Von Byron Bay in die weite Welt: Seit ihrer Gründung im Jahr 2003 hat sich der Aktionsradius des Quintetts stetig vergrößert. PARKWAY DRIVE sind mittlerweile die größte moderne Heavy-Band Australiens und gehören auch im globalen Kontext zu den Top-Riege des MetalCore. Ihr Erfolgsgeheimnis? Spaß, Leidenschaft und unstillbarer Hunger.
In ihrer Heimat hat die Gruppe anlässlich ihres 20-jährigen Jubiläums gerade eine Monster-Tour absolviert. In den kommenden Monaten werden die Musiker auch international unterwegs sein, um die letzten zwei Dekaden mit ihren Fans Revue passieren zu lassen und adäquat zu feiern. Im Gespräch mit Frontmann Winston McCall ging es aber zunächst um die Anfänge der Band: „Als wir mit PARKWAY DRIVE gestartet sind, existierte die Bezeichnung MetalCore noch gar nicht“, so der Sänger. „Sicherlich gab es in den 1990er Jahren und den 2000ern in der Hardcore-Szene zunehmend einen metallischeren Ton, der Bands wie Hatebreed, Poison The Well oder Killswitch Engage zu Popularität verholfen hat, doch damals hat man noch von metallischen Einflüssen und noch nicht von MetalCore gesprochen. Das kam erst später, auch wenn die genannten Gruppen zweifelsohne ebenfalls von der schwedischen Melo-Death-Szene und In Flames oder At The Gates beeinflusst worden sind. Über Jahre hinweg war das Ergebnis immer noch eng mit dem Hardcore und der damit zu assoziierenden Szene und Ethik verbunden. Etwa zu dieser Zeit haben wir angefangen und uns genau von diesen Bands beeinflussen lassen. Unsere vorherigen Gruppen sind noch reine Hardcore-Gruppen gewesen. Mit PARKWAY DRIVE wollten wir etwas versuchen, das musikalisch herausfordernder und musikalisch heftiger war als das davor. Die Szene in Australien war noch klein und überschaubar. Egal, ob Metal-, Punk- oder Hardcore-Bands spielten, mehr als 300 Leute kamen nie zu den Shows und das waren dann die mit Abstand größten. Wir wären schon damit zufrieden gewesen, ein paar lokale Gigs zu spielen und haben nicht einmal im Ansatz vorhersehen können, dass MetalCore das große Ding werden würde und wie weit wir es bringen würden. Für die Vertreter der New Wave Of British Heavy Metal muss es einst so ähnlich gewesen sein. Sie waren zunächst regional auf ihrer Insel aktiv und dann nahm plötzlich die ganze Welt Notiz von ihnen. Als es mit der Band so massiv wurde, hat uns das jedenfalls den Boden unter den Füßen weggezogen. Abgesehen von AC/DC sind PARKWAY DRIVE heute wahrscheinlich die größte aktive Band Australiens – und das über alle Musik-Genres hinweg. Es ist einfach nur verrückt, dass es so weit gekommen ist. Über die Jahre sind unsere Shows immer größer geworden. Anfangs waren es immer nur die Leute der Hardcore- und MetalCore-Sparte. Inzwischen kommen Zehntausende zu unseren Konzerten in die größten Arenen des Landes. Glücklicherweise verlief der Prozess langsam, so dass wir uns daran gewöhnen konnten und das nicht von jetzt auf gleich passiert ist. Immer wenn wir dachten, wir hätten unsere natürliche Grenze erreicht, passierte der nächste Entwicklungsschritt. Und obwohl wir unseren Sound zwischenzeitlich verändert haben, sind die Hörer nicht weniger, sondern stetig mehr geworden. Bislang haben wir nicht einmal eine kleine Delle erlebt, in der die Leute unsere Musik als nicht mehr cool oder zeitgemäß gesehen hätten. 20 Jahre nach unserer Gründung sind wir immer noch da und das größer denn je. Wir haben keinen Grund, uns zu beschweren.“
Die Erfolgsformel
