THE BLACK DAHLIA MURDER

Langsam aber sicher wird es unheimlich. THE BLACK DAHLIA MURDER werden immer besser – immer noch. Dabei besteht die MeloDeath-Kapelle aus Detroit schon seit fast zwanzig Jahren. Mit „Verminous“ legt das Quintett seinen neunten Longplayer vor.

Wikipedia zufolge ist die Gruppe um Trevor Strnad einer der populärsten Vertreter des US-Extrem-Metal: „Was soll ich dazu sagen?“ fragt der Frontmann. „Meiner Wahrnehmung nach läuft es für uns mal besser und mal schlechter. Insgesamt betrachtet kann ich sagen, dass wir zufrieden damit sind, wie sich die Dinge für uns entwickelt haben. Kreativ wachsen wir von Album zu Album, und die Leute honorieren das. Es scheint mir auch so zu sein, dass wir mit jeder Platte etwas größer werden, weil sich ein gewisser Schnellballeffekt in Gang gesetzt hat. Was auf Wikipedia steht, würde ich nicht überbewerten. Ich bin mir sicher, dass dort einige lustige Dinge stehen, die nicht wahr sind oder die wir anders sehen würden. Das schaue ich mir aber gar nicht erst an.“ Der US-YouTuber Finn McKenty berücksichtigt THE BLACK DAHLIA MURDER in einer Folge seines Channels „The Punk Rock MBA“, in der er über Bands philosophiert, die kommerziell noch größer sein müssten, als sie es sind. Er stellt die These auf, dass es den Mitgliedern des Quintetts an optischer Attraktivität mangelt:

„Das ist wahr, das kann und will ich nicht bestreiten, haha“, greift Trevor den Gedanken auf. „Im Ernst, auch im Metal existieren meiner Wahrnehmung nach eine Erwartungshaltung und ein gewisser Standard, wie Leute aussehen sollen. Was soll ich sagen, dem werden wir einfach nicht gerecht. Wir sind ohne Frage Außenseiter. Andererseits hilft uns gerade dieser Umstand dabei, aufzufallen. Ich bin mir nicht sicher, ob wir heute da wären, wo wir sind, wenn wir so aussehen würden wie alle anderen. Die Leute schauen auf mich, den wilden Nerd mit Brille, und fragen sich, was wir denn für eine Band sind. Es funktioniert in beide Richtungen und in unserem Fall zu unserem Vorteil. Ich wünschte, die Leute wären weniger oberflächlich und würden nicht so viel auf Äußerlichkeiten geben, doch der Typ auf YouTube hat da definitiv einen Punkt.“ Dennoch zeigt sich der Sänger zufrieden. Gerade, wenn man die Ausgangslage berücksichtigt:

„Ich für meinen Teil fühle mich sehr erfolgreich, denn ich befinde mich in der komfortablen Lage, das hier tun zu können und davon zu leben. Das Leben als tourender Musiker, der Platten veröffentlicht und ständig unterwegs ist, mag für viele nicht erstrebenswert sein, doch das ist genau das, was ich tun will. Wir wissen um unsere privilegierte Position. Ich habe ja schon darauf hingewiesen, dass es für uns langsam, aber kontinuierlich aufwärts geht. Das ist toll. Wir tun alles dafür, uns des Zuspruches der Leute würdig zu erweisen und weiter tolle Lieder und Platten zu schreiben. Es ist ja nicht der kurzfristige, sondern der nachhaltige Erfolg und Zuspruch, auf die wir aus sind. Für uns ist es eine wilde Reise. Wir haben seit 2001 schon viele Alben herausgebracht und unglaublich viele Shows gespielt. Überall dort, wo man uns hat spielen lassen, sind wir schon gewesen. Dabei ist alles nur mit dem bescheidenen Wunsch gestartet, ein einziges Album zu veröffentlichen. Meine persönlichen Ziele habe ich schon vor einer sehr langen Zeit erreicht. Es war mein größter Traum, ein Album auf einem richtigen Label herauszubringen, das dann in den Läden steht, reviewt wird und einige Fans für uns gewinnt. Seitdem hat ein Höhepunkt den nächsten gejagt. Wie könnte ich nicht zufrieden sein? Natürlich habe ich auf eine solche Entwicklung gehofft. Doch ernsthaft daran geglaubt, habe ich nicht. Es ist einfach passiert.“

…aber auch das Ergebnis harter Arbeit, die die Grundlage der Langlebigkeit von THE BLACK DAHLIA MURDER ist: „Die Chancen dafür, dass wir so lange bestehen würden, standen sicherlich nur 1 zu 1.000.000“, spekuliert der Frontmann. „Uns ist allerdings auch nichts einfach so in den Schoß gefallen. Wir arbeiten ohne Unterlass und touren unglaublich viel. Für diese Band geben wirklich alles, was wir haben. Deshalb finde ich, dass wir das, was uns widerfährt, auch verdienen.“

