Der Titel des siebten Longplayers wird dem extremen, brutalen Spiel der Kalifornier gerecht. CARNIFEX eröffnen „World War X“ mit Maschinengewehrsalven und martialischen Marschgeräuschen. In der Folge liefert das Quintett aus San Diego eine technisch orientierte Deathcore-Studie, die auch aufgrund des erweiterten Einsatzes orchestraler Synthie-Sounds allein düster und brutal wirkt.
„Das Songwriting fällt uns von Mal zu Mal leichter und ist für uns im Laufe der Jahre einfacher geworden“, erzählt Frontmann Scott Ian Lewis überraschend. „Das liegt unter anderem daran, dass wir uns inzwischen bewusst eine Auszeit vom Touren nehmen. Das ermöglicht es uns, uns darauf zu konzentrieren, die Alben wirklich zu schreiben. Von „Slow Death“ zu „World War X“ haben wir drei Jahre benötigt – länger, als zwischen allen Platten zuvor. Das hat damit zu tun, dass wir zwei volle Jahre auf „Slow Death“ touren wollten und schon vorher wussten, dass wir ein gutes Jahr brauchen würden, um all das, was wir in diesen zwei Jahren an Ideen sammeln würden, anständig in Form zu bringen.“
Die Ansprüche an das eigene Songwriting sind mit der Zeit ebenfalls gewachsen. Aus den Ausführungen des Shouters lassen sich zudem Fokus und Akribie herauslesen: „Abgesehen vom ersten Schreiben der Riffs, bevor wir sie zu Songs arrangieren, und den anfänglichen Versionen der Texte gibt es keine Phasen im Album-Prozesses, die ich als Improvisation bezeichnen würde. Jede einzelne Sekunde, die du hörst, ist durchgeplant und soll genau so klingen. Bevor wir unsere Demos aufnehmen, schreiben und strukturieren wir jeden Song 10 bis 15 Mal. Ausgehend von den Demo-Aufnahmen beginnen wir wieder von vorne, schreiben alles noch einmal um und gehen dann erst wieder ins Studio, wenn die Songs fertig sind. Allein mit dem Tracking der Gitarren für „World War X“ haben wir 44 Tage verbracht, dann einen weiteren Monat mit den restlichen Instrumenten und dem Gesang und einen letzten Monat mit dem Mischen.“
Für die kalifornische Band hat sich diese Arbeitsweise bewährt. Scott Ian Lewis zufolge ist sie die Grundlage für die imposante musikalische Evolution der Gruppe: „Unser Verständnis der Musik, die wir spielen, ist über die Jahre gewachsen und hat sich so entwickelt, dass ich nicht dankbarer sein könnte. Dazu sollte man wissen, dass wir alle autodidaktische Songwriter sind. Keiner von uns hat eine Musikschule besucht oder eine formale Ausbildung genossen. Es ist äußerst erfüllend gewesen, zu sehen, wie unsere Fähigkeit, Musik zu schreiben, im Laufe der Jahre gereift ist. Ich bin davon überzeugt, dass wir uns einen Sound angeeignet haben, der außerhalb von Genre-Labels existiert. Es ist ein Glück, das CARNIFEX so etwas nicht braucht. Unsere Fans haben sich mit der Band auf eine Weise verbunden, für die wir unsagbar dankbar sind. Wir fühlen uns voll verstanden und sprichwörtlich umarmt. Und wir verstehen unsere Fans. Es ist unser erklärtes Ziel, die Verbindung zwischen der Band und den neuen und alten Fans mit jedem Song und jeder Show zu stärken.“
Bezüglich des neuen Longplayers braucht der Frontmann nicht lange zu überlegen, um die Veränderungen zu umreißen: „Mit „World War X“ haben wir den Umfang und die Größe unseres Songwritings vorangetrieben. Wir werden zumeist nach unserem Sound gefragt, doch das Songwriting selbst hat sich auch weiterentwickelt – längere Songs, Stücke mit Clean-Gesang, Tracks mit Gast-Sängern oder -Gitarristen, etc. Das neue Album erreicht eine Tiefe, die über die aller vorherigen Platten hinausgeht. Im Moment fühlt es sich so an, dass es noch nie besser gewesen ist.“ Die Kalifornier ziehen ihren Stiefel durch, weil sie von der Qualität der eigenen Extrem-Kost überzeugt sind:
„Wir flehen die Leute nicht an, uns zuzuhören“, erwidert Scott Ian Lewis. „Unsere Alben sind für die Musik-Fans, die die Reise mit uns antreten möchten. Wenn sie bereit sind, sind wir es auch. Was du hörst, ist genau das, was wir umsetzen wollten. Wir haben nichts zurückgehalten oder abgeändert, sondern uns bei jeder Gelegenheit voll und ganz ausgelebt. Deshalb denke ich, dass „World War X“ die bislang beste Darbietung von CARNIFEX darstellt. Es ist die Kombination aus Einflüssen, die an der Schnittstelle unserer gemeinsamen Vision zusammenlaufen. Wenn wir in einem Raum aufeinandertreffen, erschaffen wir CARNIFEX. Es hat alles mit uns und unserem individuellen Beitrag zu tun, jedoch fast nichts mit äußeren Faktoren.“
Das Quintett aus San Diego ist sich im Kreativprozess selbst genug und weiß um seine Aufgabe: „Die Leistung eines Künstlers liegt auch in seiner Fähigkeit, schlechte Ideen zu erkennen und zu verwerfen“, äußert der Shouter. „Ich lebe rund um die Uhr mit und in der Musik. Sie ist Ausdruck meiner Seele und spiegelt meine Sichtweisen wider. Es ist an mir und meinen Bandkollegen, zu erkennen, ob wir eine kraftvolle Idee gefunden haben oder wir neu anfangen müssen. Doch alles beginnt mit der Intention des Künstlers. Unser Ziel für „World War X“ war es, eine musikalische Wahrheit aufzuzeigen; der Welt unsere musikalische Vision mitzuteilen. Für den Arbeitsprozess hieß das, Songs von konkurrenzfähiger Ehrwürdigkeit zu erschaffen und unser eigener härtester Kritiker zu sein. Am Ende des Tages sind wir Metal-Fans. Es liegt uns im Blut, weil wir von klein auf Metalheads sind. Wenn ein Song scheiße ist, fällt uns das auf. Solange man sich an den „Würdest du das selbst gerne hören?“-Standard hält, ist es einfach. Man arbeitet einfach solange weiter, bis die Songs Ärsche treten.“