Brachiale Musik und Erfolg in der Breite schließen sich nicht aus. PARKWAY DRIVE beweisen es. Die letzten drei Alben des Quintetts – „Ire“ (2015), „Reverence“ (2018) und „Darker Still“ (2022) – haben es Down Under jeweils auf den ersten Platz der Verkaufs-Charts geschafft: „Das ist ein interessanter Punkt, weil es harte Bands seit den Tagen des NuMetal nur vereinzelt in die Spitze der Charts gebracht haben“, nimmt Winston den Gedanken auf. „MetalCore im Großen und der Sound von PARKWAY DRIVE im Kleinen muten auf den ersten Blick hin eigentlich ein bisschen zu schwer für echten kommerziellen Erfolg an. Doch hier hilft uns unsere Band-Geschichte. Wir haben uns immer an unsere Live-Show angelehnt und mit unserer Performance überzeugt, haben überall, bei jeder sich bietenden Gelegenheit und vor jedem gespielt. Das tun wir seit 20 Jahren und sind über diesen Zeitraum langsam gewachsen und größer geworden. Für unser Songwriting haben wir ganz bewusst das Feedback und die Energie der Zuschauer aufgenommen und mit unseren Songs Lösungen gefunden, beides wieder an die Hörer zurück zu geben. Das ist ein sich selbst befeuernder Kreislauf, der Wachstum fördert und eine tiefe Verbindung zwischen uns als Band und unserem Publikum schafft. Nicht zuletzt hilft uns der Rückkopplungsprozess dabei, die Dinge sowohl für uns als auch für die Hörerschaft frisch und aufregend zu halten. An einer Sache kommt man aber weiterhin nicht vorbei: Man muss spielen, spielen, spielen und zu den Leuten gehen, die einen unterstützen. Wir verstehen die Band als eine niemals endende Reise, um mit unseren Songs die Energie und Intensität zu vermitteln, die in unserer Musik steckt. Man muss sich darauf einlassen und verstehen, dass die Effekte additiv sind und weiteres Wachstum befeuern. Die Grundlage von allem ist natürlich, dass wir das, was wir tun, lieben. Es wäre sehr einfach, zu stoppen, wenn es keinen Spaß mehr machen würde. Doch PARKWAY DRIVE ist immer noch unsere Leidenschaft. Dabei gefällt es mir sehr, dass wir uns heute in einem viel offeneren öffentlichen musikalischen Umfeld bewegen. Die Menschen sind heutzutage viel aufgeschlossener, was für sie neuartige und auch heftige Klänge anbelangt. Selbst im Metal ist das frühere Spartendenken aufgebrochen. Man kann inzwischen Thrash spielen, ohne wie eine Thrash-Band auszusehen. Das eröffnet Künstlern, die es ernst meinen, ganz neue Möglichkeiten.“ Der Frontmann und seine Band-Kollegen sind eher zufällig in ihre Weltkarriere gestolpert: „Es hat sehr lange gedauert, zu realisieren, dass PARKWAY DRIVE unser Leben sein wird. Auch wenn sich die Dinge langsam aber sicher positiv entwickelt haben, gab es natürlich auch etliche Rückschläge. Erst nach etwa zehn Jahren haben wir akzeptiert, dass die Band nicht so schnell zu Ende sein würde und wir sie nicht mehr stoppen können. Eines hat sich aber bis heute nicht verändert: Wir spielen jede Show so, als wäre sie unsere letzte. Diese Einstellung führt zu einer Ehrlichkeit, die uns auf der Bühne unser Bestes geben lässt.“ An der Erkenntnis, dass Winston & Co. mit ihrer Gruppe viel erreicht haben, kamen sie irgendwann nicht mehr vorbei: „Es gab eine neue Riege an Bands in Australien, die uns gesagt haben, dass wir der Grund sind, warum sie ihre Gruppe gestartet haben und wir die erste Band waren, die sie je gesehen haben. Unser 2007er „Horizons“ ist ein Album, das unglaublich viele Musiker inspiriert hat – nicht nur in Australien und Neuseeland. Auch unsere Tour-DVDs haben bei vielen einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Plötzlich war uns klar, dass PARKWAY DRIVE einen tief sitzenden Einfluss auf mehrere Musiker-Generationen ausüben. Das zu anzuerkennen, fällt schwerer, als es klingt. Auch deshalb musste die Erkenntnis über zehn Jahre und die Hälfte unserer bisherigen Karriere reifen. Seither hat sich unsere Einstellung weg von Skepsis und der Frage, wann unser Traum vorbei ist, hin zu der Ambition verschoben, das wir herausfinden wollen, wie weit wir es bringen können. Der Wandel war auf „Ire“ deutlich zu spüren, denn seither vertrauen wir unserer Vision, unserem Urteilsvermögen und unserer Arbeitsethik vorbehaltlos.“
