Kaum zu glauben, aber wahr: Auch nach all den Jahren liefern die Schweizer THE YOUNG GODS noch immer provokante und aufrüttelnde Alben ab, die keinen Zweifel an ihrer Relevanz lassen. Die Band, gegründet im Jahr 1985, gilt als bahnbrechend für das musikalische Spannungsfeld zwischen Alternative-Rock, Elektronik und Industrial. Ihre Innovationskraft, der visionäre Umgang mit Samples sowie ihre kompromisslose Experimentierfreude haben sie längst zu einer Legende in der Avantgarde-Szene gemacht – und zu einer Inspirationsquelle für zahllose nachfolgende Künstlergenerationen. Das Trio war seiner Zeit oft voraus, verschmolz früh maschinelle Klänge mit roher Energie und verwandelte Sound in eine Art Kunstinstallation. Trotz – oder gerade wegen – ihrer Unangepasstheit blieben THE YOUNG GODS dem Mainstream stets ein Stück entrückt. Sie sind mehr Kult als kommerzieller Erfolg, mehr Legende als Labelprodukt. Ihre nerdige Akribie, ihr Hang zu klanglicher Radikalität und intellektuellem Tiefgang mögen keine breiten Massen bewegen, aber sie öffnen Türen zu neuen akustischen Dimensionen und sorgen für jene „Aha“-Momente, die aufhorchen lassen und die man nicht mehr vergisst. Mit dem neuen Werk „Appear Disappear“ übertreffen sie sich einmal mehr. Die zehn Stücke klingen unerwartet brachial, schwer und kompromisslos. Wie ein musikalisches Echo auf die düsteren Verwerfungen der Gegenwart greifen sie Themen wie globale Konflikte, gesellschaftliche Spaltung, die Nachwirkungen pandemischer Krisen und die Entgleisungen der digitalen Welt auf. Anstatt einer fiktiv-dystopischen Erzählung zu folgen, verweben sie realweltliche Zerrbilder in einen Sound, der zwischen Verzweiflung und Ohnmacht pendelt. Das Resultat: ein klanglicher Abgrund, in den man sich freiwillig stürzt – um vielleicht klarer daraus hervorzugehen.
(Two Gentlemen)