Der Titel des Debüts verspricht Humor und Vielschichtigkeit: Flausen im Kopf & Flusen im Bauchnabel. Der Liedermacher MORITZ VON ESCHERSHEIM formuliert launige und pointierte Texte über den Alltag seiner Patchwork-Familie und das gesellschaftliche Umfeld. Musikalisch setzt er auf eine breite Instrumentierung und ein vielschichtiges Klangbild.
„Eigentlich mache ich Filmmusik oder – wie gerade jetzt – arbeite an einem Computerspiel“, erzählt MORITZ VON ESCHERSHEIM. „Das Liedermachen ist aktuell eher ein Hobby. Wirtschaftlich betrachtet zahle ich drauf, aber das ist nicht der richtige Blickwinkel. Es ist vor allem eine politische Sache und keine Entscheidung aus wirtschaftlichem Kalkül.“ Achtungserfolge kann der Sänger und Multi-Instrumentalist längst verbuchen: So gewann er den Peter Rohland-Singewettstreit (2024) für das beste politische Lied sowie den Preis für besten Gesang beim Brandenburger Pop-Wettbewerb „Local Heroes“ (2022). Musik spielte schon immer eine große Rolle in seinem Leben: „Schon als Kind war das eine große Sache für mich“, bestätigt MORITZ VON ESCHERSHEIM. „In unserem Treppenhaus in Frankfurt hatten wir eine wunderbare Akustik. Da habe ich auf dem Heimweg von der Schule gesungen. Mein Vater erzählte mir später, dass es meist traurige Melodien waren – offenbar war ich ein wenig düster. Aber ich erinnere mich auch daran, wie ich als kleiner Junge am Klavier saß und darin versank. Spielen konnte ich nicht wirklich, aber Klangwelten erschaffen. Wenn man nur die schwarzen Tasten spielt, klingt es cool. Mit elf Jahren habe ich dann angefangen, Gitarre zu spielen und dazu zu singen. Irgendwann kam Jazz hinzu, ich habe viel unterschiedliche Musik gehört. Zunächst war Musik mein absolutes Hobby, dann wurde sie zufällig mein Beruf.“
Eigentlich wollte er Gitarre studieren, doch ein Gespräch mit einem Jazz-Gitarristen hielt ihn davon ab: „Es war alles so technisch und auch ein bisschen arrogant. Ich wollte nicht acht Stunden täglich Gitarre spielen. Ich liebe sie, aber nicht so sehr. Dann traf ich zufällig einen Kollegen und rutschte in die Filmmusik hinein. Das Tolle daran ist, dass man machen kann, was man will. Jedes Genre steht einem offen, jede Instrumentenkombination – man muss sich nicht festlegen.“ Als Liedermacher genießt er auf seinem ersten Album Flausen im Kopf & Flusen im Bauchnabel ebenfalls diese Freiheit. „Damit nichts durcheinander gerät, habe ich den Künstlernamen MORITZ VON ESCHERSHEIM gewählt. Er soll für etwas Eigenes stehen, auch wenn meine Musik musikalisch eigentlich nichts Besonderes ist. Die Songs bedienen Genre-Klischees, sind aber wirklich gut geworden. Beim Hören denkt man nicht, dass man so etwas noch nie gehört hätte. Die Musik ist schließlich nur da, um die Texte in den Vordergrund zu stellen. Trotzdem war es mir wichtig, viele verschiedene Genres anzuzapfen, wodurch das Album sehr divers ausfällt.“
Die breite Instrumentierung ist kein Zufall, sondern Absicht. Lieder nur mit Gitarre und Gesang überlässt er anderen: „Das liegt an den Songs“, erklärt er. „Sie sind so geschrieben, dass sie mit mehreren Instrumenten einfach besser funktionieren. Da sind Breaks drin, Rhythmen und dieser Blues-Aspekt, der auf dem Album schön herausgekommen ist. Insgesamt steckt in den Songs dann doch mehr drin als nur Akkorde und Gesang. Ein Stück wie Landregen hätte ich auch einfach solo machen können – hatte ich sogar überlegt. Meine erste EP war musikalisch noch etwas weirder, aber sie spiegelte nicht wirklich wider, wie ich live bin. Deshalb ist das Album anders geworden. Es passt jetzt besser.“ Auch sein Künstlername hat eine tiefere Bedeutung: „Das war ein Tipp von einem Kollegen“, erzählt MORITZ VON ESCHERSHEIM. „Ich habe ein bisschen herumgefragt und bekam tolle Vorschläge. Die Verortung zu meiner Herkunft schien mir sinnvoll, aber Moritz von Frankfurt klang nicht gut. Moritz von Westend oder Moritz von Nordend wären möglich gewesen, weil die Eschersheimer Landstraße genau dazwischen verläuft. Doch was mir an Eschersheim gefällt, ist, dass es kaum
