DARKEST HOUR

Das Quintett aus Washington, D. C. überzeugt auf „Perpetual I Terminal“ mit reifer Selbstverständlichkeit und kompositorischer Virtuosität. DARKEST HOUR treten auf ihrem zehnten Album mit reichlich Spielwitz und Tatendrang in Erscheinung und setzen melodische Heavy-Hymnen zwischen Death und Thrash Metal.

„Es ist total verrückt angelaufen“, freut sich Gitarrist Mike Schleibaum auf das quasi ausverkaufte Pre-order-Vinyl im Online-Shop der Band angesprochen. „Aber keine Bange, wir planen bereits eine zweite Pre-Order-Kampagne, damit jeder, der Vinyl haben möchte, auch eine Kopie erhält. Das geht bald schon gemeinsam mit der nächsten Single online. Für unsere Fans in Europa und Großbritannien wird es exklusive Angebote geben. Wir strecken uns wirklich enorm, um jeden zu erreichen. Deutschland ist uns dabei besonders wichtig, denn dort haben wir mehr als irgendwo sonst außerhalb der USA getourt und eine besonders treue Anhängerschaft. Es gefällt uns sehr, dass Vinyl wieder hoch im Kurs steht. Noch besser ist es aber, dass wieder viele Leute Metal hören und noch dazu an frischem Material interessiert sind. Auf unseren letzten Touren haben wir bereits einige neue Stücke gespielt und die sind super angekommen. Normalerweise ist es ja so, dass die Leute von Bands, die schon lange bestehen und eine Historie mitbringen, nur die Songs hören wollen, die sie kennen. Das ist ein Phänomen, das viele Gruppen erleben. In unserem Fall scheint es aktuell so zu sein, dass die Leute wie verrückt darauf hinfiebern, uns endlich wieder zu sehen und deshalb alles abfeiern. Die Leute lassen sich Abend für Abend von der Energie der neuen Stücke anstecken. Zum Glück, denn wir wollen keine Band sein, die in der Vergangenheit verhaftet ist. Wir sind eine Band für jeden, der Metal liebt. Die Leute erleben es bei uns so, wie wir selbst bei anderen Gruppen. Es ist immer toll, wenn gestandene Bands nach einiger Zeit mit neuem Material zurückkehren. Dann kann man sich in ihre Alben hineinhören und sie entdecken. Das ist wie ein Drogenrausch. Hoffentlich haben die Leute bei uns eine ähnliche Erfahrung. Was bislang läuft, toppt alles aus der Vergangenheit. Wir scheinen lange genug weg gewesen zu sein – der Pandemie sei dank.“

