Gefühlt haben eigentlich schon alle große, erfolgreichen und Fan-starken Rock-Gruppen Alben mit Unterstützung eines großen Orchesters veröffentlicht. Im Falle von NEW MODEL ARMY war das noch nicht so, doch die Engländer ziehen nun nach. Die langjährige Weggefährtin und Gast-Violinistin Shir-Ran Yinon hat 21 Tracks aus der mehr als 40 Jahre andauernden Karriere des Quartetts für ein Orchester-Event arrangiert. Die Song-Auswahl überrascht insofern, als dass nicht alle vermeintlich obligatorischen Referenz-Nummern und Fan-Lieblinge gespielt werden. Der Mitschnitt des Konzerts vom 15. Juli 2022 mit dem „Sinfonia“ Leipzig Orchester unter der Leitung von Cornelius During lässt dennoch nichts zu wünschen übrig. Der Ansatz der Gruppe um Frontmann Justin Sullivan ist von jeher als allgemeingültig, tendenziell klassisch und zudem spirituell zu charakterisieren. Das bietet ideale Voraussetzung für eine sinfonische Umsetzung. Und genau so kommt es. Die Akustik im Berliner Tempodrom war toll. Die vier Musiker aus Großbritannien und das Sinfonie-Orchester lassen sich voll und ganz auf das gemeinsame Programm ein. Dass NEW MODEL ARMY gemeinhin eine Band zwischen Folk-, Post-, Punk-Rock sind, vergisst man beim Hören der unterhaltsamen Live-Platte schnell. Natürlich kennt man die Tracks und Refrains zumindest der ganz großen Hits der Gruppe. In der Inszenierung mit Orchester nimmt man das Material allerdings ganz anders wahr und entdeckt es neu. Im Kontext von „Sinfonia“ werden die Songs nicht bloß mit anderer Instrumentierung dargeboten. NEW MODEL ARMY und das Leipziger Sinfonie-Orchester haben die Stücke bewusst adaptiert und ihren Kontext sowie Bedeutungszusammenhang verändert. Das garantiert für Spannung und viele neue Eindrücke; klingt sogar besser als die letzten regulären Platten der Engländer.
(earMusic)
