Wann immer neue Songs oder Veröffentlichungen der Künstlerin aus Los Angeles erscheinen, ist eines gewiss: Es wird spannend. Die Frequenz des Outputs von POPPY ist ebenso beachtlich wie die kreative Spannbreite, die sich nicht fassen lässt. „Negative Spaces“ ist in Teilen heftiger als sein direkter Vorgänger, in Teilen aber auch poppiger.
Nach der Maxime ihres Schaffens befragt, äußert die umtriebige US-Amerikanerin: „Mach, was du machen willst, und lass den Lärm verstummen.“ Angesichts der ruppigen MetalCore-Strophen etlicher Tracks überrascht der letzte Teilsatz. Oder ist gemeint, dass die Leute aus Erstaunen ruhig werden und sich voll und ganz auf die experimentierfreudige Kreativität von POPPY einlassen? Dann wäre es nachvollziehbar: „Es klingt nach allem auf einmal“, so die Künstlerin. „Was die Leute gegebenenfalls erwarten, weiß ich nicht, weil ich sie nicht frage. Ich mache einfach das, was ich von mir selbst hören und sehen möchte.“ Die Inszenierung neben der bloßen Musik ist ein weiterer bedeutender Wirkungsraum, den POPPY bespielt und kontinuierlich austestet: „Meine Beziehung zur Musik und Kunst insgesamt hat sich im Zeitverlauf verändert und entwickelt sich ständig weiter. An die Wahrnehmung der Leute kann und möchte ich dabei nicht denken, denn das würde mich kreativ bremsen. Ich versuche, das Konzept der Rezeption zu vergessen. Wahrgenommen zu werden, ist für mich als Künstlerin unangenehm.“
Wer in die Öffentlichkeit drängt und auffällt, wird wahrgenommen und bewertet – ob man das nun will oder nicht. Vor dem Hintergrund der beständigen Veränderung und Neudeutung des eigenen Auftritts kann sich POPPY dem nicht entziehen. Kontrolle hat sie indes darüber, wie weit sie es mit ihrer Experimentierfreude treiben kann: „Dafür braucht man Selbstkritik und muss sich selbst gegenüber ehrlich sein“, weiß die kalifornische Sängerin. „Man muss verstehen und anerkennen, was man bereits gut kann und woran man weiter arbeiten kann, um sich weiter zu entwickeln.“ Konventionen bricht die Künstlerin dabei nicht zum Selbstzweck: „Bei jedem Album gibt es ein paar Songs, bei denen ich das Gefühl habe, dass sie Grenzen überschreiten, aber vieles davon ist auch nur gefühlt“, äußert sie. „Was der Hörer als Grenzüberschreitung empfindet, kann sich von dem unterscheiden, wie ich es erlebe. Es fällt mir schwer, das, was ich mache, gründlich zu erklären, weil ich es nicht für jemand anderen verwässern will. Zur Wahrheit gehört aber, dass ich es manchmal selbst noch nicht ganz verstanden habe. Letztlich verfolge ich meine Interessen. Und wo immer mich das hinführt, werden sie dort von mir hören.“ Die Sicht auf den neuen Longplayer „Negative Spaces“ verdeutlicht, was die Sängerin damit meint:
„Ich sehe dieses Album als sehr farbenfroh an. In dieser Hinsicht ist es ein typisches POPPY-Album. Es ist nicht nur eine Richtung und eingeschränkt, sondern alles auf einmal.“ Dem Grunde nach bekommt man es mit einer weiteren Platte der Extreme zu tun, auf der sich Elemente zwischen Heavy Metal, Industrial, Elektro, MetalCore und Alternative Rock sowie Dark-Pop miteinander verbinden. Die Mischung aus hart und zart lässt fordernde, aber zugleich auch eingängige Songs entstehen: „Ist die Kombination aus beidem beliebt?“, fragt POPPY. „Das kann ich nicht sagen. Jedenfalls mache ich so etwas schon eine Weile. Das ist keine bewusste Entscheidung. Ich mag Pop-Pusik und singe Lieder, die ich mag, gerne mit. Gleichfalls schätze ich auch Gitarren-Musik. Wenn die Leute es fühlen und verstehen, wippen sie dazu mit dem Kopf mit. Es scheint mir, dass ich ein inneres Gefühl dafür habe, was ich für veröffentlichungswürdig halte. Musik zu machen, die nur eine ausgewählte Gruppe von Menschen versteht, ist langweilig.“ Die diesjährigen Gast-Features für Bad Omens und Knocked Loose sind aufgefallen und weiteres Interesse auf die Künstlerin aus Los Angeles gezogen. Im Alleingang ist die Stoßrichtung dabei ein Stück weit weniger eindeutig, jedoch spannender und vorwärts gerichtet:
„Wenn ich an einem Song arbeite, entsteht in meinem Kopf ein größeres Bild“, erklärt POPPY. „Es ist ein Gefühl im Raum. Vielleicht ist das bei anderen Leuten anders, aber ich weiß, wenn ich es fühle und sehe, dass es etwas ist, das es wert ist.“ Der Wunsch, sich auf vielfältige Art und Weise auszuprobieren, treibt die Künstlerin an: „Meistens weiß ich schon frühzeitig, was ich als Nächstes tun werde, aber ich spreche nicht gerne darüber. Wenn ich ein Album mache und mir etwas Bestimmtes vornehme, dann ist das für mich immer ein Auf und Ab, eine scharfe Linkskurve, eine scharfe Rechtskurve, eine manchmal ekelerregende Achterbahnfahrt, bei der ich mit verschiedenen Emotionen konfrontiert werde. Manchmal kommen Emotionen wieder hoch, von denen ich dachte, dass ich sie verarbeitet hätte. Dann wird es ungemütlich. Manchmal weiß ich beim Schreiben erst später, worum es geht. Aber das ist eines der schönsten Dinge an der Kunst. Dass man sich auf seine eigene Reise begibt, um sich selbst und das, was man um sich herum erlebt, besser zu verstehen.“