VISCERA

Was relevante Vertreter der Deathcore-Sparte aus Europa anbelangt, führt an VISCERA kein Weg vorbei. Die Briten sind einem vielseitigen Extrem-Ansatz zwischen Deathcore und MetalCore sowie Tech-Death und Heavy-Metal verschrieben. Ihr aktuelles Album heißt „Carcinogenesis“.

„Was meinen Einstieg in das Genre angeht, so waren Veröffentlichungen wie „1124“ von Irate und „The Healing Process“ von Despised Icon für mich Anfang der 2000er-Jahre ausschlaggebend“, erzählt Frontmann und heutige Unique Leader-CEO Jamie Graham. „Außerhalb der Band war ich mit meiner Label-Arbeit bereits stark in A&R involviert, was im Wesentlichen während der MySpace-Deathcore-Ära war. Damals habe ich Whitechapel, Molotov Solution, Impending Doom und eine Reihe anderer Bands unter Vertrag genommen. Was VISCERA betrifft, sind wir im Wesentlichen eine Summe unserer Teile. Es geht uns darum, technischen Metal mit Breakdowns zu schreiben. Und die Leute stecken uns deshalb in die Deathcore-Schublade.“ Der frühere Frontmann von Sylosis und Heart Of A Coward stört sich daran nicht, zumal er selbst der Faszination des Extrem-Genre erlegen war und dem Deathcore seit dessen Anfängen eng verbunden ist: „Beim ersten Mal war es Anfang der 2000er Jahre das Einstiegs-Genre für die Kids, die mit NuMetal und „New Wave Of American Heavy Metal“-Bands (Killswitch Engage, Chimaira, Unearth, usw.) aufgewachsen sind“, erinnert sich Jamie. „Es war hart genug, um die Leute zu begeistern, aber zugleich auch hörbar genug, um das jüngere Publikum nicht zu verschrecken, das an einen leichter verdaulichen Sound gewöhnt war. Death Metal hat mehr Substanz, was die Tiefe angeht, in die man eintauchen kann – definitiv etwas, das man mehr zu schätzen weiß, wenn man die Nuancen dessen, was ihn so großartig macht, verstanden hat. Deathcore ist im Vergleich dazu eher eine Sofortlösung.“

Welche drei Veröffentlichungen die wichtigsten zur Etablierung beziehungsweise später das erste Deathcore-Revival waren, beantwortet der Brite ohne nachzudenken: „Zuallererst „The Cleansing“ von Suicide Silence“, so der VISCERA-Frontmann. „Dieses Album ist wahrscheinlich das wichtigste, da es Deathcore für eine Menge Teenager und Fans in den frühen Zwanzigern zu einem Begriff gemacht hat. Musikalisch gesehen gibt es bessere Alben, aber dieses war dasjenige, das jeder zu kopieren versuchte, was den angestrebten Sound anbelangt – im Wesentlichen Korn mit Death-Metal-Einflüssen. Ebenso wichtig ist „The Ills of Modern Man“ von Despised Icon. Das ist für mich eine der besten Platten des Genres, was die Blaupause für Zerstörung angeht. Sie besitzt eine Menge Death-Metal-Einflüsse, die von der Death Metal-Szene Montreals rüberschwappten. Despised Icon hatten bereits mit der Platte vor dieser einen ersten Standard gesetzt, nur um ihn noch weiter zu verbessern. Fast unantastbar. Die dritte wichtige Scheibe für mich ist „Hate“ von Thy Art Is Murder. Es ist nicht ihr bestes Album, aber das, das eine neue Generation von Deathcore-Fans hervorgebracht hat. Das hat die zweite Welle angeschoben und dem Effekt entsprochen, den zuvor „The Cleansing“ ausgelöst hatte. Auch „Hate“ wurde von fast jeder nachfolgenden Band nachgeahmt.“ Aufgrund seiner Erfahrung als Fan, Musiker und Label-Mitarbeiter weiß Jamie natürlich auch, was gute Deathcore-Songs auszeichnet:

„Alles dreht sich um Dynamik, Drops und eine gute Gesangsmelodie“, sagt er. „Blastbeats über vier Minuten können genauso langweilig sein wie vier Minuten Breakdowns. Es muss frisch bleiben. Da die meisten Deathcore-Musiker und -Fans wie Drum-and-Bass-/Dubstep-Fans sind, drehen sich Genre-Songs normalerweise um einen Breakdown und darum, wie er sich aufbaut oder zu diesem geführt wird. Und die meisten anständigen Deathcore-Hymnen drehen sich um eine Gesangsmelodie – entweder als Vorläufer des Breakdowns oder als Haupt-Chorus-Linie.“ Um den Fortbestand und die Evolution des Deathcore macht sich Jamie keine Sorgen: „Indem man weiterhin andere Genres in den Sound einfließen lässt, bleibt er frisch und entwickelt sich weiter. Man kann die Vorreiter immer von den Nachahmern unterscheiden, da die Vorreiter etwas Eigenes mitbringen. Was VISCERA betrifft, so konzentrieren wir uns auf Gesangs-Hooks und Melodien, was meiner Meinung nach ein etwas anderer Ansatz ist, da die Härte um der Härte willen an zweiter Stelle steht.“

Für das kommende Jahr stellt der Frontmann zum Ende des Gesprächs das Drittwerk seiner Band in Aussicht: „Wir sind gerade mitten in der Arbeit. Die Hälfte ist bereits fertig. Das neue Album wollen wir im vierten Quartal 2025 veröffentlichen. Es hat einen deutlichen 1990er-Jahre-Metal-Einschlag, da wir viel klassische Machine Head, Biohazard und Fear Factory gehört haben. Also erwartet viele Riffs!“ Da man VISCERA als Band schätzen gelernt hat, die einerseits mit einer eigenen musikalischen Identität und andererseits mit Mut, Vehemenz und Ideenreichtum überzeugt, verspricht das einiges.

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