Mit „You Are Safe From God Here“ kehren THE ACACIA STRAIN zurück zum klassischen Album-Format und einer kompakten, konzentrierten Wucht, die nach der experimentellen Doppelveröffentlichung „Step Into The Light“/„Failure Will Follow“ wie ein gezielter Schlag wirkt. Das Quintett aus Connecticut zeigt sich kompromisslos, pointiert und gewohnt intensiv. Doch wer die Band kennt, weiß: Was bei THE ACACIA STRAIN als „typisch“ gilt, ist gerade ihre Unberechenbarkeit. Zwischen Deathcore, Beatdown und Sludge entfaltet sich ein Sound, der ebenso zerstörerisch wie konzeptionell durchdacht ist. Der Album-Titel ist eine Provokation und eine Absage an religiöse Heilsversprechen und moralische Gewissheiten. Die Musik dazu ist
düster, zynisch und voller schwarzem Humor. Es ist ein Album, das fasziniert, unterhält und das in seiner Verdichtung genau die richtige Dosis Wahnsinn liefert.
Im Gespräch mit Devin Shidaker (auch Rose Funeral, 1931, Grime Reaper und Oceano) wird schnell klar, dass hinter der musikalischen Härte eine reflektierte Haltung steckt und das nicht nur zur Kunst, sondern auch zum Leben. Weil sein Kind krank war, musste der Zoom-Call verschoben werden – zum Glück nur kurz. Die Frage, ob das Vatersein seine Sicht auf das Tour-Leben verändert hat, beantwortet der Gitarrist ohne Zögern: „Ja, das hat sich für mich sehr verändert, weil mein Kind für mich an erster Stelle steht. Es gab in der Vergangenheit Momente, in denen zu Hause etwas passiert ist und ich trotzdem unterwegs sein musste. Zum Glück haben wir jetzt alles besser organisiert. Griffin, unser Bassist, hat auch eine Tochter. Wir sind beide der Meinung, dass wir nicht mehr das tun können, was wir früher getan haben, also direkt nach der Tour ins Studio und dann sofort wieder auf Tour. Wenn wir heute touren, brauchen wir danach eine kleine Auszeit, damit wir wieder voll da sein können.“ Die Balance zwischen Familie und Band ist für Devin eine tägliche Herausforderung, aber auch ein Privileg: „Selbst ein paar Tage von seinem Kind getrennt zu sein, ist hart. Aber zum Glück ist die Band erfolgreich, und wir wissen, dass wir damit unsere Familien versorgen. Seit meiner Highschool-Zeit bin ich mit Bands auf Tour. Drei Tage nach
meinem Abschluss bin ich auf meine erste Tour gegangen. Das ist das, was ich mein ganzes Erwachsenenleben lang gemacht habe.“
Dabei ist ihm bewusst, wie fragil diese Lebensform ist: „Ich habe keine Fähigkeiten oder Qualifikationen, um einfach aufzuhören und zu sagen: „Ich suche mir einen Job in der Stadt.“ Obwohl ich viel Wissen habe und mich in einigen Bereichen gut auskenne, wäre das auf dem Papier trotzdem ein Neustart ganz unten. Zum Glück sind wir erfolgreich. Wenn wir eine kleine Band wären, könnte ich das nicht mehr tun. Ich könnte eine Band auch nicht noch einmal von Grund auf aufbauen. Einfach weil ich nicht die Zeit habe, neun oder zehn Monate im Jahr auf Tour zu gehen. Das habe ich eine lange Zeit gemacht, aber diese Zeiten sind vorbei. Wir haben großes Glück, dass die Leute die Band mögen, und müssen nicht mehr ständig touren, um

in ihrem Gedächtnis zu bleiben.“ THE ACACIA STRAIN setzen stattdessen auf gezielte Tour-Phasen: „Wir können ein paar Mal im Jahr auf Tour gehen, und die Leute sagen dann: „Oh cool, die spielen – lass uns hingehen.““
Doch auch mit weniger Tour-Stress bleibt der Druck bestehen, vor allem der emotionale. Devin spricht offen über die Schattenseiten des Musikerlebens: „Da ist also dieses Schuldgefühl, das damit einhergeht, wenn man denkt: „Ich brauche eine Pause davon“, obwohl all diese Leute einem sagen, dass deine Musik ihnen geholfen hat und so weiter. Diese Leute willst du nicht enttäuschen. Noch schwieriger wird es, weil man als Musiker die Musik macht, die man selbst gerne hören möchte. Es ist Kunst, allerdings mit dem Unterschied, dass die Leute ständig beobachten, was man tut. Besonders jetzt mit den sozialen Medien ist es ein Leben wie unter einem Mikroskop. Es ist, als müsste man ständig präsent sein. Die Leute wollen, dass man sie mag und ich bin dankbar für jeden einzelnen unserer Fans und alle Menschen, die sich für uns interessieren. Es überrascht mich nach wie vor, dass sich überhaupt jemand dafür interessiert, was ich tue. Doch selbst wenn niemand die Sachen hören würde, würde ich in meinem Zimmer sitzen und trotzdem Musik