Lernen, Anpassen, Wachsen
Seit die Australier ihre Karriere bewusst vorantreiben und professionalisiert haben, sind die Live-Produktionen und Shows nicht nur immer größer, sondern auch spektakulärer geworden. Den vorläufigen Höhepunkt stellt die Jubiläums-Tour dar, mit der PARKWAY DRIVE 2025 auch nach Europa kommen werden: „Ja, das geht ebenfalls auf diesen Aha-Effekt vor etwa zehn Jahren zurück“, bestätigt Winston die Vermutung. „Je größer die Shows wurden, desto mehr Leute sind daran beteiligt und desto mehr Verantwortung trägt man. Als Fans haben wir zunächst anderen Bands zugeschaut und studiert, wie sie ihre Shows und Touren aufziehen. Die gewonnenen Eindrücke haben wir analysiert und geschaut, was zu uns passt und sich adaptieren lässt. Man muss verstehen, was warum funktioniert und die eigene Show bereichern kann. Was uns passend und schlüssig erschien, haben wir übernommen. Auch hier stimmte das Timing wieder perfekt, weil wir erst in dieser Phase größer wurden und längere Shows sowie erstmals die großen Festivals und Stadien gespielt haben. Als wir die renommierten Arenen der großen Städten in Australien eroberten, waren wir vorbereitet. Wenn du die Möglichkeit erhälst, über deinen kleinen Kosmos hinaus zu wirken und mehr zu kreieren, musst du diese Chance am Schopf packen. Die Leute würdigen es, wenn man Visuals verwendet, eine besondere Atmosphäre aufbaut und ein einzigartiges Live-Umfeld schafft. All das wollen wir tun, denn wir sind vor allem eine Live-Band, die die Leute unterhalten und begeistern will. Als Künstler steht man in der Pflicht, den Rahmen vorzugeben, in welchem deine Musik aufgenommen werden soll. Das tun wir, denn das beeinflusst die Art und Weise, wie unsere Musik wirkt. Alle Facetten der Show zahlen auf die Wirkung ein und bereichern den Auftritt. Im Rückblick kann ich sagen, dass ich mich all die Jahre auf die großen Shows vorbereitet habe, die wir heute spielen. Das wusste ich allerdings nicht, es ist mir erst kürzlich klar geworden. Die Tour zu unserem 20-jährigen Jubiläum ist die größte, die wir je gemacht haben – in jedem Sinne des Wortes. Unser Ziel ist es, PARKWAY DRIVE zu feiern, aber auch unsere Fans. In diesem riesigen Rahmen ist das eine sehr große Sache, denn wir haben einst klein und persönlich angefangen. Es ist absolut verrückt, passt und repräsentiert unsere Gruppe aber dennoch gut. Bei der Planung haben wir darauf geachtet, die Leute die volle Zeit über eng an den Fortgang der Show zu binden. Am Ende sollen sie so überwältigt sein, dass sie zunächst nicht in Worte fassen können, was sie gerade erlebt haben. Die Reaktionen auf unsere jüngsten Auftritte zeigen mir, dass wir dieses Ziel erreicht haben. Was genau passiert, ist schwer zu verstehen, wenn man diese Dinge nicht selbst live erlebt. Die Jubiläums-Show beinhaltet alles, was wir an PARKWAY DRIVE lieben. Wir haben 20 Jahre gebraucht, um diese Musik zu kreieren, uns diese Bühnenpräsenz anzueignen und dieses einzigartige Show-Programm auf die Beine zu stellen. Alles kommt auf eine Art und Weise zusammen, die Sinn ergibt. Es ist keine nostalgische Show, aber auch keine, bei der Fans irgendetwas vermissen werden. Trotz der Größe der Produktion wirkt alles nach wie vor nahbar und persönlich. Deshalb sage ich, dass alles sinnvoll zusammenfindet.