A WAKE IN PROVIDENCE

Das Album klingt so groß wie sein Titel: „Eternity“. A WAKE IN PROVIDENCE schicken sich ein weiteres Mal an, bissige Extrem-Attacken mit brachialen Downtempo-Parts und einer bombastischen Orchestrierung zu verbinden.

Wer die bisherige Entwicklung der Gruppe aus New York verfolgt hat, weiß um ihre unberechenbare Kreativität, die detailverliebte Akribie und die furchteinflößende Gesamtanmutung, die das Quartett kultiviert: „Bei allem, was ich tue, versuche ich, sicherzustellen, dass ich authentisch bleibe und nur das schreibe, was meiner kreativen Vision hilft“, äußert D’Andre Tyre, die treibende Kraft in Reihen der Band. Dass A WAKE IN PROVIDENCE zumeist dem Deathcore zugeschlagen werden, lässt den Musiker kalt. Er hat Besseres zu tun, als darauf viele Gedanken zu verschwenden: „Die Verwendung dieses Begriffs für unsere Gruppe stört mich ehrlich gesagt nicht. Ich mache mir aber ohnehin nichts aus dem Sub-Genre des Sub-Genres, sondern schreibe einfach das, was ich fühle und ausdrücken will. Das ist mein Antrieb und Ziel. Ich stimme dir aber zu und denke ebenfalls, dass wir keine Deathcore-Band im traditionellen Verständnis sind. Wenn manche Leute das Deathcore-Label sehen und sich beleidigt abwenden, ist das so. Wen interessiert das?“ Für den Gitarristen und Sound-Tüftler steht das Kreative klar im Vordergrund. A WAKE IN PROVIDENCE als mutige, vorwärts gerichtete Extrem-Kapelle, die stets das Unberechenbare tut, zu beschreiben, trifft das Wesen der New Yorker Formation in jedem Fall besser als Deathcore. Weil ihn Stil-Fragen nicht interessieren, geht es für D’Andre Tyre um die musikalische Güte beziehungsweise Wirkung seiner Lieder:

„Der entscheidende Gradmesser für mich ist stets, wie ich mich mit unserer Kunst fühle. Man kann es Stagnation nennen, wenn man sich festgefahren fühlt, oder auch als Rückschritt auffassen, wenn man das Gefühl hat, dass etwas Neues, was man erschafft, nicht das übertrifft, was man davor schon erschaffen hat. Doch wann immer ich mich hinsetze, um Songs zu schreiben, denke ich nie darüber nach, was ich tue oder schon erreicht habe. Es geht mir nicht primär darum, zu zeigen, dass ich mich weiterentwickelt habe. Vielmehr probiere ich bewusst und aus einem egoistischen Antrieb heraus immer neue Techniken aus. Sei es, dass ich einer Gitarren-Linie mehr Hall hinzufüge, oder dass ich die Lead-Stimme durch eine Waldhorn-Passage ersetze.“ Der Musiker von der US-Ostküste ist davon überzeugt, dass er auf diese Art und Weise zu Eigenständigkeit und auffälligen Tracks findet: „Originalität gibt es überall“, bekräftigt D’Andre Tyre. „Ich glaube, wir hören so sehr auf die Meinung anderer, was originell ist, dass die Leute sich verzetteln. Denk nur mal an den Deathcore, wie ihn die frühen Suicide Silence oder die frühen Carnifex gespielt haben. Die haben beide etwas Originelles gemacht, nur in einem ähnlichen Genre. Irgendwann entsteht dadurch dann eine Kluft, weil die Leute versuchen, zu beweisen, wer besser ist als der andere. Dabei wird dann oftmals die Originalität verdorben.“

