Die Texaner beschäftigen sich mit der destruktiven Natur des Menschen. „Absolute“ ist ein rohes, brutales Album. KUBLAI KHAN wollen aufrütteln und provozieren. Der bittere Metal-Hardcore des Quartetts ist dafür bestens geeignet.
Nicht nur Hörer erleben das Spiel der Gruppe als intensiv und heftig: „Ich begann, diese Musik in meinen frühen Teenager-Tagen zu entdecken, und habe sie von Beginn an als Ventil genutzt“, erzählt Frontmann Matt Honeycutt. „In mir hatte sich viel Frustration und Irritation über mein Leben und die Menschen darin aufgestaut. Als ich dann die ersten Hardcore-Shows besucht habe, fand ich einen Ort mit Gleichgesinnten und einer Energie, die nicht zu übertreffen ist. Jedes Mal, wenn wir jetzt eine Show spielen und der Raum zu wachsen beginnt, spüre ich dieselbe Energie und das nährt meine Seele so sehr wie beim ersten Mal.“ Der Shouter verdankt KUBLAI KHAN alles:
„Ehrlich gesagt, hat mir die Musik ein Leben verschafft, das sonst vielleicht verloren gewesen wäre. Die Musik hat mir viel Liebe und eine Karriere beschert. Dank der Band komme ich an Orte und Wendepunkte in meinem Leben, von denen ich dachte, dass sie unerreichbar wären. Das Wissen und die Gefühle, die mit diesen Erfahrungen verbunden sind, sind beispiellos.“ Dabei ging 2008 alles ganz unspektakulär los: „Anfangs sind wir eine Jam-Band gewesen“, erinnert sich Matt. „Wir kamen gerade aus anderen Gruppen und haben diese neue frisch zusammengebracht. Dann haben wir entschieden, dass wir unseren eigenen Sound entwickeln und niemanden imitieren wollen. Um das zu erreichen, haben wir uns von anderen Bands all die Elemente geholt, die uns besonders gut gefielen. Ich bin davon überzeugt, dass uns diese Entscheidung dabei geholfen hat, diesen einzigartigen Sound zu kreieren, der im Laufe der Jahre immer deutlicher zutage getreten ist.“
Parallel zur Herausbildung der musikalischen Trademarks haben die Texaner Basisarbeit geleistet, sind kontinuierlich getourt und haben ihr Schicksal in die eigenen Hände genommen: „Eine ganze Zeit lang haben wir alles DIY gemacht“, bestätigt der Musiker. „Außer der Hilfe von engen Freunden hatten wir kein Team hinter uns. Wir haben die meisten der frühen Designs erstellt und all unsere Merchandise-Artikel selbst bedruckt. Wenn so etwas gut läuft, kannst du stolz darauf sein. Wenn es nicht läuft, weißt du zumindest, dass du dich das nächste Mal noch mehr anstrengen musst. Eine Weile ist es ziemlich hart gewesen, doch gleichzeitig haben wir viele wertvolle Erfahrungen daraus gezogen. Es verschafft einem eine große Genugtuung, zu wissen, dass man alles selbst auf die Beine gestellt hat und es im Zweifel wieder tun könnte. Wenn ich jetzt auf diese Zeit zurückblicke, würde ich nichts ändern wollen.“
Über zwei Alben auf Artery haben KUBLAI KHAN zu Rise Records gefunden. Mit „Absolute“ erscheint dort der vierte Longplayer des Quartetts, das seinen Ansatz rabiat und heftig in Szene setzt: „Unser Stil und Klang hat sich im Laufe der Jahre unseres Zusammenseins als Band langsam geformt und verändert. Viele meiner Texte stammen von persönlichen Erfahrungen und meinen Ansichten zum Leben, die ich nur mit dieser Art von Musik wirklich ausdrücken kann. Die Songs sind für mich ein Mittel zum Zweck und ein Werkzeug, um die schwierigeren und hässlicheren Seiten des Lebens auszudrücken und gleichzeitig in der Lage zu sein, meinen Intellekt und Geist weiter zu entwickeln.“