Um es geradezurücken: DARKEST HOUR waren in der Pandemie weder faul noch untätig: „Es gab eine kurze Phase, in der wir dachten, dass es das mit der Band gewesen sei“, erinnert sich der Gitarrist. „Es schien, als wäre „Godless Prophets & The Migrant Flora“ unser letztes Album gewesen. Zu dieser Zeit kam viel zusammen. Wir hatten eine perfekte Platte geschrieben und intensiv getourt. Doch jeder sprach davon, dass man ab sofort nur noch Singles veröffentlichen solle – jeden Monat einen neuen Song mit einem Video. An Vorschlägen hat es nicht gemangelt. Das Umfeld war plötzlich ein ganz anderes. Wir haben auch eine Menge ausprobiert, wie Crowdfunding oder Patreon. Neuen Ansätzen gegenüber sind wir nicht verschlossen. Was man nicht vergessen darf: nach dem Erscheinen von „Godless Prophets…“ sind wir zwei Jahre lang wie verrückt getourt. Dann schlug die Pandemie zu und wir haben unsere Optionen diskutiert. Schnell stand fest, dass wir dieses Band-Ding mögen und fortsetzen wollen. Wir stimmten auch darin überein, dass wir weiter ganze Alben schreiben werden. DARKEST HOUR ist eine Album-Band und nicht gut darin, sich auf einzelne Singles zu beschränken. Wir wollen komplexe Gedanken und Ideen bearbeiten und das ganze Bild darstellen. Dafür bedarf es Alben. Ist man in dem, was man tut, gut, findet man seine Hörer und seinen Platz. Davon bin ich überzeugt und wir sind lange genug aktiv, um das zu wissen. Als wir unseren Plan geschmiedet hatten, ging es zunächst auf Jubiläums-Tour für unser 2007 veröffentlichtes „Deliver Us“. Die Arbeit an neuen Songs hatte begonnen, doch wie mussten einfach wieder Shows spielen. Und ganz ehrlich: wir waren auf das Geld der Tour angewiesen, denn die Corona-Zeit hat uns gebeutelt. Die Erfahrungen der „Deliver Us“-Tour haben uns auch in anderer Hinsicht geholfen. Wir haben gesehen, dass die Leute, die uns unterstützen, Platten mögen. Als Band müssen wir nicht Singles schreiben, sondern schlicht starke DARKEST HOUR-Alben. Nachdem wir diese befreiende Erkenntnis gewonnen hatten, hat es keine drei Monate gedauert, bis wir ins Studio gegangen sind. Alles, was danach kam, hat dann gefühlt ewig gedauert. Wir haben „Perpetual I Terminal“ in rund drei Monaten aufgenommen. Das Mixing hat danach länger als die eigentlichen Aufnahmen gebraucht. Dann ging es mit dem Artwork weiter. Es ist phantastisch geworden, aber der Künstler hat gewühlt eine Ewigkeit daran gearbeitet. Es ist komplett von Hand gemalt. Doch das Warten hat sich gelohnt. Nachdem die Kooperation mit dem Label MNRK klar war, ist der Prozess gestartet, die Veröffentlichung vorzubereiten. Das bedeutet, Videos zu drehen und in die Promotion zu gehen. Und hier sind wir nun. Schneller wäre es nicht gegangen, auch wenn unsere neue Single ,Societal Bile‘ bereits vor eineinhalb Jahren geschrieben wurde. Natürlich haben sich unsere Leben seither weitergedreht, aber das alles braucht einfach seine Zeit. Wir haben die Band einst mit dem Ziel gegründet, rund um die Welt zu touren und es nach Möglichkeit auf professioneller Basis zu tun. DARKEST HOUR sind ein kleines Unternehmen, das tut, was zu tun ist. Um es kurz zu machen: der Prozess hat sich lange gezogen, ohne dass es Probleme oder ähnliches gegeben hätte. Es war eine Verkettung von Umständen, doch ich bin der Ansicht, dass es egal ist, wie lange etwas dauert, solange das Ergebnis davon profitiert und am Ende richtig stark ist.“

Mit „Perpetual I Terminal“ erscheint ein ungemein starkes Album, auf dem Nico Santora (ex-Fallujah, ex-Suicidal Tendencies, ex-The Faceless) seinen Einstand als Lead-Gitarrist gibt. Mike „Lonestar“ Carrigan hat im Sommer 2020 seinen Hut genommen. Der personelle Wechsel steigert die Qualität von Songwriting und Gitarrenarbeit nochmals. Ansonsten zeigt sich das Quintett aus dem Nordwesten der USA umtriebig wie eh und je: „Während der Pandemie haben wir Live-Streams angeboten und mit Unterstützung unserer Patreons ein Live-Album herausgebracht, das als Vinyl auch physisch zu haben ist“, führt Mike Schleibaum an. „Neben dem Schreiben des neuen Albums haben wir einen Plattenvertrag verhandelt, die Jubiläums-Tour gespielt und normale Shows bestritten. Es gab eine Tour mit Shadows Fall und viele verrückte Aktionen wie einen Kurz-Trip nach Kolumbien oder zuletzt zwei Nächte in Tokio. Wir leben dafür, weltweit unterwegs zu sein und aufzutreten, weil wir den Metal und Metal-Konzerte lieben. Das ist unser Lifestyle. Die größte Herausforderung für uns ist es, die Balance zwischen den Tour-Aktivitäten und der kreativen Arbeit zu finden. Beides ist eine eigene Geschichte. Zuhause kann ich den ganzen Tag Songs schreiben. Doch auf Tour zu gehen, ist, wie in den Krieg zu ziehen. In unserem Fall schließt das kreatives Arbeiten aus. Deshalb ist die Balance zwischen beidem so wichtig. Für mich persönlich war zu jedem Zeitpunkt klar, dass ich weiterhin professioneller Musiker sein will. Wir haben keine Angst davor, in ein Flugzeug zu steigen und krank zu werden. Das passiert sowieso regelmäßig und wir sind Typen, die überall das Wasser aus dem Hahn trinken und davon überzeugt sind, dass es schon schiefgehen wird. Ist man seit dreißig Jahren auf Tour, schmeißt einen nichts so leicht aus der Bahn. Dafür haben wir schon zu viel erlebt. Was passieren soll, geschieht auch. Für Zweifel bleibt da kaum Platz, weshalb es auch in der Corona-Phase nur ein kleines Zeitfenster gegeben hat, in dem wir uns unsicher waren, ob wir jemals wieder so wie vor der Pandemie weitermachen können. Doch was soll ich sonst tun? Es war gut, dass wir uns hinterfragen und hinsichtlich unserer Prioritäten klar werden konnten. Nun fühlt es sich gut an, wieder zu touren, auch wenn das jeden verdammten Tag harte Arbeit bedeutet.“

