir würden nie ein ganzes Album voller Pop-Songs machen. Manche Bands versuchen, aus dem Hype Kapital zu schlagen und verlieren dabei ihre Fans. Uns ist es wichtig, uns unsere Integrität bewahren und gleichzeitig Spaß zu haben.“ Das äußert sich offensichtlich im bereits ausgekoppelten Track ,mallxcore‘, mit dem BLESSTHEFALL Kritik souverän kontern. Solche Begriffe empfindet Beau übrigens nicht als beleidigend:
„Absolut nicht. So etwas kommt meist von Metal-Puristen im Internet, die Bands wie GOJIRA abfeiern und Gruppen wie unsere diskreditieren, indem sich uns als „MallCore“ verunglimpfen. Als ob unsere Fans nicht „echten Metal“ hören. Deshalb hat der Song ganz bewusst einen starken Metal-Kern, einen großen Pop-Refrain und am Ende einen brutalen Halftime-Breakdown. ,mallxcore‘ war anfangs nur ein Arbeitstitel, aber dann dachten wir: „Scheiß drauf, wir machen damit weiter.“ Er ist ironisch und lustig – und er passt zu uns.“ Die Band begegnet ihren Kritikern also mit Humor und Selbstbewusstsein: „Es ist unser gutes Recht, über sie zu lachen und zu sagen: „Wir sind stolz darauf, mehr zu sein.“ Das ist die beste Art, mit Vorwürfen umzugehen.“ Im Laufe der Jahre haben sich nicht nur das Selbstbewusstsein und die Musik des Quartetts aus Arizona weiterentwickelt, sondern auch ihre Art zu touren. Beau reflektiert, wie wichtig es ihm geworden ist, körperlich und geistig im Gleichgewicht zu bleiben – besonders dann, wenn er seine Familie vermisst: „Inzwischen bin ich 43 Jahre alt. Ich spiele gerne Hockey und Basketball, und versuche, ins Fitnessstudio zu gehen, wenn es geht. Dabei geht es mir darum, für mich selbst in Form zu bleiben – aber auch für die Band. Man will auf der Bühne ja kein schlechtes Produkt abliefern. Ich möchte gut aussehen, mich wohlfühlen und durchhalten. Vor allem gegen Ende der Touren, wenn der Adrenalinkick nachlässt.“ Denn Beau nimmt nichts als selbstverständlich: „Diese Leute, die zu unseren Konzerten kommen, halten uns am Leben und verbinden sich mit uns, so wie wir mit ihnen. Das ist etwas ganz Besonderes.“