AVATAR

Auf „Hunter Gatherer“ betonen AVATAR wieder die düstere, heftige Schlagseite ihrer Musikalität. Die Schweden lassen die fiktiven Konzeptwelten hinter sich und arbeiten sich an der harten Realität und der ungewissen Zukunft der Menschheit ab – mit entsprechenden Sounds.

Die achte Platte der Göteborger trifft ob ihrer dringlichen Anlage im ersten Moment unerwartet: „Für mich ist jedes Album immer eine Reaktion auf das, was man davor getan hat“, ordnet Frontmann Johannes Eckerström, der überraschenderweise richtig gut Deutsch spricht, ein. „Wenn ich auf unser erstes Konzept-Album „Feathers & Flesh“ zurückschaue, erkenne ich, dass alles sehr ernst und definiert gewesen ist. Danach fiel es uns schwer, diese Ernsthaftigkeit aufrecht zu erhalten. Inhaltlich ging es um Tiere und Fabeln, doch der Rahmen war stringent und definiert. Letztlich ist es eine Geschichte des Tods gewesen. Mit „AVATAR Country“ haben wir deshalb danach auf Humor gesetzt. Das zugrundeliegende Konzept war komisch, bizarr und übertrieben. Es war unser Liebesbrief an den Heavy Metal, weshalb wir viel Spaß mit all seinen Klischees hatten. „Hunter Gatherer“ stellt nun die Reaktion darauf dar. Ja, „AVATAR Country“ war lustig und hat uns fünf eine Menge Spaß bereitet, aber für den Moment ist es mit dem Humor nun vorbei. Wir fokussieren wieder auf das, was uns am Metal als Teenager so fasziniert hat. Letztlich geht es darum, loszulassen und seine Emotionen zu verarbeiten. In den letzten zwei Jahren mit „AVATAR Country“ ist das nur eingeschränkt so gewesen, weil wir uns dem Konzept verpflichtet gefühlt haben. Nach dieser Spanne gab es nun wieder viel aus dem Persönlichen zu verdauen, was die Ernsthaftigkeit der Platte bedingt.“

Sorge, dass Fans diese Veränderung nicht mitgehen, hat Johannes nicht: „Unsere Band ist bis jetzt mit jedem Album größer geworden. Aus einer kommerziellen Betrachtung heraus scheint für mich das Wichtigste zu sein, dass wir ehrlich sind – zu uns selbst und unseren Fans. Natürlich ist „AVATAR Country“ bei vielen Leuten gut angekommen. Doch wie hätten wir ein weiteres Konzept mit Titeln rund um den König, eine Nationalhymne und einen Sketch aufsetzen sollen? Das ist für eine Platte lustig, aber dann muss man etwas anderes machen. Noch 40 Minuten König-König-König würde nicht funktionieren und wäre bestimmt ein Flop geworden. Es gibt nur wenige Bands, die für sich eine Formel gefunden haben, die über viele Alben oder sogar für immer funktioniert. Wir zählen nicht dazu. Für unsere Entwicklung ist es wichtig, dass wir uns immer wieder neu erfinden – gewissermaßen das Madonna-Prinzip.“

Die Schweden schätzen die Herausforderung: „Das Gute ist ja, dass man vorher nie weiß, was funktioniert und erfolgreich sein wird und was nicht“, so der Frontmann. „Manchen Größen wie Queen hat gerade die Veränderung geholfen und sie legendär werden lassen. Bands wie AC/DC haben eine Formel geholfen, die sie durchgezogen haben. Manchmal liegt es nur an kleinen Variablen. In unserem Fall gibt es nur fünf Personen, die bis zum Ende ihrer Leben mit diesen Alben leben müssen. Das sind wir. Wenn die Leute es nicht mögen, hören sie eben etwas anderes. Bis jetzt hatte ich noch immer das Gefühl, das es für mich okay wäre, wenn niemand unsere Alben mögen würde. Denn mir gefallen sie und das ist es, was zählt. Ich kann im Zweifel etwas anderes mit meinem Leben anfangen. Es gibt so viele Möglichkeiten. Musik und die Band ist nur eine. Wenn ich den Weg mit AVATAR wähle, möchte ich ihn so gehen, wie ich es für richtig halte. Wir müssen nicht die größte Band aller Zeiten werden. Ich bin überzeugt davon, dass „Hunter Gatherer“ unseren Weg fortschreibt und von diesem Album begeistert.“

Ein drittes Konzept hintereinander wäre wohl wirklich zu viel des Guten: „Das hätte etwas von Routine gehabt“, greift der Sänger den Gedanken auf. „Wir haben alle Freiheiten. Warum also immer dasselbe tun? Am Anfang war es schwer, Konzepte umzusetzen und innerhalb eines definierten Rahmens zu arbeiten. Das haben wir zwei Mal erfolgreich getan. Nun ist es gut, dass der Rahmen nicht länger existiert. Wir suchen nach Methoden und Ansätzen, die es schwerer machen, unsere Visionen umzusetzen, denn wir wollen uns fordern. Nur so kann man sich neu erfinden und zu den Liedern gelangen, die wir noch nicht geschrieben haben. Für mich muss auf jedem Album etwas Neues sein – und sei es nur in den kleinen Details. Auch deshalb nehmen wir immer an anderen Orten wie jetzt in Kalifornien auf. Auf diese Art und Weise bewahren wir uns unseren Enthusiasmus und entdecken immer wieder etwas Neues.“

In der jetzigen Corona-Zeit mit all ihren Einschränkungen für den Kunst-Sektor ist es von Vorteil, dass aktuell nur der pragmatisch eingestellte Frontmann Berufsmusiker ist: „AVATAR wird mehr und mehr ein Vollzeitjob, aber noch ist es nicht ganz so weit. Insbesondere über die letzten Jahre hat es sich aber mehr und mehr in diese Richtung entwickelt. Aus der Band bin ich der einzige, der gegenwärtig nichts anderes tut. Das bedeutet, dass ich natürlich all das tue, was in der jetzigen Situation möglich ist. Wie sagt man doch gleich: man ist 50 Prozent Künstler und 50 Prozent Entertainer. Als Band ist man Teil des Show-Business. Also schauen wir beispielsweise, was online und mit Streaming-Ideen geht und entwickeln die Welt von AVATAR weiter. Da geht es aber eher um das Flankieren als darum, etwas zu verdienen. Wenn es nötig wird, kann ich jederzeit in meinen früheren Job zurückkehren. Wir können warten. Die Welt ist nicht untergegangen. Unsere Band ist nicht am Ende. Derzeit ist das Wichtigste, gesund zu bleiben. Irgendwann wird die Situation wieder normaler sein, wie auch immer das aussehen wird. Dann geht es wieder los und dafür wollen wir bereit sein.“

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