Bands wie Killswitch Engage, Lamb Of God oder die angesprochenen Shadows Fall erfahren Wertschätzung dafür, den Sound der „New Wave Of American Heavy Metal“ mitbegründet und definiert zu haben. DARKEST HOUR waren mittendrin und haben mindestens genauso viel geleistet, werden aber selten mit hervorgehoben: „Es stört mich ganz und gar nicht, ein Underdog zu sein und unterschätzt zu werden“, erwidert der Gitarrist. „Die Leute positiv zu überraschen, hat viel für sich. Das habe ich auf unserer letzten Tour wieder gemerkt. Wir waren mit Exodus unterwegs, die eine ganz ähnliche Geschichte haben. Sie sind eine Thrash-Metal-Legende, zählen jedoch nicht zu den „Big Four“. Das spielt aber keine Rolle, denn sie besitzen Kredibilität und den Respekt der Fans. Jeder kennt sie! In unserem Fall ist es ganz ähnlich, aber das ist für mich kein Problem. Nicht jeder kann alles haben. Wir haben uns dennoch unsere Sporen erworben. Erfahren wir nicht genug Anerkennung? Keine Ahnung. Für jede Liste der „New Wave Of American Heavy Metal“, auf der wir nicht auftauchen, gibt es eine andere, auf der wir stehen. Es gibt sogar Stimmen, die behaupten, wir hätten diese erfunden. Für mich ist alles gut. Die Zeit verändert ohnehin die Sicht auf alles. Wir stehen kurz davor, dass Led Zeppelin und Nirvana in einen Topf geworfen und als ähnliche Rock-Bands wahrgenommen werden – als Classic Rock. Dabei spielt es dann keine Rolle mehr, dass eine von beiden Gruppen aus den 1990er Jahren stammt und Grunge spielt und die andere etliche Dekaden davor aktiv war. Mit der Zeit rückt vieles näher zusammen. So, wie die Karriere von Exodus nicht vorbei ist, die kürzlich ein neues Album veröffentlicht haben, entwickelt sich auch die Rezeption der „New Wave Of American Heavy Metal“. Nicht alle Wegbereiter und wichtigen Gruppen sind der Öffentlichkeit zu jedem Zeitpunkt bewusst, aber das findet sich.“

Das Thema des zehnten Albums der Band dreht sich ebenfalls um übergeordnete Themen und auf abstrakter Ebene um Beständigkeit: „Es ist wichtig, zu verstehen, dass es kein Nebeneinander von Überleben und Wiedergeburt meint, sondern Überleben versus Wiedergeburt. Beiden Ideen stehen sich gegenüber. Beim Überleben geht es darum, die nötige Stärke zu entwickeln, um sich durchzusetzen. Dabei muss man vielleicht auch Teile von sich selbst ausblenden oder unterdrücken, um das Ziel zu erreichen, was positiv oder negativ sein kann. Das ist gewissermaßen das, was wir als DARKEST HOUR seit dreißig Jahren tun – sowohl als Musiker als auch als Menschen. Gleichzeitig verändert sich der Sound und das, was die Band ausmacht, permanent. Im Sinne des Überlebens verfolgen wir das Ziel, uns mit jedem Album weiterzuentwickeln. Während der Arbeit an „Perpetual I Terminal“ haben wir uns gefragt, ob es eine Hommage an unsere Vergangenheit oder ein weiterer mutiger Schritt nach vorne sein soll. Wir wissen ja nicht, wie viel Zeit uns noch bleibt. Was, wenn morgen schon alles vorbei ist? Deshalb war es unser Ziel, ein Album abzuliefern, das zählt. Dieser Anspruch zieht sich durch alle Songs. Wir wollen auffallen und erinnert werden, haben nichts zu verlieren. Wer die Texte liest, kann sich noch besser in unsere Gedankenwelt hineinversetzen.“

www.facebook.com/DarkestHourDudes

Pictures Mary Lou Larson