A WAKE IN PROVIDENCE verwehren sich dem Wettbewerb mit ähnlich positionierten Gruppen. Sowohl die genutzten Stil-Mittel als auch die an den Tag gelegte Technik und Komplexität sind den New Yorkern nur Mittel zum Zweck, jedoch keine Daseinsberechtigung an sich: „Vieles davon kommt von dem, was ich schon zum Thema Originalität gesagt habe“, holt der Kreativkopf des Quartetts aus. „Orchestrale Elemente in den Metal einzubauen, ist an sich auch nichts Neues. Bands wie Fleshgod Apocalypse, Behemoth oder Dimmu Borgir betreiben das schon länger, als andere Bands, die das heute erst für sich entdecken, überhaupt existieren. Wir arbeiten ebenfalls stark mit zusätzlicher Orchestrierung, aber heißt das, dass wir automatisch wie Dimmu Borgir klingen? Nein, natürlich nicht. Sie mögen ein Einfluss sein, aber da hört es auf – zumindest in meinem Kopf. Für mich ist es allenfalls ein Element unseres Sounds, das uns vielleicht von anderen unterscheiden hilft.“ Die Orchestrierung erweitert in jedem Fall die Dichte, Tiefe und Intensität von „Eternity“. Schwieriger ist indes die Beantwortung der Frage, ob die schnellen, komplexen oder die ausgebremsten, massiven Parts furchteinflößender und durchschlagender sind. So oder so, das Quartett ist gar nicht darauf aus, als bösartig und gefährlich wahrgenommen zu werden:

„Nein, überhaupt nicht“, stellt D’Andre Tyre klar. „Das, woran ich beim Schreiben einiger Abschnitte denke, ist: klingt dieser Teil aggressiv? Oder: trifft er die melancholische Stimmung? Am Ende versuche ich lediglich, herauszufinden, was ich mit jedem einzelnen Song oder diesem oder jenen Teil eigentlich ausdrücken will.“ A WAKE IN PROVIDENCE ist dem Multi-Instrumentalisten die Plattform, um seine Vision extremen, düsteren Metal umzusetzen: „Ich kann glücklicherweise sagen, dass ich beim Schreiben keinen Einschränkungen mehr begegne. Außer dem natürlich, was ich machen oder auch nicht machen will. In der Band habe ich heute die beste Gruppe von Leuten, die meine Vision und die Geschichten, die ich zu erzählen versuche, verstehen und die mir vertrauen. Das ist für mich befreiend, so dass ich mich entfalten kann. Die Tatsache, dass ich überhaupt keinen Metal oder Rock höre, beeinflusst die Art und Weise, wie ich Musik höre und schreibe. Als eine Folge dessen, haben sich mehr Groove und Flow in meine Musik eingeschlichen. Vor allem, seit ich angefangen haben, so zu schreiben, wie es meiner Meinung nach für die jeweilige Geschichte nötig ist.“

Mit „Eternity“ erscheint auch deshalb das bis dato spannendste und stärkste Album der New Yorker, weil es ein Mehr an einordnendem Kontext und dunkler Atmosphäre gibt. Darin drücken sich eine gewachsene Erfahrung und größerer kompositorischer Mut aus: „Ich glaube nicht, dass es eine Idee gibt, die zu verrückt ist, um sie nicht zu testen“, mutmaßt der Gitarrist. „Deshalb probiere ich jeden einzelnen wilden Einfall aus und verfeinere ihn, bis er richtig klingt. Oder ich verwerfe ihn. Wenn etwas nicht funktioniert, werde ich es nicht erzwingen. Es hat nicht ohne Grund nicht funktioniert. Das erste notenlastige, technische Riff in ,The Horror ov The Old Gods‘ war zum Beispiel eines, an dem ich anderthalb Jahre lang gesessen habe, bis ich merkte, dass es in diesem Song funktionieren wird. Zunächst dachte ich nicht, dass dieser Teil passen würde, weil ich dort einen mehr auf Groove basierenden, rhythmischen Teil hatte, den ich nicht mochte. Und dann fand ich dieses Riff. So etwas passiert, wenn man sich keine Grenzen setzt und einfach verrückte Ideen ausprobiert.“