jemand verorten kann, es aber trotzdem skurril, Liedermacher-mäßig und irgendwie erhaben klingt. Mein Vater, der vor gut vier Wochen verstorben ist, hat 40 Jahre in der Eschersheimer Landstraße gewohnt.“
Mit der Zeit hat MORITZ VON ESCHERSHEIM an Reife und Umsicht gewonnen, was sich auch in seiner Sichtweise auf das Songwriting zeigt. Zur Frage, wie er das Verhältnis von Intuition und Planung beim Schreiben hält und woran er festmacht, dass ein Stück fertig ist, nennt er eine Analogie von Christof Stählin: „Eigentlich geht es darum, beim Apfelbaum zu stehen und den Apfel genau im richtigen Moment aufzufangen – wenn er reif ist, sich löst und von selbst herunterfällt. Dann bekommt er keine Dellen, weil er nicht auf den Boden fällt, und man vermeidet, dass er nicht schmeckt, weil man ihn zu früh gepflückt hat. Mit Songs ist es ähnlich: Je höher der Anspruch, desto schwieriger ist es, zu warten, bis sie sich von selbst ergeben.“ Die zehn Songs von Flausen im Kopf & Flusen im Bauchnabel überzeugen mit ihrer Mischung aus politischem Protest, zugespitzter Beobachtung und lockerer Lebensfreude. „Humor fällt mir sehr leicht“, sagt MORITZ VON ESCHERSHEIM. „Manchmal hilft er mir, Unsicherheiten zu überspielen und mich vor persönlichen Verletzungen zu schützen. In dieser Hinsicht habe ich noch eine Entwicklung vor mir – ich sollte die Dinge wohl ernster angehen, um mich selbst mehr zu zeigen. Man sieht es an meinem Online-Auftritt: Der ist noch ein wenig klamaukig, aber das fällt mir leicht. Alles andere hingegen schwer – also die Ernsthaftigkeit. Die muss ich mir erst noch erarbeiten. Als Künstler erfüllt man immer auch ein Rollenbild, das entweder nah an einem selbst ist oder weit davon entfernt sein kann.“
Entscheidend ist für ihn jedoch, dass er auf Deutsch singt und seine Lieder textlastige, humorvoll-intellektuelle Inhalte haben, die zum Liedermacher-Genre passen. Die Texte des Debüts spiegeln mal jugendliche Leichtigkeit, mal mehr Ernsthaftigkeit – doch über sich selbst lachen kann er immer: „Ja, vielleicht ist meine Haltung manchmal etwas pubertär“, überlegt er. „Und ein bisschen Größenwahn braucht man schon, wenn man auf eine Bühne tritt und meint, man hätte etwas zu sagen. Eigentlich hat das jeder, aber die Schwelle zu überschreiten, es wirklich auszusprechen – das ist etwas Besonderes. Der Spaß gehört bei mir immer dazu, aber manchmal auch die Lust am Zerstören – besonders, wenn ich live spiele.“ Auf die unvermeidliche Nachfrage führt MORITZ VON ESCHERSHEIM dazu weiter aus: „Manchmal verspüre ich diesen Drang, alles kaputtzumachen, wenn es zu gut läuft. Auf der Bühne hat man eine gewisse Macht – man könnte sich jederzeit stoppen oder eine völlig andere Richtung einschlagen. Mir liegt das Improvisieren. Früher war ich sehr undiszipliniert, konnte oft meine eigenen Texte nicht und habe dann frei improvisiert oder mich sogar mit dem Publikum angelegt. Das ist heute zum Glück anders. Ich bin rausgewachsen und weiß, dass ich dafür verantwortlich bin, eine richtig gute Show zu liefern. Wenn Leute reden, stört mich das nicht mehr – früher hat es mich noch genervt.“
Moritz von Eschersheim – klar melancholisch positive Songs
Photo credit: Mai Nguyen bzw. Marie Serfian