“ Es gibt Spezialeffekte, Fotos und Footage aus der gesamten Karriere der australischen Gruppe und einen stimmigen Mix an Songs aus allen Schaffensphasen: „Besonders wird es vor allem dadurch, wie all das zusammengelegt und wie das Ganze kuriert wird“, erklärt Winston. „Und der letzte Teil des Shows ist ein wirkliches Finale. Es war uns wichtig, dass der Blick in unsere Vergangenheit nicht dominiert, sondern wir gemeinsam erwartungsfroh in unsere Zukunft schauen. Es gibt keine vergleichbare PARKWAY DRIVE-Erfahrung. Das ist die beste Show, die wir je gemacht haben. Alles vorherige ist nicht einmal nah dran gewesen. Das ist alles, was ich sagen kann.“
Von Fans zu Legenden
Wie es für die Band künftig weitergehen und noch besser werden kann, weiß der Shouter schon, denn es geht weiter, wie gehabt: „Mit harter Arbeit. Natürlich ist das eine enorme Herausforderung, doch das war diese Band schon immer. Als wir mit dieser Gruppe angefangen haben, wussten wir noch nicht, wie wir diese Musik spielen müssen. Wir haben die nötige Zeit und Arbeit investiert und es herausgefunden. So sind wir auch alle anderen Themen angegangen und damit stetig gewachsen. Die Verbindung der einzelnen Mitglieder untereinander und zu dieser Band ist stark. Niemand sonst auf diesem Planeten hat intensivere Erfahrungen und ein besseres Verständnis dafür, was PARKWAY DRIVE auszeichnet. Wir kümmern uns sehr intensiv um alle Belange rund um diese Gruppe, haben aber nie das Gefühl, dass es genug ist. Für uns gibt es einfach keinen Punkt, an dem es jemals genug sein wird. Doch wir sehen auch, dass die harte Arbeit etwas bringt. Jedes Mal, wenn wir spielen, kommen mehr Leute zu unseren Shows und nehmen sich die Zeit, sich mit uns zu beschäftigen. Auch deshalb ist für uns jeder einzelne Auftritt speziell. Denn wir wollen nicht nur so gehört werden und Zeitvertreib sein. PARKWAY DRIVE sollen etwas sein, das die Leute wertschätzen und dem sie bewusst ihre Zeit widmen, weil wir ihnen etwas geben, was sie woanders nicht finden.“ Die Australier sind darauf aus, einen nachhaltigen Eindruck zu hinterlassen. Ihr Einfluss auf jüngere Hörer- und Musiker-Generationen kam bereits kurz zur Sprache, die Bedeutung für die MetalCore-Sparte kann nicht hoch genug angesetzt werden: „Es ist schon verrückt, was wir anderen bedeuten“, überlegt Winston. „Jeder geht irgendwann auf seine erste Show, kauft sein erstes Album oder wird zum ersten Mal Fan einer Band. So ist es mir als Teenager selbst ergangen. Inzwischen sind wir eine Band, die für andere diese wichtige Rolle einnimmt. Das fühlt sich für mich aber weiterhin komisch an, auch wenn ich gerade in der australischen Szene davor nicht die Augen schließen kann. Realistisch betrachtet, sind wir für vieles verantwortlich, was heute für andere möglich ist. Ich bin sehr stolz, dass wir die Voraussetzungen für nachfolgende Bands verbessern konnten. Die Gruppen, die ich hier anspreche, sind längst auch unsere Freunde, denn gerade in Australien sind wir mit quasi jeder Band getourt, die nicht nur kurze Zeit besteht, sondern es ernst meint. Im Laufe der Jahre haben mir viele Musiker erzählt, dass ihr erster Gig überhaupt eine Show von PARKWAY DRIVE gewesen ist. Das erfüllt mich mit Stolz, aber auch mit Demut. Nach 20 Jahren ist es inzwischen manchmal schon so, dass Kids Bands gut finden, die von uns beeinflusst sind, sie PARKWAY DRIVE aber nicht kennen. So läuft es nun einmal. The Amity Affliction und wir sind schon so lange aktiv, dass wir inzwischen