…AND OCEANS

Die Finnen sind immer für eine Überraschung gut. Mit „Cosmic World Mother“ ist 2020 zur Rückkehr von …AND OCEANS ein direktes Symphonic-Black Metal-Album erschienen. Auf dessen Nachfolger „As In Gardens, So In Tombs“ interpretiert das Sextett seinen Ansatz nun breiter und lässt gleichzeitig die Ästhetik der 1990er Jahre wiederauferstehen.

Die Musiker kennen bezüglich ihrer Kreativität und Vorlieben keine Restriktionen, was die Arbeit als Festerday, Havoc Unit beziehungsweise …AND OCEANS und die kontinuierlich gelebte Experimentierfreude zwischen Death, Black und Industrial Metal belegen: „Bei …AND OCEANS war es schon immer so, dass wir keine Angst davor haben, das zu tun, was sich für uns richtig anfühlt“, gibt sich Gitarrist Timo bescheiden. „Mit diesen neuen Alben wollten wir den Sound der 90er Jahre wieder aufgreifen, aber auch etwas Neues in den Mix einbringen. Wenn es um unsere Musik geht, gibt es so etwas wie einen neuen Ansatz, weil wir mit Antti einen neuen Keyboarder haben, der auch Songs schreibt. Bestimmt merkt man, welche Songs von ihm und welche von mir oder Teemu (Schlagzeug) stammen. Ich kann allerdings nicht sagen, was uns auszeichnet oder ob wir überhaupt etwas Besonderes sind. Wir sind uns der Tatsache bewusst, dass unsere jetzige Musik stark von den 90er Jahren beeinflusst ist und das heute nur noch wenige Bands so angehen. Ehrlich gesagt denke ich aber nicht allzu viel darüber nach. Zumindest nicht, wenn ich gerade dabei bin, Songs zu schreiben. Das würde nur meine künstlerische Freiheit einschränken.“ Die Finnen schauen allein auf sich und ihre jeweilige Interessenlage:

„Wir treten nicht in einen Wettlauf mit anderen Bands ein, um etwas Neues und noch nie Gehörtes zu erfinden“, bestätigt der Gitarrist. „Es gibt ausreichend viele Bands, die alles bis an die Grenze und sogar darüber hinaus ausreizen. Mitunter habe ich das Gefühl, dass es nur um der Sache willen gemacht wird oder nur, um aus der Masse herauszustechen. Daran sind wir nicht interessiert. Vielleicht sind wir als Band schon zu alt für so etwas. Sollen sich doch die neuen Bands darum kümmern. Wir haben für uns die richtige Balance zwischen schnellen und aggressiven Sachen sowie sanfteren und melodischen gefunden, auch wenn wir hier und da mal eine Wendung einbauen. Dafür sind wir ziemlich bekannt, und vielleicht machen wir so weiter. Oder auch nicht.“ In Anbetracht der musikalischen Umtriebigkeit von …AND OCEANS mit und neben dieser Band überrascht die Aussage bezüglich vorwärts gerichtet aufspielender Kollegen: „Die Ausreizung von Geschwindigkeit und Komplexität ist etwas, das man eigentlich in keinem Genre weitertreiben kann“, äußert Timo auf Nachfrage. „Es fängt an, lächerlich zu klingen. Verschiedene Genres zu mischen, ist etwas, was man tun kann und schon lange getan wird. Doch es gibt auch eine feine Grenze, wann es schrecklich oder großartig klingt. Wir denken nicht darüber nach, dass wir verschiedene Stile in unsere Musik einbauen müssen, nur um neu oder frisch zu klingen. Andererseits tun wir das einfach, ohne darüber nachzudenken, woher die Einflüsse alle kommen. Weil wir alle Arten von Musik hören, nehmen wir zumindest auch unterbewusst Einflüsse von überall her. Wir könnten in unserer Musik große Sprünge machen, aber wenn es nicht natürlich klingt, werden wir es nicht tun. Wenn man Kompromisse eingeht, ist man sich selbst nicht treu. Und wenn man sich selbst nicht treu ist, kann man im Musikgeschäft nicht überleben. Solange wir mögen, was wir tun, und nach unseren eigenen Regeln spielen, geht es weiter.“