Auf dem Cover steht neben dem eigentlichen Titel nicht zufällig „Every Human Is Built To Self-Destruct“ geschrieben: „Dabei handelt es sich um eine Zeile aus dem Lied ,Self Destruct‘“, klärt Matt Honeycutt über die Hintergründe auf. „In mehrfacher Hinsicht glaube ich, dass genau dies in allen Menschen angelegt ist und wahr werden kann. Wir Menschen sind von Natur aus dazu verdammt, uns selbst zu zerstören, ob als Einzelperson oder als Gruppe. Jeder Mensch ist eine tickende Zeitbombe, doch wir verbringen unser ganzes Leben damit, diese Tatsache zu negieren und zu unterdrücken. Manchmal ist das Einzige, was wir tun können, um diese zerstörerische Natur zu bekämpfen, positiv gestimmt zu bleiben und Dampf auf gesunde Art und Weise abzulassen.“ Die Tracks der Texaner mögen rabiat und ernüchternd ausfallen. Die zugrunde liegende Motivation und transportierte Botschaft weisen jedoch in eine andere Richtung:
„Was ich wirklich suche, ist der ungefilterte Austausch von Energie und Emotionen“, verrät der Shouter. „Wir spielen Musik, die eine urtümliche, primitive Reaktion hervorrufen soll. Die Worte, die von mir geschrieben werden, sollen Nachdenken stimulieren und Diskussionen provozieren. Aus einem gewalttätigen Medium entwickelt sich im besten Fall positive Energie.“ KUBLAI KHAN sind eine Band mit klarer Positionierung und Aussage. Dass das nicht für jede Gruppe in der Metal-Hardcore-Szene gilt, stört den Frontmann nicht: „Jede Band geht ihren eigenen Weg und muss für sich entscheiden, was sie tun oder lassen will. Jede Band beginnt und endet ja auch aus ganz individuellen Gründen. Einige Künstler haben tatsächlich viel zu sagen. Andere imitieren das und geben nur vor, etwas beizutragen. Wieder andere sind so ehrlich, zuzugeben, dass sie absolut nichts zu sagen haben. Für mich persönlich ist es aber gerade die lyrische Wahrheit dieses Genres, die mich so tief in diese Szene hineingezogen hat. Von Anfang an wollte ich die Tradition fortsetzen, extreme Musik dazu zu verwenden, um extreme Gedanken und Emotionen aufzuzeigen und auszuleben. Es wäre nicht das gleiche Gefühl, wenn ich es nicht täte.“
Dank des Signings auf Rise Records und dem 2017er Label-Einstand ist das Interesse an dem Quartett aus Sherman zuletzt nochmals deutlich gestiegen. Ein weiterer Grund dafür dürfte im markanteren Auftritt der Band liegen, die inzwischen fraglos einen wiedererkennbaren Stil pflegt: „„Nomad“ hat die Dinge für uns definitiv verändert“, stimmt Matt Honeycutt zu. „Wir haben sogar viele neue Hörer hinzu gewonnen. Indem wir unseren Sound gestrafft haben, konnten wir endlich zu unserem eigenen Stil finden. Die Veränderungen sind wirklich in jeder Hinsicht zu unserem Vorteil ausgefallen. „Absolute“ sehe ich jetzt nicht anders. In meinen Augen ist es die Fortsetzung des Gesprächs, das mit „Nomad“ begonnen hat. Dabei stellen wir unseren Hörern wiederum neue Sounds und Ideen vor, die sie mit unserer Band bislang noch nicht verbunden haben. Ich denke, beide Alben fallen, jeweils für sich allein betrachtet, stark und eigenständig aus. Darüber hinaus ergänzen sie sich für mich wie zwei Brüder, die Seite an Seite stehen und gemeinsam kämpfen.“
KUBLAI KHAN sind in den Augen ihres Frontmanns angekommen: „Wir haben unseren Sound gefunden und klingen schlicht nach uns selbst“, äußert Matt voller Überzeugung. „Die Leute sagen uns, dass wir einen einzigartigen Sound spielen und dass andere Bands diesen besonderen Klang nicht kopieren können. Das ist schön zu hören, doch für mich sind es schlicht wir. Es gibt keinen anderen Sound, den wir schreiben könnten. Alles, was wir produzieren, liegt hinsichtlich Klang und Stil auf dieser einen Linie. Was auch immer das genau sein mag. Es gibt viele Leute, die sofort verstehen, worum es uns geht. Wer das nicht gleich fühlt, wird mit uns auch später eher nichts anfangen können. Das ist in Ordnung.“ Da alle Stücke der Texaner auf Intuition und Impulsivität basieren, fällt der Zugang eigentlich nicht schwer: „Das ist absolut korrekt“, bestätigt der Shouter. „Wir jammen zu viert in einem Raum und dabei entsteht das, was sich organisch ergibt. Das neue Album haben wir innerhalb kürzester Zeit geschrieben, was ich auf unsere Synchronisation als Band sowie unsere Fähigkeit, „unseren Sound“ zu kreieren, zurückführe.“ Seit die Stoßrichtung und die Trademarks klar sind, erledigt sich das Songwriting praktisch von selbst:
