Der sechste Longplayer des Quartetts ist zugleich der zweite ohne den früheren Frontmann Austin Carlile, der OF MICE & MEN 2009 gegründet hat. Bassist/Sänger Aaron Pauley & Co laufen in ihrer reduzierten Vierer-Besetzung neuerlich zu Hochform auf und zelebrieren ihren modern adressierten MetalCore. „Earthandsky“ stellt dabei die ungestüme, wütende Seite der Kalifornier heraus.
„All den Zuspruch, den wir erfahren, erkläre ich mir immer damit, dass die Leute unsere aufrichtige Musik schätzen“, erzählt ein gut gelaunter Aaron Pauley am Telefon. „Dazu kommt die harte Arbeit, die wir in die Band stecken. Damit meine ich das intensive Touren. Wir versuchen nach wie vor, so viele Shows pro Jahr wie möglich zu spielen und direkt zu den Leuten, die uns mögen, zu gehen. Natürlich spielt auch eine gehörige Portion Glück mit hinein. Es war uns vergönnt, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Die Band hat schon Mitte der 2000er Jahre die Art von MetalCore gespielt, die erst später ab 2010 so richtig populär geworden ist. Davon haben wir enorm profitiert. Ein besonderes Erfolgsgeheimnis neben harter Arbeit kann ich allerdings nicht lüften“.
…auch nicht im Abgleich von Fan-Perspektive von vor 2013 und den Insigths nach dem Einstieg: „Bevor ich ein aktiver Teil der Band geworden bin, habe ich meine Freunde, denn ich kenne die anderen schon ewig, vor allem hart arbeiten sehen“, erinnert sich der Bassist und Frontmann. „Sie sind immer fokussiert gewesen und haben auf die Ziele, die sie sich gesteckt haben, konsequent hin gearbeitet. Darüber hinaus sind sie talentierte, gute Musiker. Harte Arbeit und intensives Touren allein reichen oftmals natürlich nicht. Als ich dann gefragt wurde, ob ich mich ihnen anschließen möchte, habe ich keine Sekunde gezögert. Ich meine, sie waren und sind meine Freunde und ich liebe die Songs von OF MICE & MEN. Meine erste Tour war direkt die Hauptbühne der „Warped Tour“.
Wenn das kein Einstand nach Maß ist. Dazu kamen all die großen Festivals, die legendär sind und die jede Band spielen will. Innerhalb kürzester Zeit haben sich für mich fast alle meiner Träume als Musiker erfüllt. Seither hat es neben den vielen Höhepunkten natürlich auch Rückschläge gegeben. Alles andere wäre des Guten dann doch zu viel. Doch immer dann, wenn ich mich ein wenig zurück nehme, stelle ich fest, in welch privilegierter Position wir uns befinden. Mit „Earthandsky“ veröffentlichen wir bereits unser sechstes Album. Das sagt viel über diese Band aus, denn das schaffen nicht so viele. Dabei darf man nicht übersehen, dass wir uns nicht bloß wiederholen, sondern uns Album für Album neu erfinden. Wir ruhen nicht auf dem aus, was wir schon geschafft haben. Wir entdecken ein ums andere Mal neue, aufregende Aspekte. OF MICE & MEN ist für uns ein niemals endendes Abenteuer“.
Das Band-Dasein der Kalifornier ist durch einen ausgewogenen Mix aus Erfahrung, Professionalität und Leidenschaft bestimmt: „Wir haben uns eine gewisse Gelassenheit angeeignet, was den Wettbewerb mit anderen anbelangt“, bestätigt Aaron Pauley. „Von so etwas darf man sich nicht verrückt machen oder beeindrucken lassen. Letztlich geht es vielen Gruppen Jahr für Jahr nur noch darum, auf die großen Festival-Touren zu kommen oder attraktive Tour-Pakete zu schnüren. Viele Bands definieren sich auch über T-Shirt-Verkäufe und versuchen deren Absatz zu maximieren. Das treibt die skurrilsten Stilblüten. Wir für unseren Teil agieren inzwischen entspannter, was das alles anbelangt. Über die Jahre haben wir so viele Gruppen kommen und gehen gesehen. Wir sind immer noch da. Es geht uns nicht darum, aus den Fans und der Szene etwas heraus zu pressen, sondern die anderen Bands und die Szene zu unterstützen. Jede Band tut sich am Anfang ihrer Karriere schwer damit, vernünftige Tour-Angebote zu bekommen. Das ging uns nicht anders. Die Hilfe, die uns damals zuteil geworden ist, möchten wir heute zurückgeben. Deshalb helfen wir anderen, wo immer es geht. Meiner festen Überzeugung nach sollten die Bands nicht gegeneinander, sondern mit- und füreinander arbeiten. Das hilft am Ende allen und hält die Szene lebendig“.