Zurück zu den digitalen Weiten. Trevor sind die sich Künstlern heute bietenden Möglichkeiten durchaus bewusst. Richtigerweise verweist er aber auch auf die damit einhergehenden Probleme: „Das Internet ist eine tolle Plattform, um Werbung für sich zu machen. In unseren frühen Tagen gab es all das in diesem Umfang noch nicht. Auf der anderen Seite ist das Überangebot an Bands dadurch noch schlimmer und unübersichtlicher geworden. Jeder kann sich Profile anlegen, ganz egal, wie weit seine Entwicklung schon vorangeschritten ist. Das alles wird dadurch befeuert, dass man Songs ohne viel Aufwand Zuhause aufnehmen kann. Sie danach online zu stellen, braucht nicht mehr viel. Für mich ist es insgesamt aber einfach zu viel. In diesem Überangebot aufzufallen, ist genauso schwer, wie im wirklichen Leben auf sich aufmerksam zu machen. Deshalb kann ich nicht sagen, ob die Vor- oder Nachteile überwiegen.“

Die Antwort hinsichtlich der Bedeutung von Alben fällt indes klar aus. Sich allein auf EPs oder Singles zu beschränken, wäre THE BLACK DAHLIA MURDER zu wenig: „Für uns stellt sich diese Frage überhaupt nicht“, sagt Trevor mit Nachdruck. „Das mag für wenige moderne Bands funktionieren, doch wir sind schon immer eine Album-Band gewesen. Ich bin auch davon überzeugt, dass unsere Hörer nichts anderes wollen. Und das gilt aus meiner Sicht für den Bereich des extremen Metal insgesamt. Die Leute wollen etwas mit Höhe- und Tiefpunkten hören, dass sich entwickelt und fließt. Es ist von jeher unser Anspruch, gute Alben abzuliefern. Davon weichen wir nicht ab.“ Veränderte Rezeptionsmuster berücksichtigt das Quintett aus Detroit aber durchaus: „Unsere Produktivität sehen wir in gewisser Weise als Reaktion auf das Internet-Zeitalter“, bestätigt der Sänger. „Die Leute verlangen ständig nach neuen Inhalten und Aktualität. Ihre Aufmerksamkeitsspannen sind viel kürzer als früher. Deshalb behalten wir unsere hohe Taktung bei und wollen die Leute immer wieder schnell begeistern. Außerdem gefällt es uns, kreativ zu sein und uns auszutoben. Wir haben viel Spaß zusammen und überhaupt kein Problem damit, dieses Pensum aus Touren und Alben abzureißen. Das tun wir seit 2001, und für uns ist es nicht so viel Stress, wie es vielleicht scheint.“ Die Songs für ihre Konzerte muss die Gruppe inzwischen aus neun Platten auswählen:

„Das wird mit jedem neuen Album schwieriger“, gibt Trevor zu. „Sind wir der Headliner einer Tour, können wir gewöhnlich so um die 1:15 Stunden spielen. Das bedeutet, dass wir etliche Tracks spielen können, die zumeist so um die drei Minuten lang sind. Es ist schwierig, alle Fans zufrieden zu stellen. Wenn wir unsere Sets zusammenstellen, versuchen wir, vor allem die Stücke zu berücksichtigen, auf die unsere Fans am stärksten reagieren und die für unsere Vergangenheit besonders wichtig sind. Die Leute erwarten ja völlig zurecht ein Best-of und wollen das hören, was sie kennen. Unser Anliegen ist es aber natürlich auch, möglichst viele neue Stücke zu spielen, denn wir sind noch zu jung, um ausschließlich auf unsere Klassiker zurück zu greifen. Das heben wir uns bis zu dem Tag auf, an dem wir eine Band alter Männer sein werden. Derzeit sind wir immer noch zukunftsgerichtet, wollen bessere Songs schreiben und sehen, was noch alles kommt.“