Was für den kleinen Kontext von A WAKE IN PROVIDENCE gilt, besitzt auch für den größeren Rahmen Gültigkeit: „Meiner Auffassung nach stehen wir an der Schwelle zu etwas ganz Neuem“, so D’Andre Tyre. „Es braucht immer nur eine Person, die beschließt, etwas Verrücktes zu einem Stil hinzuzufügen, dass das Genre dann in ein ganz neues Universum katapultieren könnte. Aber wer weiß schon, was das ist und wann es passiert? Wenn das für mich klar und greifbar wäre, wären wir jetzt schon richtig groß. Für mich gibt es immer etwas Neues auszuprobieren. Und glaub‘ mir, ich arbeite mit jedem Song in diese Richtung. Es ist nicht unbedingt mein Ziel, das Rad des extremen Metal neu zu erfinden. Ich versuche nur, es noch ein bisschen mehr zu verzerren.“ Die aktuelle Vierer-Besetzung hilft dabei: „Das Einzige, was sich im Verlauf der Zeit verändert hat, ist, dass ich neue beste Freunde gewonnen habe, die meine verrückten Ideen verstehen und sie entweder mitmachen oder ergänzen. Die Zusammenarbeit in der Band hat sich über die Jahre stark verbessert. „Eternity“ ist das Album, das ich schon immer schreiben wollte, aber zu dem ich bislang noch nicht bereit oder fähig war.“

Angst, das Publikum mit den eigenen Songs zu überfordern, hat der Musiker nicht: „Es geht um die Stimmung und um Emotionen“, stellt D’Andre Tyre klar. „Wenn sie A WAKE IN PROVIDENCE hören, sollen unsere Zuhörer etwas fühlen. Natürlich habe ich meine eigenen Gefühle, die mit diesen Liedern und den Texten verbunden sind. Das muss ich aber nicht in aller Einzelheit an unsere Hörer weitergeben. Manche Leute benutzen Musik, um mit ihren Problemen fertig zu werden. Es hilft ihnen nicht, wenn ich ihnen vorgebe, wie sie sich fühlen sollen, wenn sie uns hören. Das, was ich vermitteln will, sind Emotionen und nicht, wie wir zu verstehen sind.“ Der Extrem-Metal und die Lyrics bilden aber schon eine konzeptionelle Einheit, die sich erst im Zusammenspiel und Verständnis von beidem erschließt: „Ich versuche mein Bestes, immer neue Wege zu finden, um meine Geschichte zu vermitteln“, sagt der Komponist und Texter. „Manchmal erfordert das, dass ich auf Mythologie oder Fiktion zurückgreife. Ich begreife jedes einzelne Stück als eine Geschichte, die es lohnt, erzählt zu werden. Die Single ‚GodKiller‘ war zuletzt eine in sich geschlossene Erzählung, weshalb der Song auch siebeneinhalb Minuten lang war. Das Album „Eternity“ ist wiederum eine ganz andere Geschichte und braucht 43 Minuten, um erzählt zu werden.“

Der Kreativkopf der New Yorker freut sich darüber, dass die Fans sich intensiv einbringen und die Auseinandersetzung mit den monumentalen Songs oder Veröffentlichungen nicht scheuen: „,Godkiller‘ ist ein großartiges Beispiel dafür, dass die Leute immer noch etwas Langformatiges konsumieren wollen. Dieser Song ist 7:30+ Minuten lang und war einer unserer besten und am schnellsten wachsenden Tracks überhaupt. Wenn die Leute Interesse an diesem einen Song haben, werden sich auch mit den 43 Minuten von „Eternity“ umgehen können.“ Und dass, obwohl A WAKE IN PROVIDENCE die Stimmung auf Hörer-Seite merklich trüben: „Traurigkeit, Sorge, Furcht, Angst… Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen“, weiß D’Andre Tyre. „Ich möchte, dass die Hörer die Emotionen, die in dieses Album eingeflossen sind, spüren und hören, damit sie ihre eigenen Gefühle darin wiederfinden. Bei diesem Album gab es viel zu sagen und die Leute sollen alle Emotionen spüren.“

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