MEHR METAL, ABER IMMER NOCH VIEL HARDCORE. So lässt sich die Ausrichtung des Zweitwerks von ADDITIONAL TIME umreißen. Die Band aus dem Saarland präsentiert sich auf „Dead End“ stilistisch brutaler und technischer ausgerichtet. Reichlich Identifikationsfläche und Animationsprogramm im Stil einer NY-HC-Kapelle findet sich aber ebenfalls. Dem Grunde nach ist alles auf intensive Live-Shows ausgerichtet. Eine Tour mit SHUTDOWN ist bereits angekündigt.
Der YouTuber FINN MCKENTY hat in mehreren Videos seines Kanals „Punk Rock MBA“ sinngemäß geäußert, dass es auf lange Sicht nicht gesund sein kann, wenn man Jahr(zehnt)e lang aggressive Musik spielt, sich für Shows mental aufputscht und wütende Texte zum Besten gibt. Frontmann Chris und Gitarrist Achim von ADDITIONAL TIME sehen das anders: „Eigentlich eher das Gegenteil. Für uns ist das ein Ventil, um Frust und Aggression rauszulassen – sowohl auf als auch vor der Bühne. Das ist ein ähnlicher Ausgleich für den Stress des Alltags wie Sport. Nach 10+ Jahren haben wir auf jeden Fall noch keine Aggressionsbewältigungstherapie gebraucht.“ Der im wahrsten Sinne des Wortes ausweglose Album-Titel soll aber genau auf das einzahlen, was man hinsichtlich Ästhetik und Wirkungsrichtung suggeriert: „Genau, Ausweglosigkeit, aber auch Hoffnungslosigkeit, Melancholie, Wut, Apathie und Aufbegehren. Das alles sind Gefühle, die bei den Songs eine Rolle spielen und das wollten wir auch klangästhetisch rüberbringen“, bestätigen Chris und Achim. „Wir zeichnen ein größtenteils düsteres und dystopisches Bild, aber es gibt auch Lichtblicke. Bei der Produktion war uns vor allem wichtig, dass sie rau, wuchtig und nicht zu glattgebügelt rüberkommt.“
Stilistisch legen ADDITIONAL TIME ebenfalls Wert darauf, dass sie sich nicht in einer Komfortzone einrichten, sondern herausfordern: „Generell finden wir eine größere Offenheit für Genre-fremde Einflüsse bzw. Elemente cool“, stellen der Frontmann und Gitarrist klar. „Wir achten vor allem darauf, dass die Songs etwas komplexer und anspruchsvoller sind als zuvor, was auch als Ergebnis der größeren Offenheit gegenüber anderen Musikrichtungen gefolgt ist. Mit „Dead End“ haben wir einen Grundstein für eine neue Richtung und Weiterentwicklung gelegt und wollen sehen, wie weit wir das pushen können.“ Das Zweitwerk er Saarländer besitzt einen roten, zusammenhängenden Faden und ist stilistisch breiter gefasst, als man auf den ersten Blick meint. Daraus resultieren unweigerlich Dynamik und Abwechslungswert: „Es ist Beides, sowohl Absicht als auch Zufall“, verraten Chris und Achim. „Wir wollten unseren Stil neu erfinden und dabei haben wir dann einfach Verschiedenes ausprobiert – aber immer mit dem Blick auf das Gesamtkonzept. Unsere Richtung soll in Zukunft noch etwas stärker eingegrenzt werden, als sie es auf „Dead End“ ist. Wir wollen aber keine starre Linie fahren, uns musikalisch nicht zu sehr einschränken. Ein Vorteil bei mehr Abwechslung ist es, dass man beim Songwriting mehr interessante Möglichkeiten hat, zum Beispiel Einflüsse aus weniger harten Genres einfließen zu lassen. Ein Nachteil ist sicherlich, dass nicht jedem, der einen Song von uns mag auch die anderen Songs gefallen und es teilweise schwieriger ist, uns in einem Genre zu platzieren und entdecken zu lassen.“
Im Prozess des Songwriting geht es ADDITIONAL TIME zunächst allein um gute Tracks: „Ein guter Song kann durch Verschiedenes ausgezeichnet werden, zum Beispiel eine Hookline, die im Kopf bleibt, oder eine interessante oder ungewöhnliche Song-Struktur oder Stil-Mischung“, nähern sich die beiden Musiker an. „Wir versuchen immer, aus dem Trott auszubrechen und etwas Neues auszuprobieren. Doch manchmal kann auch ein eher konventioneller Song geil sein.“ Was die tatsächliche Arbeit anbelangt, geht es bei den Musikern aus dem Südwesten Deutschlands heute professionell und klassisch zu: „Früher sind die Songs im Proberaum nach dem Zufallsprinzip entstanden, mittlerweile ist das Vorgehen aber sehr strukturiert“, berichtet Frontmann Chris. „Achim schreibt einen Song und macht eine Demo-Version fertig. Diese wird dann mit dem Rest der Band geteilt und geschliffen. Danach geht es dann, wenn die Pre-Produktion fertig ist ins Studio, wo dann noch die letzten Feinheiten finalisiert werden.“ Mit dem Zweitwerk ist also keine zusammengehörige Konzept-Platte entstanden:
„Es ist eher eine Ansammlung einzelnstehender Songs, die alle zu den bereits genannten Gefühlen passen“, ordnen der Frontmann und Gitarrist ein. „Die Songs sind Impressionen diverser Gefühle – von Melancholie (,Stronger Than Death‘), über Wut (,Filled With Rage‘) bis hin zu Verzweiflung und Depression (,War Inside‘). Man fühlt sich ja nicht immer gleich. Die Songs spiegeln oftmals wider, wie wir uns gefühlt haben, als sie entstanden sind. Es war keine Absicht, aber es hat den positiven Effekt, dass Leute sich angesprochen fühlen, die gerade ähnliche Emotionen durchleben.“ ADDITIONAL TIME sind mit dem Ergebnis auch aus anderen Gründen zufrieden:
„Wir haben bewusst einen Schwerpunkt auf Weiterentwicklung gelegt und wollten uns von der Eindimensionalität wegbegeben“, so die Musiker. „Eine Neuerfindung, ohne die Wurzeln zu vergessen. Uns gefällt vor allem die schon angesprochene Diversität, weil wir Vieles ausprobieren konnten.“ Von den Anfängen im Jahr 2011 bis heute hat das Quintett einen weiten Weg zurückgelegt: „Damals haben sich ein paar Kumpels aus der Hardcore-Szene entschieden, zusammen Musik zu machen. Dementsprechend klang ADDITIONAL TIME anfangs. Uns war vor allem Zusammenhalt, Gemeinschaft und eine gesunde Prise Auflehnung gegen das Establishment wichtig. Heute sind wir älter und haben mehr erlebt, was wir in unserer Musik verarbeiten. Natürlich hat sich die Besetzung über die Jahre verändert. Daher gibt es auch andere Einflüsse; eine Akkumulation der Einflüsse der neuen Mitglieder und auch des sich wandelnden Musik-Geschmacks. All das kann man als Grund für die Klangfarbe des neuen Albums anführen.“