machen.“ Was aber bedeutet Erfolg für eine Band wie THE ACACIA STRAIN? Devin hat eine klare Antwort:
„Für mich ist es eine dieser Situationen, in denen sich die Zielvorgaben ständig ändern. Wir sind schon seit sehr langer Zeit erfolgreich. Wenn man auf Tour gehen und vor Publikum spielen kann, die Leute Tickets kaufen, um deine Band zu sehen, dann ist das ein Erfolg, selbst wenn es nicht viele sind. Wenn man Platten aufnehmen kann und die Leute deine Musik hören wollen: mit jeder einzelnen Platte, die wir verkaufen, habe ich ein kleines Erfolgserlebnis. Ich denke mir: Oh, jemand wollte das hören. Jemand möchte seine Zeit und sein
Geld in etwas investieren, das ich geschaffen habe. Das gibt mir ein gutes Gefühl. Und wenn dir etwas ein gutes Gefühl gibt, dann ist das ein Gewinn – dann ist das Erfolg.“
Und manchmal ist Erfolg auch ganz konkret: „Ich fühle mich erfolgreich, weil ich meine Familie damit unterstützen kann. Ich fühle mich erfolgreich, weil wir gebeten werden, auf großen Festivals zu spielen und neben Metallica zu spielen. Das ist meine Lieblingsband, seit ich ein Kind war. Klar, sie wissen nicht, wer wir sind, aber wir haben gespielt. Und das ist cool!““ Auch das Album „Wormwood“ hat Spuren hinterlassen und zwar nicht nur bei den Fans, sondern im Genre selbst: „Es war irgendwie eine Neudefinition dessen, was wir gemacht haben“, so der Gitarrist. „Die Band hat sich mit jeder Platte neu erfunden. Und „Wormwood“ hat sogar dazu beigetragen, das Genre, in das man uns einordnet – sei es Deathcore, MetalCore oder was auch immer – zu erweitern und neu zu definieren.“ THE ACACIA STRAIN sind keine Band, die sich wiederholt. Devin stellt klar:

„Wir werden kein „Wormwood 2“ machen, denn wir wollen stets etwas erschaffen, von dem wir denken: „Oh, das habe ich noch nie gehört.“ Das ist es, was ich erreichen möchte.“
Und die Fans? Sie wachsen mit der Band und ihrem Sound: „Sie vertrauen darauf, dass unsere Vision für das nächste Projekt, das wir veröffentlichen, etwas ist, das sie ausprobieren wollen“, freut sich der Gitarrist. „Und dann sagen sie: „Okay, wir verstehen, was sie machen.“ Egal wie wir uns weiterentwickeln oder expandieren, es gefällt ihnen.“ Gerade weil THE ACACIA STRAIN sich mit jedem Album neu herausfordern, ist die kreative Arbeit mit den Jahren nicht schwieriger geworden. Devin antwortet mit bemerkenswerter Klarheit: „Es ist einfacher geworden. Inzwischen haben wir gezeigt, dass wir – egal in welche Schublade man uns steckt – gegen die Wände drücken und sie weiter ausdehnen. Es gibt keine Angst mehr, etwas Neues
auszuprobieren. Ich weiß nicht, ob man es wirklich Angst nennen sollte, aber früher dachten wir: „Okay, wir haben eine Platte, die darf nicht schlecht sein, sie muss gut werden.“
Gleichzeitig wollen wir nicht etwas wiederholen, was schon gemacht wurde. Das kann beängstigend sein. Heute vertrauen wir unseren Instinkten und wissen, dass es funktionieren wird. Das macht es einfacher, weil wir jegliche Angst abgelegt haben.“ Diese kreative Freiheit ist für Devin essenziell: „So können wir alle möglichen Dinge ausprobieren. Manche passen, andere nicht. Aber wir haben Vertrauen in unseren Geschmack und in das, was wir tun. Wir wissen, wann etwas funktioniert und wann nicht. Wenn wir etwas Gutes hören, sind wir uns meist einig.“