so etwas wie die Großeltern der Szene sind. Längst gibt es eine neue Generation an Bands und Kids, die ihr eigenes Ding durchziehen. Wichtig ist, dass es weitergeht. Von den Gruppen, die mich einst beeinflusst haben, kennt man allenfalls noch I Killed The Prom Queen, Mindsnare und Day Of Contempt aber wohl längst nicht mehr. Vor Jahren gab es eine ganze Generation von Gruppen, die wie PARKWAY DRIVE-Klone klangen. Diese Phase ist glücklicherweise überstanden. Eine australische Band, die ihren eigenen Sound etabliert hat, ist beispielsweise Northlane. Natürlich imitiert man zu Beginn seiner Karriere populäre Sachen, die man mag, doch dann gilt es, einen eigenen Weg zu finden. Was die Szene in Australien auszeichnet, ist die sehr hohe Qualität. Es gibt aktuell nur wenige Gruppen, die in die genau gleiche Richtung gehen. Das ist eine wirklich coole Sache. Deshalb ist die Szene so stark.“ Für Furore haben zuletzt vor allem Speed gesorgt: „Ich liebe sie!“, zeigt sich Winston begeistert. „Sie sind so krass. Es ist einfach großartig, zu sehen, was sie auf die Beine stellen. Man kann es sich nicht so einfach machen, sie auf eine Merauder-Kopie zu reduzieren, doch Speed bringen definitiv ihren eigenen Blickwinkel mit. Deshalb macht es so viel Freude, ihnen zuzusehen.“
Am Puls des modernen Metal
International sieht die Sache derzeit ebenfalls gut aus. Neben PARKWAY DRIVE gibt es weitere Acts, die als Advokaten für brachiale Klänge verstanden werden können und Aufmerksamkeit auf die Heavy-Sparte ziehen: „An vorderster Front stehen für mich Spiritbox, Sleep Token und Knocked Loose“, zeigt sich der Shouter überzeugt. „Diese drei Gruppen sind gut und in vieler Munde. Es hat seine Gründe, dass sie so populär sind. Ihre individuelle Identität spürt man sofort. Ihr Songwriting ist von hoher Qualität. Kreativ versuchen die Genannten, neue Wege zu gehen und sich von dem abzusetzen, was die Masse tut. Ein Teil des Erfolgs resultiert sicherlich auch daher, dass es in ihren Stücken neben den harten auch eingängige Momente gibt. Leuten, die extremen Metal hören, sind sie wohl zu sanft, aber sie eröffnen vielen anderen Hörern den Weg zu Rock und Metal. Dass Knocked Loose so populär geworden sind, ist für mich nach wie vor ein Wunder, denn sie sind so verdammt kompromisslos. Das sind die drei wichtigen angesagten Acts, die viel für die Szene tun. Ich finde es wichtig, zu analysieren, warum bestimmte Bands explodieren, denn davon kann man lernen. Um ehrlich zu sein, habe ich aber bis heute nicht ganz nachvollziehen können, warum das bei Bring Me The Horizon, Architects und uns so gut geklappt hat. Für die Gruppen unserer Generation hat es allerdings bis zum zweiten, dritten oder vierten Album gedauert, bis wir an den Punkt gelangt waren, den Spiritbox, Sleep Token und Knocked Loose viel früher erreicht haben. Es freut mich für sie. Zugleich sehe ich, dass intensives Touring auch für sie die Grundlage ihres Erfolgs ist.“ Bezogen auf seine eigene Band sieht der Frontmann folgenden Schlüssel zum Verständnis der Popularität: „Die Charaktere und Persönlichkeiten von uns als Menschen sind wichtiger als der Sound oder die Szene-Zugehörigkeit“, meint Winston. „Die ersten zehn Jahre unserer Band-Karriere haben wir versucht, zu verstehen, was uns wichtig ist. Erst, als wir uns darüber klar waren, konnten wir daran arbeiten, auf unserem eigenen Terrain gut zu werden und das Beste aus uns heraus zu holen. Der Ausgangspunkt war letztlich, dass wir eine gemeinsame Sicht entwickelt und uns nicht davor gescheut haben, unseren Sound zu adaptieren. Nachdem wir verstanden hatten, wo