Der Bassist stimmt jedoch zu, dass das professionelle Musiker-Dasein die Dinge verändert: „Das Wissen darum, dass die Band unseren Lebensunterhalt verdient, lässt uns bewusster und konzentrierter arbeiten. Das ist aber nicht bei allen Bands so. Wenn mich junge Leute fragen, was es ausmacht, ein professioneller Musiker zu sein, sage ich immer: sobald man anfängt, von den Einnahmen der Musik sein Essen und seine Miete zu bezahlen, verändert das unweigerlich die Beziehung zu ihr. Das bringt Druck und Verantwortung mit sich, den bzw. der man nicht erliegen darf. Kreativität lebt von ihrer Integrität und Lockerheit, die man für nichts und niemanden aufgeben darf. Andernfalls geht es nicht lange gut. Wenn man anfängt, darüber nachzudenken oder zu diskutieren, was die Leute wohl mögen, ist alles vorbei. Die Leute sind im Regelfall Fans einer Gruppe geworden, lange, bevor das Level der Vollzeit-Band erreicht ist. Sie hören Künstler, weil sie aufrichtige Musik schätzen. Fans haben ein feines Gespür dafür, ob sie im Inneren berührt werden, weil Bands aufrichtig sind und es ernst meinen, oder ob ihnen etwas vorgemacht wird. Das Wissen darum, hat innerhalb unserer Gruppe zu diesem besonderen Bewusstsein geführt“.
OF MICE & MEN sind in jeder Hinsicht eine reflektierte und aufeinander eingeschworene Band: „Wir befinden uns in der komfortablen Lage, dass wir uns voll und ganz aufeinander verlassen können“, freut sich der Bassist und Frontmann. „Ohne, dass wir darüber sprechen oder es einer sagen muss, wissen wir, wenn einer von uns strauchelt oder mit etwas hadert. Dann versuchen die anderen, zu helfen und ihn wieder aufzubauen. Um ehrlich zu sein, bin es meistens ich, der auf Tour regelmäßig einen Tiefpunkt erreicht und nicht mehr weitermachen will. In meinem Kopf male ich mir die komischsten Sachen aus und ziehe mich in mich zurück. Meine Band-Mitglieder erkennen das schnell, versuchen mich abzulenken und aufzubauen. Das funktioniert eigentlich immer gut und löst meine Anspannung“.
Die Kalifornier wissen zudem, dass sie sich pflegen und Pausen sein müssen: „Wir haben erkannt, dass es wichtig ist, sich Zeit zu nehmen, um sich und seine Motivation zu überprüfen“, erzählt Aaron Pauley. „Es wäre kein großes Problem, in regelmäßigen Abständen eine Single zu veröffentlichen und dann mehrere Monate zu touren. Doch wollen wir das? Wann immer wir zu Hause sind, hinterfragen und bewerten wir, was wir erreicht haben, sprechen über künftige Ziele und stellen uns die Sinnfrage. Ich finde es sehr wichtig, die Entwicklung der Band von Zeit zu Zeit kritisch zu überprüfen. Nicht immer läuft alles reibungslos. Nicht immer entwickelt man sich zum Besseren. Das muss man möglichst objektiv analysieren und die richtigen Schlüsse ziehen. Wir nehmen uns die Zeit dafür und tun das.“ Das Erscheinen von „Earthandsky“ beweist, dass bei OF MICE & MEN für den Moment alles in Ordnung ist:
„Mit der Arbeit am neuen Album haben wir acht oder neun Monate nach dem Erscheinen von „Defy“ begonnen“, so der Kalifornier. „Neue Musik schreiben wir aber kontinuierlich. Wann immer ein neues Album auf den Markt kommt, sind die Songs für uns fast schon wieder alt, denn wir kennen sie bereits seit Monaten. Songs sind für uns Schnappschüsse unseres Lebens, das jeden Tag voran schreitet. Alben repräsentieren deshalb immer nur das, was uns zum Zeitpunkt der Erstellung beschäftigt hat. Waren das gute Zeiten, klingt die Musik ausgewogen, melodisch und schön. Waren sie hingegen schlecht, geht es hart und dunkel zu. Meinem Verständnis nach besteht unser Job darin, die Welt, wie wir sie erleben, zu spiegeln. Als Künstler setzt man das um, was man erlebt und teilt es mit seinem Publikum. Aus diesem Grund klingen unsere Alben auch so unterschiedlich. Dass mit „Earthandsky“ wieder ein heftiges Album erscheint, liegt allerdings auch daran, dass wir unseren Live-Sound im Studio reproduzieren wollten. Wenn wir gemeinsam auf der Bühne stehen, entwickelt sich ein besonderer Groove. Nach diesem haben wir gesucht“. Apropos Live-Sound, OF MICE & MEN haben sich kürzlich vor Ort Inspiration geholt:
„Zuletzt haben wir nach einer großen Tour absichtlich kleinere Clubs gebucht, in denen wir seit fünf oder sechs Jahren nicht mehr gespielt haben“, erzählt Aaron Pauley. „Die Shows waren unglaublich und verdammt intensiv. Wir haben uns daran erinnert, wann wir zum letzten Mal dort gewesen sind, und es war wieder genauso aufregend, dort zu spielen. Das hat uns gezeigt, dass wir immer noch mit Leidenschaft bei der Sache sind und dass exakt das es ist, was wir tun wollen. Mir ist es wichtig, die Gesichter im Publikum zu erkennen. Wir wollen die Reaktionen sehen und das geht nur dann, wenn man nah beieinander ist“.