FIT FOR AN AUTOPSY

So kennt man FIT FOR AN AUTOPSY, deshalb schätzt man sie: Das seit 2008 aktive US-Sextett liefert mit „The Nothing That Is“ ein weiteres heftiges Album ab, das den Sound-Ansatz gnadenlos weiterentwickelt und aus der Enge der Szene befreit. „Nur“ Deathcore war gestern. Die Band aus aus New Jersey ist längst in jeder Hinsicht übergeordnet extrem.

FIT FOR AN AUTOPSY präsentieren sich auf ihrem siebten Longplayer sowohl als gereifte Individualmusiker als auch als nochmals verbesserte songschreibende Gemeinschaft: „Es ist ziemlich cool, auf diese Weise betrachtet zu werden“, nimmt Gitarrist Tim Howley das Kompliment dankbar an. „Natürlich bringt das auch Implikationen und Erwartungen mit sich, aber darüber muss man irgendwie hinwegsehen. Wir alle sind uns darin einig, dass wir weiterhin versuchen, wir selbst zu sein. Uns als Deathcore-Band zu bezeichnen, hat sich für uns immer seltsam angefühlt. Natürlich haben wir in diesem Genre angefangen, aber ich denke, wir haben uns davon inzwischen endgültig abgegrenzt.“ Das bedeutet jedoch nicht, dass die Gruppe absichtlich oder unnötig mit ihrem bisherigen Sound bricht. Das Gegenteil ist der Fall. Die Musiker bauen auf dem auf, was die 2022er Scheibe „Oh What The Future Holds“ bestimmt hat und testen mutig aus, wie es für FIT FOR AN AUTOPSY evolutionär weitergeht:

„Ich selbst bin erst im Jahr 2013 zur Band gestoßen“, erinnert Tim danach gefragt, was für die merklichen Entwicklungsschübe der Formation verantwortlich ist. „Zu diesem Zeitpunkt war die Band bereits stark etabliert, aber selbst mit mir als Neuzugang hatten wir noch einige holprige Zeiten mit Besetzungswechseln und anderen Unsicherheiten. Erst als Blue 2016 dazukam (Gemeint ist Bassist Peter „Blue“ Spinazola, der zunächst Tour-Musiker war und seit 2019 fester Teil des Line-Ups ist.), haben wir wirklich ins Schwarze getroffen. Das ist die Besetzung, die wir nun schon eine Weile beisammen haben und die wirklich gut funktioniert. Seither läuft es immer besser. Wir sechs haben einen ähnlichen Musikgeschmack, unterscheiden uns aber auch in vielerlei Hinsicht. Daher hilft es, wenn wir in unseren Stücke unterschiedliche Stile zusammenzubringen, die jemand anderes normalerweise nicht hören oder von sich aus spielen würde. Davon profitieren wir alle und natürlich auch unsere Songs.“ Auf der Seite der Hörer verhält es sich nicht anders. Wer FIT FOR AN AUTOPSY hört, sucht einerseits kompromisslose Brutalität und technischen Anspruch und andererseits dynamisch arrangierte, kontrastreiche Stücke:

„Wir hatten schon immer das Glück, dass unsere Fans wissen und darauf vertrauen, dass wir für sie alles richtig machen werden“, stimmt der Gitarrist zu. „Natürlich gibt es immer ein paar Leute, die einzelne Songs oder Teile unserer Tracks nicht mögen, aber manchmal sind bestimmte Dinge einfach nichts für jeden. Es gibt viele Bands, die Lieder oder Alben herausgebracht haben, die mir einfach nicht gefallen. Das bedeutet jedoch nicht, dass ich aufhöre, die Band an sich zu mögen. Bestimmte Songs oder Alben höre ich mir dann allerdings schlicht nicht an. Das im Hinterkopf, müssen wir auf nichts und niemanden Rücksicht nehmen. Unabhängig davon, glaube ich ohnehin nicht, dass uns Erwartungen Anderer wirklich stören oder gar beeinflussen. In der Band sehen wir das all so, weil wir es einzuordnen wissen. Das Schreiben neuer Musik ist auch davon abgesehen immer stressig, war dieses Mal aber auch nicht stressiger als sonst.“

Die Formation aus New Jersey tritt als ganzheitlich agierende Einheit in Erscheinung, die gleichsam kompakte wie düstere und spannende Tracks abliefert. Dass FIT FOR AN AUTOPSY um ihre Stärken wissen, stellen sie auf „The Nothing That Is“ selbstbewusst und effektvoll heraus: „Will übernimmt den Großteil des Schreibens“, äußert Tim mit Verweis auf seinen Gitarristen-Kollegen Will Putney. „Seine Herangehensweise ist ziemlich geradlinig und konsequent. Das bemerkt man später auch auf unseren Alben. Wenn ich an Ideen arbeite, spule ich eher ein paar Drumbeats ab und fange an, dazu zu riffen. Da steckt kein besonderer Prozess oder gar Plan dahinter, weshalb ich lieber auf die Arbeit von Will vertraue. Was die Weiterentwicklung unseres Sounds angeht, ist die Erklärung schon schwieriger, denn so leicht wie man meinen könnte, fällt uns das nicht. Einerseits wollen wir nicht zu weit springen und ein neues Album zu weit von den früheren entfremden. Andererseits gilt es zu vermeiden, dass es wie das letzte klingt. Was wir suchen, ist deshalb eine Mischung aus Weiterentwicklung und dem Festhalten an dem Sound, der unser eigene ist und den man mit uns verbindet.“ Auf Nachfrage erzählt Tim Howley, dass die US-Amerikaner weniger experimentieren, als man ihnen gemeinhin unterstellt, sie die atmosphärischen oder eingängigen Momente ihres Heavy-Sounds aber ebenso wenig absichtlich forcieren:

