GODFLESH – Purge

Zumeist heißt es, die Briten hätten sich nach ihren Anfangstagen vom Industrial-Metal verabschiedet und seither allein ihren experimentellen Neigungen gefrönt. Es lässt sich trefflich darüber streiten, ob das so zutrifft. Denn schon allein aufgrund der Vocals und repetitiven Musikalität zwischen Reduktion auf das Nötige sowie allumfassender, nicht greifbarer Härte und Untiefe war doch stets ein Industrial-Bezug gegeben. Der umtriebige Kreativdrang und Wagemut von GODFLESH sind indes unstrittig. Irgendetwas Neues ist immer. Eine offensichtliche Fortführung spezifischer Ideen und Sounds gibt es nicht. Die Verbindung besteht allein durch Justin K Broadrick (auch Techno Animal, Final, Jesu, Napalm Death, Head Of David), der an allen Veröffentlichungen beteiligt war. Gleichfalls sind alle Releases durch ein- und dieselbe Attitüde geprägt. GODFLESH klingen stets roh, abstoßend und abgefucked. Die verschiedenen Stil-Kombinationen und Ausprägungen ergeben sich durch die jeweilige Entstehungszeit und einhergehenden Interessen zu diesen Zeitpunkten. Mit „Purge“ verhält es sich nun ein Stück weit anders, denn die Briten nehmen eine Aktualisierung ihrer 1992er Platte „Pure“ vor. Ohne den freimütigen Hinweis darauf, wäre das nicht unbedingt aufgefallen. Einerseits liegt dessen Veröffentlichung 30 Jahre zurück, so dass man das Material, sofern man es überhaupt kennt, kaum mehr präsent hat. Andererseits klingt der Nachfolger von „Post Self“ aus dem Jahr 2017 wieder so eigenständig und suchend wie jedes andere Werk von GODFLESH. Der harte, verzerrte Industrial-Noise-Metal-Rock mit Hip Hop-Loops nagt einmal mehr an den Nerven seiner Hörer. „Purge“ ist eine weitere musikalische Grenzerfahrung beziehungsweise ein ängstigender Kreativexzess. Die Briten bleiben sich treu.

(Avalanche)