CAPYAC

Das US-Trio ließ sich in Berlin von den frühen 80er Jahren inspirieren: große Synthesizer, Gated Snares und emotionale Vocals. All das bietet „Sobbing Ecstasy“. Der Titel – entnommen aus Liner Notes von ABBA – wurde zum Ausgangspunkt für eine musikalische Vision, die Verletzlichkeit, Selbstfeier und kollektive Freude auf der Tanzfläche vereint. CAPYAC ist aus dem Bedürfnis entstanden, die Nacht mit tanzbarer Live-Musik zu füllen. Daraus ist ein kreatives Kollektiv gewachsen, das DIY-Energie mit Techno, Funk und einer offenen, improvisierten Community verbindet.

Wie sich die künstlerische Dynamik verändert hat, seit sie als Trio arbeiten, beschreibt Delwin Campbell bildhaft: „Wenn man zwei Punkte hat, gibt es eine Linie zwischen ihnen – ein eindimensionaler Raum. Mit drei Punkten entsteht ein Dreieck, ein zweidimensionaler Raum, mit dem wir spielen können.“ Die personelle Erweiterung hat nicht nur neue Möglichkeiten eröffnet, sondern auch die Offenheit für genreübergreifende Experimente verstärkt. Denn CAPYACs Sound lässt sich schwer in Schubladen stecken. Auf die Frage, wie sie entscheiden, welche Einflüsse in einen Track einfließen, antwortet Campbell: „Das ist keine Entscheidung, sondern eine unbewusste Intuition. Wir werden zu Dienern der Musik und folgen ihr.“ Dabei spielt das körperliche Erleben eine zentrale Rolle. Musik soll nicht nur gehört, sondern gespürt werden. Der Ausdruck „den Gänsehautmomenten folgen“, geprägt von Musiker JACOB COLLIER, ist für Campbell ein Leitmotiv im kreativen Prozess. Der Ursprung von „Sobbing Ecstasy“ liegt in einem ganz bestimmten Moment: Als ihr Mitbewohner aus ABBA-Liner Notes vorlas, war das der Startschuss für eine dreijährige Playlist voller emotionaler Tracks von BRONSKI BEAT über TALK TALK bis hin zu SOPHIE:

„Es ging darum, gegen alles anzugehen, was ich zuvor in Sachen Produktion gemacht hatte“, erklärt Campbell. Statt technischer Perfektion stand nun das rohe Gefühl im Vordergrund. Für CAPYAC repräsentiert „Sobbing Ecstasy“ die musikalische Verarbeitung von Emotionen durch Tanz – eine Katharsis nach sechs Stunden im Club. Obwohl das Album kein klassisches Rave-Album ist, fängt es doch die Essenz intensiver Erlebnisse ein. Dabei spielt auch die Ästhetik vergangener Dekaden eine Rolle: „Es sind gute Sounds, und wir hatten sie noch nie zuvor verwendet“, sagt Campbell.

Das Trio schöpft aus einem riesigen musikalischen Fundus, ohne sich stilistisch einzuschränken. Diese Offenheit spiegelt sich auch in ihrer Herangehensweise an komplexe Themen wider: „Einfachheit. Darin liegt für mich die emotionale Resonanz.“ Jeder Song wird auf das Wesentliche reduziert – alles, was nicht trägt, wird weggelassen. Freude und Absurdität sind für CAPYAC dabei nicht nur Stilmittel, sondern Überlebensstrategien: „Wir leben in einer hyperrealen, post-realen Welt. Es gibt keine andere Option“, so Campbell. Diese Haltung spiegelt sich auch in ihrer geografischen Verortung wider: Während Los Angeles von kommerziellem Druck geprägt war, bietet Berlin Raum für künstlerische Reinheit und Community: „Ich höre nicht auf die Massen, ich höre jetzt nur noch auf meine Freunde.“

SOBBING ECSTASY

Picture credit: Iris Wang