„Es ist ein bisschen von beidem“, so der Gitarrist. „Doch natürlich werden wir auch älter, sodass unsere Muskeln nicht mehr so schnell arbeiten wie früher. Nehmen wir mich zum Beispiel: Ich versuche, mit meiner Anschlagshand schneller zu werden, weiß aber definitiv, dass es körperliche Einschränkungen gibt, an denen ich nicht vorbeikomme. Das muss ich akzeptieren. Ob ich es will oder nicht. Auf der anderen Seite müssen wir unsere Musik interessant halten. Also fordern wir uns selbst heraus, etwas zu spielen, das einen bestimmten Punkt in unserem Ohr und Geist trifft. Das ist für uns dringend erforderlich.“ Als Beispiel hebt der Musiker in dieser Hinsicht – man ahnt es – den finalen Song des neuen Longplayers hervor: „,The Silver Sun‘ ist meiner Meinung nach der ausgefallenste Track auf „The Nothing That Is““, so der FIT FOR AN AUTOPSY-Gitarrist. „Wie die meisten unserer Fans wissen, ist das letzte Stücke all unserer Platten immer episch. Abgesehen davon gibt es für unser Spiel und die Ausgestaltung unserer Veröffentlichungen aber weder benennbare Barrieren noch Grenzen. Straßensperren ignorieren wir, denn wir wollen einfach nur harte Musik schreiben und sonst nichts.“

Diese Geisteshaltung ist die Grundlage des spannenden Extrem-Metal-Sounds des Sextetts, dass auf seiner neuen Platte drückend-dichte Brachialität zelebriert: „Es geht darum, frisch zu bleiben“, erwidert Tim. „Heutzutage ist es für Menschen einfacher denn je, Musik zu schreiben, aufzunehmen und zu veröffentlichen. Vieles davon klingt allerdings extrem ähnlich. Uns geht es geht darum, persönliche Tricks zu finden, sie uns zu eigen zu machen und sie in der Hinterhand zu behalten, um sie bei Bedarf hervorholen zu können. Jeder kann einen Breakdown schreiben, aber es muss den Nerv der Fans treffen, um ihr Interesse zu wecken. Oftmals scheint es mir, dass viele Leute den Prozess viel zu sehr verkomplizieren. Letztlich geht es um das Folgende: Die Hörer sollen aufhorchen und sagen: „Wow“.“

Mit Blick auf „The Nothing That Is“ stellt der Musiker aus New Jersey fest, dass die sechsköpfige Formation dieses Ziel erreicht hat: „Dieses Album fühlt sich wie ein Zuhause an“, beschreibt es der Gitarrist. „Jede Band sagt immer: „Das ist unser bestes Album, bla bla bla“. Und es ist lustig, weil ich dieses Mal wirklich und tatsächlich davon überzeugt bin und fest daran glaube, dass dies das beste Alben ist, das wir bisher gemacht haben. Von Anfang bis Ende fühlt es sich einfach stimmig an. Unsere Fans wissen, worauf sie sich einlassen, schließlich handelt es sich bereits um unser siebtes Werk in voller Länge. Die Leute, die uns über all die Jahre die Treue gehalten haben, verstehen, dass sie etwas Ganzes bekommen. Neue Fans können sich glücklicherweise schnell für unsere Songs begeistern und verstehen, worum es uns geht. Es gibt ja auch vieles, was heraussticht. Das alles live zusammenzubringen, hat bei uns glücklicherweise bisher auch noch immer funktioniert.“ Hierbei profitieren FIT FOR AN AUTOPSY wiederum von ihrer aufgeschlossenen, heterogen Zusammenstellung. Was die Musiker einst am eigenen Leib erfahren haben, möchten sie heute gemeinsam an ihr Publikum weitergeben:

„Wir alle sind große Musikfans – ganz generell und von Jazz, Metal und Blues bis hin zu Hip-Hop und noch vielem mehr“, holt Tim Howley aus. „Wenn wir das Musikspektrum von unseren Hörern erweitern können, ist das eine schöne Sache. Ich möchte nicht wie ein Träumer klingen, aber Musik hilft zu 100 Prozent bei der Heilung. Sie schafft für uns alle eine großartige Fluchtmöglichkeit oder Chance, bestimmte Themen anderen mittels Musik näherzubringen.“ Das gilt fraglos für die Musik, aber mehr noch für die Texte, in denen sich das Sextett nicht minder couragiert zeigt: „FIT FOR AN AUTOPSY haben Zeit ihres Bestehens versucht, die Plattform der Band zu nutzen, um auf Probleme auf der ganzen Welt aufmerksam zu machen“, stellt der Gitarrist heraus. „Die Mehrzahl unserer Songs kommt mit einer klaren Botschaft. Vielen Metal-Bands reicht es, Stücke über Fantasie-Themen zu schreiben, doch das ist einfach nichts für uns. Wir sind in der Hardcore-Szene aufgewachsen. Dort kommen Texte von Herzen und spiegeln Erfahrungen aus dem echten Leben wider. So ist es auch bei uns. Ein Song, der auf „The Nothing That Is“ besonders heraussticht, ist ,Red Horizon‘, mit dem wir Konflikte in besetzten Ländern ansprechen und anprangern, dass unschuldige Menschen aufgrund der Skrupellosigkeit der Mächtigen sterben.“

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