OF MICE & MEN

Der achte Longplayer des Quartetts heißt „Tether“. OF MICE & MEN gelingt wiederum das Kunststück, sich partiell neu zu erfinden. Das ist die große Stärke der Südkalifornier, die völlig zurecht zu den großen Namen im Feld zwischen MetalCore, Post-Hardcore und Alternative-Rock zählen.

Auffällig sind stets die bodenständige Ehrlichkeit und Gefühlszentrierung aller Songs. Die vertonten Emotionen ziehen schnell in ihren Bann. Dabei ist es unerheblich, ob es um die positiven oder negativen Ausprägungen geht. OF MICE & MEN wühlen auf und verarbeiten auf ihren Veröffentlichungen das gesamte Spektrum menschlicher Emotionen. „Tether“ stellt diesbezüglich keine Ausnahme dar: „Für mich besitzt dieses Album ebenfalls einen hohen emotionalen Wert“, verrät Gitarrist Phil Manansala. „Die Covid-Zeit war für jeden von uns mental sehr hart, weil wir alle in dieser Zeit eine Menge verschiedener Dinge durchgemacht haben. Wir haben viele Songs darüber geschrieben, wie wir uns in den Wochen und Monaten gefühlt haben. Dass etliche Songs eingängig sind, ist großartig. Das war allerdings nicht unsere Absicht.“ Die Songs wühlen auf, fallen mal treibend bis vertrackt, mal zugänglich und erinnerbar aus:

„Das Album ist tatsächlich so etwas wie eine Achterbahnfahrt – genau wie das Leben“, greift der Gitarrist den Gedanken auf. „Es hat seine Höhen und Tiefen. Manchmal ist man glücklich, dann wiederum wütend. Ich habe das Gefühl, dass dieses Album noch mehr als unsere bisherigen Veröffentlichungen das Chaos und die Harmonie des Lebens repräsentiert.“ Von wem „Tether“ stammt, steht außer Frage, denn die Stimme von Aaron ist markant und sticht heraus. Trotz neuerlicher Weiterentwicklung im Detail, besitzt auch das instrumentale Spiel von OF MICE & MEN selbst Wiederkennungswert: „Für uns steht es im Vordergrund, uns selbst treu zu bleiben“, erwidert Phil. „Das ist in meinen Augen der beste Weg, unseren Ansatz in Worte zu fassen. Darum geht es uns, wenn man es auf den Kern herunterbricht. Aaron hat für seine Texte einen erstaunlichen Schreibstil. Er taucht immer tief in sich hinein und ergründet, wie und warum er sich gerade so fühlt. Anschließend ermöglicht er es den Zuhörern mit seinen Worten, seine Gefühlswelt wirklich nachzuvollziehen und ihn zu verstehen. Deshalb kann man sich dann mit dem, was er durchmacht, identifizieren. Und die Hörer können seine offenen Worte auch auf sich selbst anwenden, sofern sie gerade etwas Ähnliches durchmachen.“

Die Arbeit an der achten Platte hat den Südkaliforniern auch selbst Orientierung geboten: „Für dieses Album haben wir uns sehr viel Zeit genommen“, so der Gitarrist. „Die Entstehungsgeschichte war sehr emotional und persönlich für uns alle. Wir haben es geschrieben, während viele Dinge im Leben außerhalb unserer Kontrolle – ja des Bekannten – lagen. Die Musik war eine der wenigen Konstanten, die wir kannten und kontrollieren konnten.“ Ihre eingespielte, vertrauensvolle Gruppen-Konstellation hat OF MICE & MEN Halt gegeben: „In den schwierigen Zeiten waren wir alle füreinander da“, bestätigt Phil. „Nichtsdestotrotz haben einige dieser Songs wirklich Arbeit bedeutet. Um sie fertigzustellen, mussten wir uns gegenseitig helfen. Nur als Gruppe sind wir über die Ziellinie gekommen und konnten etwas schaffen, mit dem wir nun alle zufrieden sind.“ Die Musiker lassen es sich dabei auch auf „Tether“ nicht nehmen, ihren Sound-Kosmos behutsam zu erweitern:

„Normalerweise bin ich in unserer Gruppe derjenige, der Angst vor neuen Klängen und Experimenten hat“, outet sich der Gitarrist. „Doch wenn Tino erst einmal Schlagzeug spielt oder Aaron singt, dann ist es immer schnell wie ein Traum. Alsbald stellt sich dann ein OF MICE & MEN-Track ein, auch wenn er irgendwie anders klingt. Das ist gut, denn man kann nicht immer wieder dieselbe Platte schreiben. Dieses Mal haben wir mithilfe der Zoom-App gearbeitet, was noch einmal andere Anforderungen an unsere gemeinsame Kreativität gestellt hat. Es dauerte ein wenig, bis wir zu einem guten Arbeitsfluss gefunden haben.“ Dann ging es für das Quartett wie gewohnt weiter: „Wir wollten einige neue Klänge ausprobieren, ohne dass ich sagen könnte, dass es von jemandem Bestimmten beeinflusst wurde“, überlegt Phil. „Vielmehr war es unser Anliegen, unsere eigenen Grenzen beim Schreiben weiter zu verschieben und Dinge auszuprobieren, die wir vorher noch nicht versucht hatten.“ Der Gitarrist weiß, auf wen er selbst schaut, um voranzukommen:

„Wenn ich Musik höre, suche ich nach eingängigen Melodien und starken Riffs. Künstler, die ich als Inspiration höre, sind Thrice, Gojira und Alexisonfire. All diese Bands sind auf ihrem eigenen Weg und spielen zeitlose Musik. Sie helfen mir auf jeden Fall mit Strukturen und Sounds für die Art von Songs, die ich schreiben möchte.“ Obwohl böse Zungen behaupten, dass im Feld zwischen MetalCore, Post-Hardcore und Alternative-Rock alles erzählt sei, nimmt der Gitarrist von OF MICE & MEN eine andere Position ein: „In allen Musik-Stilen besteht nach wie vor die Möglichkeit, originell oder eigen zu sein und aus der Masse herauszustechen. Das gelingt meistens dann, wenn man echt bleibt. Um das zu erreichen, muss man nur für sich selbst und nicht für andere schreiben.“

Of Mice & Men (ofmiceandmenofficial.com)