„Es fällt uns immer leichter, obwohl wir bezüglich unserer Musik weiterhin kritisch sind und sie hinterfragen, wenn es nötig ist“, erzählt der Sänger. „Insgesamt kommen der Schreibprozess und das letztlich erscheinende Produkt heute aber viel schneller als früher zustande. Wir sind in der Lage, schnell und präzise zu schreiben und aufzunehmen. Dabei haben wir das Rad nie neu erfunden und werden das auch künftig nicht tun. Im Laufe der Jahre haben wir uns aber schon verändert. Frische Ideen sind eine Herausforderung, aber irgendwie schaffen wir es stets, Dinge zu tun, von denen wir nicht wussten, dass sie in uns sind.“
Ihre volle Qualität spielen KUBLAI KHAN allerdings erst live aus. Wer die vier Texaner bereits live gesehen hat, weiß um die Intensität und Präsenz, die die Auftritte der Musiker auszeichnen: „Ich bin davon überzeugt, dass jeder, der eine unserer Shows besucht, sich zumindest mit ein oder zwei unserer Songs identifizieren kann“, äußert Matt Honeycutt. „Schließlich sprechen wir über ein breites Spektrum von Gedanken und Gefühlen. Was den einen berührt, hat nicht unbedingt die gleiche Auswirkung auf den anderen. Das ist ja gerade die Schönheit des Einzelnen. Das macht die Reise jedes Menschen einzigartig. Es sind nicht deine Kämpfe, die dich definieren. Es ist die Art und Weise, wie du mit ihnen umgehst, die es tut. Ich möchte jeden ermutigen, zu einer unserer Shows zu kommen und mit uns Spaß zu haben. Das ist es, was es für mich Nacht für Nacht ausmacht. Die Leute können von unseren Songs das mitnehmen, was sie wollen – im Guten wie im Schlechten. Es liegt am Zuhörer, unsere Songs zu entschlüsseln und in ihnen das Licht oder die Dunkelheit zu entdecken, die er erkennt und ihnen zuspricht.“
Ihrem Publikum begegnen die Texaner mit der gebotenen Dankbarkeit: „Die Tatsache, dass sich jemand für das interessiert, was wir tun, kann man gar nicht zu viel wertschätzen“, stellt der Frontmann klar. „Außerhalb der Mauern der Clubs interessiert sich kaum jemand dafür, was wir tun oder worüber wir reden. Dem Rest der Welt ist es egal. Deshalb muss man den Leuten, die einem Aufmerksamkeit schenken, danken. Man muss ihnen den Respekt entgegenbringen, den sie verdienen. Sie kommen ja nicht zu den Konzerten, um uns ins Gesicht zu spucken und zu sagen, wie scheiße wir sind. Sie kommen, um uns zu sehen. Als Band darf man das niemals als selbstverständlich ansehen. Alles hat eine Halbwertzeit. Ich bin nicht so vermessen, zu glauben, dass diese Band für immer Bestand haben wird. Deshalb versuchen wir, im Moment zu leben und das zu tun, wofür wir da sind.“ …so hart das selbst gewählte Schicksal auch ist:
„Unsere Einstellung zum Dasein als tourende Band bestimmt in vielerlei Hinsicht, wer und was wir sind“, weiß Matt Honeycutt. „Das Touren selbst ist die höchste Hürde, die man als Musiker überwinden muss. Von zu Hause weg zu sein und quasi zwei voneinander getrennte Leben zu führen, ist eine mentale und emotionale Belastung. Andererseits ermöglichen uns die Musik und das Touren, ein Leben zu führen, von dem andere nur träumen können. Die innere Belohnung ist für mich alle Schmerzen wert.“