Die zweite Platte seit der Rückkehr als …AND OCEANS darf zur Bestätigung der Einlassungen herangezogen werden: „Wir befinden uns in einer guten Position, denn wir spielen etwas, was aktuell nur von wenigen anderen auch getan wird“, freut sich der Musiker aus Finnland. „Das erinnert mich an die 2000er Jahre, wo wir es auch so gehalten haben. Damals sind wir vom symphonischen und melodischen Black Metal zu etwas anderem abgedriftet. Daran ist nichts auszusetzen. Das war ganz natürlich. Genauso war es in den frühen bis Mitte der 1990er Jahre, als viele Bands anfingen, ihren Death Metal mit anderen Stilen zu mischen. Jetzt sind wir zurück und bringen den Musik-Stil der alten Tage wieder nach vorne – zumindest hoffen wir das.“ Obschon die Gruppe stilistisch eigentlich breiter aufgesetzt ist, stört sich Timo an der Verortung als Symphonic-Black Metal nicht:

„Wir selbst und alle anderen haben uns immer als symphonischen oder melodischen Black Metal abgestempelt“, gibt der Gitarrist zu. „Obwohl wir in den frühen Tagen noch gesagt haben, dass wir kein Black Metal sind. Da dachten wir noch, man müsste satanische Texte haben, um Black Metal zu sein. Heutzutage denke ich nicht mehr viel über Genres oder Bezeichnungen nach, zumindest nicht bei meiner eigenen Band. Wenn ich möchte, dass die Leute eine Vorstellung davon bekommen, wie wir klingen, sage ich aber weiterhin symphonischer Black Metal. Das ist gar nicht so weit von der Wahrheit entfernt.“ Die Stücke von „As In Gardens, So In Tombs“ basieren wiederum auf dem Dualismus von zügellosen, rüden Attacken und Passagen intensiver, dichter Atmosphäre: „Da hast du den Nagel auf den Kopf getroffen“, freut sich Timo. „Ich denke auch, dass wir eine gute Balance aus extremen, aggressiven Sachen und atmosphärischen, melancholischen Momenten gefunden haben. Das ist etwas, was wir nach und nach formen und ausarbeiten. Beim Songwriting gibt es für mich keinen speziellen Fokus. Ich versuche einfach, so gute Riffs und Leads, etc. wie möglich zu erschaffen. Dann arrangiere ich selbst oder Antti oder wir beide zusammen, um das Beste daraus zu machen.“

Dass die neue Platte vielschichtiger und ganzheitlicher anmutet, ist kein Zufall, sondern gewollt: „Wir wussten, dass „Cosmic World Mother“ ein geradliniges, direktes Album war und nicht so viel Platz zum Atmen oder zum Erholen der Ohren geboten hat, um es mal so auszudrücken“, leitet der Finne ein. „Es war unser erstes Album nach einer langen Pause. Vielleicht war das etwas, das darauf wartete, aus unserem System herauszukommen, um es uns nun zu ermöglichen, dass wir es langsamer angehen konnten. Das war nichts, worauf wir uns konzentrieren mussten. Es kam einfach von selbst. Manchmal ist es nur eine Frage der Wahl des Schlagzeugmusters, die einen großen Unterschied im Gefühl des Songs ausmacht.“ Im Kontext von …AND OCEANS steht für den Gitarristen die natürliche Weiterentwicklung im Vordergrund:

„Die Art und Weise, wie ich Songs schreibe und welche Art von Songs es sind, hat sich kaum verändert“, so Timo. „Es sind die gleichen wie früher. Vielleicht versuche ich, mich mehr auf die Details in den Songs und in meinem Spiel zu konzentrieren, und als Band sind wir heute vielleicht mehr wie eine Einheit. Und ja, wir diskutieren mehr über alles. So, wie es jede Band tun sollte. Das war zu Beginn unserer Karriere noch nicht der Fall, aber ansonsten ist vieles gleich geblieben. Spätestens seit den Zeiten um das „Mare Liberum“ Demo von 1997 herum, als wir zu dem Sound gefunden haben, den wir nach wie vor pflegen. Normalerweise höre ich es sofort, ob etwas Bestand hat oder nicht. Ich nehme jedes Riff auf, das es wert ist, aufgenommen zu werden. Nach ein paar Tagen spiele ich sie dann ab und wenn sie noch gut klingen, behalte ich sie und versuche, einen Song daraus zu machen. Manchmal wäre es besser, mit unserem Schlagzeuger zu jammen und neue Sachen zu schreiben, aber das ist nicht möglich, da wir 500 Kilometer voneinander entfernt leben. Erst wenn wir einen Song gemeinsam proben, wissen wir, ob er wirklich funktioniert – oder nicht.“

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