Die Band um Frontmann Tim McIlrath hat ihre Fans über Monate hinweg behutsam auf die stilistische Neuausrichtung von „Ricochet“ eingestimmt. Der zehnte Longplayer des seit 1999 aktiven Quartetts sollte bewusst neue Wege gehen – und genau das tut er nun auch. Dabei wirkt die kommunikative Vorbereitung im Nachhinein fast überflüssig. Denn wer die Entwicklung von RISE AGAINST über die letzten Jahre verfolgt hat, konnte den Wandel bereits deutlich spüren. Der Trend hin zu klanglich breiter aufgestellten, zugänglicheren Songs begleitet die Band schon seit Langem. „Ricochet“ ist nun die konsequente Fortsetzung dieses Weges – ein Album, das die Reife und den Wandel der Musiker widerspiegelt. Nach über 25 Jahren Band-Geschichte sind RISE AGAINST nicht mehr die ungestümen Club-Rebellen von einst. Die Bühnen sind größer geworden, die Perspektiven differenzierter. Die einstigen melodischen Hardcore-Anklänge sind nahezu vollständig verschwunden. Stattdessen hat sich das Verhältnis von Punk und Rock deutlich verschoben: Der rohe Impuls weicht einer kontrollierten, reflektierten Energie. Was geblieben ist, ist die gesellschaftskritische Haltung – zumindest in den Texten, die sich weiterhin einmischend, politisch und gesellschaftlich engagiert zeigen. Musikalisch zeigt sich die Band auf „Ricochet“ indes deutlich gesetzter. Das Songwriting ist weniger direkt, weniger schnörkellos als früher. Es dominieren nun vielschichtige Erzählungen, die Raum für Interpretation lassen. Die Songs sind strukturierter, oft mit mehr Kontext versehen, als man es von früheren Alben gewohnt war. Überraschend ist das alles nicht – vielmehr wirkt es wie ein logischer Schritt in der Entwicklung einer Band, die sich nicht scheut, mit ihren Fans zu altern und neue Ausdrucksformen zu finden. „Ricochet“ ist kein Bruch mit der Vergangenheit, sondern eine Weiterentwicklung. Es ist das Album einer Band, die sich ihrer Geschichte bewusst ist, aber nicht darin verharrt. RISE AGAINST zeigen, dass Reife und Haltung sich nicht ausschließen müssen – und dass musikalische Veränderung kein Verrat, sondern ein Zeichen von künstlerischer Integrität sein kann.
(Loma Vista)