unsere Stärken liegen, haben wir nach Möglichkeiten zur Weiterentwicklung gesucht, ohne das aufzugeben, was wir an unserer Band lieben und was PARKWAY DRIVE auszeichnet. PARKWAY DRIVE sind nun einmal diese fünf Leute, von denen jeder einen bestimmten Sound favorisiert. Jeder bringt seine individuelle Expertise, aber eigenen Vorstellungen ein. Das perfekte Zusammenspiel herauszuarbeiten, ist ein magischer Prozess, und natürlich soll sich jeder von uns im Ergebnis wiederfinden und wollen wir die unterschiedlichen Perspektiven berücksichtigen.“ Der Austausch über Erwartungen, Gefühle und Ziele ist wichtig. Gerade angesichts der Tatsache, dass sich das Quintett 2022 eine Auszeit mehrerer Monate nahm, um das zwischenmenschliche Binnenverhältnis aufzuräumen und die ereignisreichen Bandjahre seit 2003 aufzuarbeiten: „Ja, unbedingt“, erwidert der australische Sänger. „Die Probleme haben sich über einen Zeitraum von etwa fünf Jahren angekündigt, doch wir wussten zunächst nicht, wie wir mit ihnen umgehen sollten. Also haben wir eine ganze Zeit lang unverändert weitergemacht, wodurch alles noch schlimmer geworden ist. Weil wir die Kontrolle nicht verlieren wollten, konnten wir nicht loslassen. Es ging schließlich um das, was wir alle von Herzen lieben – unsere Band, die wir über Jahre aufgebaut haben. Dass wir dafür einen hohen mentalen Preis gezahlt haben, konnten wir uns nur langsam eingestehen. Als es tatsächlich nicht mehr weiterging, haben wir uns dann endlich zum Handeln entschlossen. Stark verkürzt liegt der Schlüssel darin, untereinander viel offener und besser zu kommunizieren. Man muss sich über seine Empfindungen und das austauschen, was es heißt, Teil einer Band wie PARKWAY DRIVE zu sein. Es gab viele Dinge, über die wir in all den Jahren nie wirklich gesprochen haben. Das haben wir nachgeholt – spät, aber nicht zu spät. Ergibt das Sinn? Die Band bedeutet uns allen unglaublich viel, bestimmt aber zugleich auch unsere Leben auf eine Art und Weise, die Nicht-Musiker nicht nachvollziehen können. Sich erst nach 17 Jahren zu fragen, was all das mit uns angestellt hat, ist verrückt. Die Beschäftigung mit uns selbst war überfällig und hat es uns ermöglicht, uns weiter zu verbessern und uns zu vervollständigen. Das Ergebnis war persönliches Wachstum und das gemeinsame Wachstum als Band.“
Zurück mit klarem Kopf
Mit der Veröffentlichung von „Darker Still“ sind die Australier zuletzt wieder zum eingespielten Rhythmus zurückgekehrt, geben seither allerdings mehr aufeinander Acht: „Wir konnten nicht einfach sagen, dass wir so weitermachen, als sei nichts gewesen. Es geht ja nicht nur um die fünf Leute unserer Band. Das ist der kleinste Teil. Die Crew, mit der wir touren, umfasst annähernd 100 Menschen, für die wir Verantwortung tragen. Auch sie sind davon abhängig, wie gut es uns geht, und wir wollen einen positiven Einfluss auf die Menschen ausüben, mit denen wir zusammen arbeiten. Sie sollen das Gefühl haben und wissen, dass sie ihre Zeit sinnvoll aufwenden und ihr Beitrag wertvoll ist. Wenn etwas fehlt, sprechen wir darüber. Nur durch ehrliche Kommunikation kann man sich seine mentale Gesundheit bewahren.