Immer wieder hört man Stimmen, dass Hardcore und Punk nur deshalb wieder spannend und aufregend wären, weil die Szene durch zunehmende Diversität und einen dadurch bedingten Kreativitätszufluss gewonnen haben. Als Beleg für diese These werden unter anderem Turnstile und SCOWL mit Frontfrau Kat Moss herangezogen. Überlegt man genauer, erkennt man den wahren Kern dieser Behauptung. Der Gruppe aus Santa Cruz ist es gelungen, sowohl neue Hörergruppen zu erschließen als auch Szene-Kids mit einem Ansatz zu begeistern, von dem sie zuvor nicht wussten, dass er ihnen gefällt. Die Kalifornier sind seit der Veröffentlichung von „How Flowers Grow“ im Jahr 2021 gefühlt eine der am meisten gehypten Gruppen. Die 2023 erschienene MCD „Psychic Dance Routine“ hat diesen Hype noch verstärkt, insbesondere der Titel-Track ist ein famoser Hit, den man nicht aus dem Kopf bekommt. Für ihr zweites Album sind SCOWL zu Will Yip gegangen, der für seine Produktionen für Turnstile, Title Fight und Balance And Composure bekannt ist. Dass SCOWL weniger rotzig und impulsiv klingen, wird niemanden überraschen, der ihre Veröffentlichungen kennt. „Are We All Angels“ bietet reiferes Songwriting und Stücke, deren Eingängigkeit maximiert ist. Kat Moss und ihre Mitmusiker verleugnen ihre Wurzeln nicht, erweitern jedoch ihren Wirkungsraum auf dem Zweitwerk beträchtlich. Die heftigen Momente wirken dadurch noch durchschlagender, während der vermehrte Einsatz von Clean-Gesang und Zugänglichkeit auf die Substanz des Materials und dessen Langlebigkeit einzahlt. Und wie man es erwarten konnte: Je öfter man „Are We All Angels“ hört, desto mehr verfällt man SCOWL. Hier reiht sich ein Hit an den anderen.
(Dead Oceans/Secretly/Cargo)