Die angerissene Arbeitsweise geht mit einer hungrigen, erwartungsfrohen Grundhaltung einher. Exakt das prägt „Verminous“, das sich gut als Querschnitt der bei den Fans besonders beliebten Platten „Nocturnal“ und „Nightbringers“ plus mehr darstellt: „Wir sind inzwischen an einem Punkt in unserer Karriere angelangt, an dem wir uns unterschiedlichen Ansprüchen und Erwartungen gegenübersehen“, weiß der Frontmann. „Teile unserer Fans interessieren sich nur für bestimmte Band-Phasen, nicht jedoch für alles, was wir tun. „Nocturnal“ ist beispielsweise das Album, auf das sich quasi alle unsere Hörer verständigen können und dessen Songs alle immer gerne hören. Zum Glück verfolgt die Mehrzahl der Fans unsere Entwicklung und interessiert sich auch für die Platten, die danach gekommen sind. Die Aufgabe für uns besteht darin, einen gesunden Mittelweg zu finden. Natürlich wäre es mir lieber, alle Hörer würden gemeinsam mit uns wachsen, doch wir müssen akzeptieren, dass dem nicht so ist. Deshalb ist es umso wichtiger, dass alle unsere Veröffentlichungen einen konsistenten Sound aufweisen und wir uns natürlich weiterentwickeln. Wir nehmen keine obskuren Experimente vor, die Fans verschrecken oder verärgern würden. Das Schöne ist ja, dass viele Fans mit uns nicht nur musikalisch gewachsen, sondern mit uns auch aufgewachsen und älter geworden sind. So, wie wir selbst. Mir ist es wichtig, dass wir uns beständig verbessern und es auffällt, dass wir uns anstrengen, unseren Sound zu entwickeln. Meine Einstellung und Überzeugung ist es, dass wir das uns bestmögliche Album immer noch nicht geschrieben haben, sondern dass es noch auf uns wartet. Das stachelt mich an. Warum sollte man sonst neue Songs schreiben? Wenn man nicht davon überzeugt ist, dass man es noch besser kann, braucht man es doch gar nicht erst tun und die Leute damit behelligen.“

Als kreativen Ausgangspunkt der bis heute andauernden Entwicklung sieht der Frontmann ebenfalls das eigene Drittwerk: „Für mich ist „Nocturnal“ der Wendepunkt gewesen. Mit diesem Album hat Brian Eschbach (Gitarre) ein Meisterwerk abgeliefert und sich als Songwriter profiliert. Damals haben wir zum ersten Mal Pro-Tools genutzt und unser Arbeiten in jeder Hinsicht professionalisiert. Davor sind unsere Songs im Proberaum entstanden. Wir haben zu fünft gejammt und versucht, Songs zu schreiben, was oftmals im Chaos geendet ist. Das war frustrierend. Deshalb haben wir den Songwriting-Prozess verändert und nutzen seither den Computer, um mit Ideen zu spielen. Die Gitarristen schreiben die Songs und programmieren Drums. Seitdem wir so vorgehen, klingt uns Material deutlich reifer und besser. Für uns war es sowohl aufregend als auch befreiend, diese Möglichkeiten zu entdecken. Gerade die Vorproduktion ist dafür verantwortlich, dass die Qualität unserer Stücke und Alben enorm gestiegen ist. Es war der richtige Schritt zur richtigen Zeit.“

Doch auch die Erfahrungen des jeweils vorangegangenen Werks bestimmen die Gestalt der aktuellen Platte: „Wir haben einen sehr erfolgreichen Tour-Zyklus hinter uns gebracht“, so Trevor. „„Nightbringers“ ist in vielfacher Hinsicht ein wichtiges Album für uns, nicht nur vom kreativen Standpunkt her. Unter unseren Fans hat es viel positive Resonanz erfahren. Wir haben tolle Touren gespielt, etwa mit Power Trip oder als Co-Headliner mit Whitechapel. Zuletzt sind wir auch noch mit Insomnium unterwegs gewesen. Wir achten nach Möglichkeit darauf, dass es zu den Gruppen, mit denen wir touren, Gemeinsamkeiten gibt, aber auch ausreichend Unterschiede, um es für die Leute interessant zu halten. Das Momentum der Touren nehmen wir dann mit in die Arbeit. Die Aufnahmen des neuen Albums haben wir schon vor gut einem Jahr beendet. Es wird wirklich Zeit, dass es endlich erscheint. Mein Gefühl ist es, dass wir auf „Nightbringers“ unser bislang bestes Line-Up präsentiert haben. Brandon Ellis ist als Gitarrist inzwischen seit 2016 mit dabei. Er hatte schon einigen der Songs auf „Nightbringers“ seinen Stempel aufgedrückt. Dieses Mal auf „Verminous“ ist sein Einfluss noch größer.“

Was beim Hören besonders auffällt, sind die kompositorische Klasse, handwerkliche Präzision und das erweiterte Heavy-Rock-Feeling, das die furiosen Uptempo-Attacken von THE BLACK DAHLIA MURDER toll ergänzt und aufwertet: „Ich freue mich insbesondere über die breite Variabilität des Albums“, äußert der Frontmann. „Wir sind eine schnell aufspielende Band. Deshalb ist es mit Arbeit verbunden, die Stücke so anzureichern, dass die Leute sie als interessant empfinden und mehrfach hören wollen. Schon seit einiger Zeit versuchen wir es, unser Spiel möglichst divers anzulegen. Zu einem gewissen Grad ist uns das bereits auf „Nightbringers“ gelungen. Doch jetzt auf „Verminous“ geht es noch viel deutlicher in dieser Richtung. Die Songs weisen unterschiedliche Stile, noch mehr Variabilität und spannende Technik auf. Ich für meinen Teil bin begeistert.“

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