“ In der Core-verwandten Szene herrscht durchaus ein hohes Bewusstsein für den Wert einer gesunden Psyche vor. Doch nur wenige Gruppen sind so konsequent wie PARKWAY DRIVE und legen eine Pause ein, wenn dies nötig ist: „Weil wir uns in 17 Jahren eine komfortable Position erarbeitet haben, konnten wir uns diesen Luxus erlauben“, gibt Winston zu bedenken. „Bands, die weniger erfolgreich sind, können das nicht tun oder müssen ihrer schlechten mentalen Verfassung Tribut zollen. Es ist brutal, wenn sich Lebensträume zerschlagen, aber das Leben ist im Zweifel wichtiger als die Musik. Glücklicherweise gibt es heute das Bewusstsein für psychische Probleme und viele Hilfsangebote – sogar kostenlose. Für mich ist es kein Zeichen von Schwäche, wenn man sich zurückzieht und sich um sich selbst kümmert. Eine erfolgreiche Karriere ist nur dann möglich, wenn man sich mit sich im Einklang befindet. Mit Social Media und dem Überangebot an allem ist es schon schwer genug, selbst wenn man gesund ist und sich gut fühlt. Sobald du etwas erreichst, wird jemand da sein, der es von dir missgönnt und nehmen will. So ist es in der heutigen Zeit. Wer Schwäche zeigt, wird angegriffen. Das ist eine wirklich traurige Entwicklung, mit der man arrangieren muss, wenn man in der Öffentlichkeit steht. Wer noch dabei ist, seinen Platz zu definieren, ist in seinen Entscheidungen weniger frei als wir es waren, die in einer ganz anderen Phase unserer Karriere steckten. Ausgehend von unseren Erfahrungen kann ich nur empfehlen, mentale Probleme nicht auf die leichte Schulter zu nehmen und innerhalb der Band einen offenen Dialog darüber zu führen. Damit darf man nicht so lange warten, bis nichts mehr geht. Kommunikation ist der Schlüssel. PARKWAY DRIVE sind heute eine viel stärkere Einheit. Das ist wirklich cool, zumal wir uns auch den Spaß an der Sache bewahrt haben. Sonst würde es nicht weitergehen, denn Spaß ist der Kern von allem und ermöglicht es uns, uns immer wieder neuen Herausforderungen zu stellen.“
Kreative Freiheit und neue Ansätze
Auf neues Material und kreative Herausforderungen angesprochen, zeigt sich der Frontmann aktuell noch kryptisch und zurückhaltend: „In unserem Camp ist einiges los“, so Winston. „Darüber hinaus möchte ich aber noch nichts verraten. Vielleicht so viel: Wir arbeiten an der nächsten Stufe unserer Karriere und sind gerade dabei, die Rahmenbedingungen zu klären. Dabei geht es um die Art und Weise, wie wir das, was wir kreieren, unter die Leute bringen. Weil wir in einer Zeit leben, in der technologisch vieles möglich ist, ist das keine triviale Entscheidung. Das Konsumverhalten der Menschen ist heute anders als noch vor zehn Jahren. Natürlich könnte man einfach weiter ein Album nach dem anderen schreiben und veröffentlichen, aber ich frage mich, ob das die beste Lösung für uns ist. Als Künstler möchte man immer auch die passende Präsentationsform wählen, um möglichst viele Leute zu erreichen. Deshalb schaue ich mich um und frage mich, ob die Leute weiterhin alles auf einmal konsumieren wollen, oder ob sie unsere Songs in einem anderem Rhythmus entdecken wollen. Alles ändert sich so schnell und ist ungewiss.“ Was PARKWAY DRIVE tun werden, ist aber noch nicht beschlossen: „Ich kann noch nicht sagen, was wir tun werden“, äußert der Shouter. „Bestätigen möchte ich nur, dass wir an neuen Tracks arbeiten. Nach 20 Jahren nehmen wir uns die Zeit, die nötig ist, um sicherzustellen, dass neues Material von uns wirklich gut ist. Wir lassen uns nicht unter Druck setzen und huschen die Dinge schnell hin, nur weil es eine Deadline gibt. Die Leute erinnern sich an Qualität. Und die wollen wir liefern. Ein Albums-Zyklus ist eine vertraute Sache, die man sich vorstellen und gut füllen kann. Dabei versucht man, zehn bis zwölf Songs zu kreieren, die dich für zwei oder drei Jahre repräsentieren. Fängt man hingegen an, zu schreiben, weil man nur ein paar Songs erschaffem will, dann verändert sich der Kontext und man ist kreativ freier. Auch das hat seinen Reiz. Das kann einen großen Unterschied machen.“