CULT OF LUNA

„A Dawn To Fear“ – schon der Titel verspricht Großes. Sechs Jahre nach „Vertikal 1&2“ legen CULT OF LUNA ein neues Album vor, das keine Kollaboration oder Live-Platte ist. Hörer können gut 80 Minuten in einen spontanen, düsteren und schwergewichtigen Post-Metal eintauchen, der herrlich unverfälscht und organisch klingt.

„Natürlich schmeichelt es mir, wenn ich solche Aussagen höre“, entgegnet Gitarrist Johannes Persson darauf angesprochen, dass seine Gruppe bei Wikipedia als einer der erfolgreichsten Vertreter des Post-Metal und neben Neurosis und Isis als bedeutsame Referenzgruppe des Genres bezeichnet wird. „Es fühlt sich aber auch komisch an, dass Leute uns zusprechen, etwas Eigenständiges zu tun und das Genre weiter zu entwickeln. Darüber, wie unsere Kreativität von außen wahrgenommen wird, kann ich zum Glück nur wenig sagen. Ich stehe ja auf der anderen Seite und kenne vor allem unsere interne Sichtweise. Wir schreiben das, was wir wollen, ohne über Konsequenzen oder die Wirkung dessen nachzudenken. Wenn die Leute uns aufmerksam hören und auf ein Podest stellen, freut uns das. Doch wir sind vor allem dankbar dafür, dass sie uns überhaupt hören, und bilden uns darauf nicht viel ein. Als Band sind wir uns und unserem Weg verpflichtet. Wir kennen unsere Historie und wissen, worauf wir aufbauen. Wir versuchen nicht zwangsläufig, irgendetwas neu oder anders zu tun. Insofern überrascht uns die Bedeutung, die uns zugesprochen wird, letztlich doch“.

Insbesondere den Vergleich mit Neurosis und Isis will der Schwede nicht gelten lassen: „Aus meiner Perspektive ist dieser Vergleich unfair. Wir sind auch keinesfalls die einzige Gruppe, die auf den Spuren dieser beiden Gruppen wandelt. Die Post-Metal-Szene, oder wie immer die Leute das heutzutage auch nennen, ist eine große und vitale Szene, in der es zahllose gute Bands gibt. Neurosis ist die mit Abstand wichtigste Band für alle. Obschon ich die Vergleiche zu ihnen nachvollziehen kann, denke ich nicht, dass wir einen vergleichbaren Nachhall gefunden haben. So vermessen bin ich nicht, denn nicht wir haben das Genre begründet, sondern sie. Ich habe Neurosis schon unzählige Male live gesehen und bin doch jedes Mal wieder aufs Neue beeindruckt. Das letzte Mal habe ich mich hinterher mit einem Kumpel über sie unterhalten. Wir sind unabhängig voneinander beide auf den Nenner gekommen, dass sie so gut sind, weil sie im Herzen immer noch Punk sind. Bis heute sind sie ihren Wurzeln verpflichtet, auch wenn sie musikalisch vom Punk inzwischen meilenweit entfernt sind. Doch man spürt es nach wie vor. Neurosis klingen zu einhundert Prozent authentisch und aufrichtig. Das schätze ich so an ihnen. So etwas suche ich bei jeder Band, mit der ich mich eingehender beschäftige. Ich muss fühlen, dass die Songs aus dem Herzen kommen. Deshalb: wenn die Leute in unseren Songs etwas Vergleichbares bemerken, nehme ich das Kompliment gerne an“.

Wikipedia ist ebenfalls zu entnehmen, dass der Gitarrist das letzte verbliebene Gründungsmitglied von CULT OF LUNA ist: „Das ist nicht ganz richtig bzw. stimmt nur, wenn man sich auf das offizielle Line-up bezieht“, erwidert Johannes. „Magnus Lindberg ist inzwischen nicht mehr so fest involviert und konzentriert sich auf seine Produzenten-Tätigkeit, doch er ist für mich nach wie vor Teil der Band und das gemeinsam mit mir seit den ersten Tagen. Darüber hinaus ist unsere Besetzung seit 14 oder 15 Jahren mehr oder weniger fest, so dass wir bestens aufeinander eingespielt sind. Wir arbeiten schon lange und gut zusammen, sind als Einheit gemeinsam gewachsen. Wir kennen uns in- und auswendig, sind die besten Freunde, die auch noch zusammen Musik machen. Und das ist nicht nur ein blöder Spruch. Als wir die Band gestartet haben, war ich 19 Jahre alt. Heute bin ich 40. Was sich über die Jahre immer klarer herauskristallisiert hat, ist mein Wunsch, etwas komplett Aufrichtiges umzusetzen und nur auf uns zu hören. Ich bin auch an anderen Bands oder Projekten beteiligt gewesen und habe mich in anderen Feldern mit anderen Musikern ausprobiert. Letztlich hat mir immer etwas gefehlt und mich zu CULT OF LUNA zurückgeführt. Das ist einer der Gründe, weshalb man hört, dass wir unverfälscht und authentisch aufspielen. Wir profitieren aber auch immens davon, dass wir schon so lange gemeinsam eine Band sind, insbesondere im Songwriting. Ich für meinen Teil beobachte die Welt heute so aufmerksam und kritisch wie schon 1998. Meine Möglichkeiten, das musikalisch zu spiegeln, sind allerdings gewachsen“.

Über die Zeit ihres Bestehens hinweg haben sich die Schweden eine eigene Klangästhetik erarbeitet. „A Dawn To Fear“ schreibt diese fort, obwohl die Attitüde des neuen Albums eindringlicher und jäher ausfällt: „Es wäre ein Fehler, sich nach den Erwartungen anderer zu richten“, äußert der Gitarrist mit Blick auf das direkte, unstete Wesen des neuen Albums. „Wir kümmern uns ausschließlich um unsere Bedürfnisse und Vorlieben. Das, was wir tun, liebe ich. Natürlich sind wir uns der Tatsache bewusst, dass Hörer zunächst einmal immer nur das schätzen und mögen, was sie kennen. Das kann schon beim nächsten Album ganz anders sein. Doch das ist offenkundig etwas, was sich erst hinterher herausfinden lässt. Erst, wenn die Songs geschrieben und aufgenommen sind sowie das Album veröffentlicht ist, erfährt man, was die Leute denken. Unsere Band besteht inzwischen seit etwas mehr als zwanzig Jahren. Wir haben so viel gesehen und erlebt. Eins wissen wir mit Sicherheit: wenn uns die neuen Sachen gefallen und uns die Leute schon über so einen langen Zeitraum die Treue gehalten haben, besteht die realistische Chance, dass sie es auch weiterhin tun werden. Um ehrlich zu sein, habe ich schon bei einigen unserer Veröffentlichungen die Befürchtung gehabt, dass es nicht funktionieren würde. Letztlich hat es das aber doch immer getan. Es ist keine Floskel, wenn ich sage, dass ich auf jedes neue Album von uns unglaublich stolz bin. So auch dieses Mal. Ich liebe die neuen Songs und kann es gar nicht abwarten, sie live zu spielen. Solange man mit ganzem Herzen bei der Sache ist, wird es funktionieren. Davon bin ich überzeugt. Und das ist bei „A Dawn To Fear“ der Fall“.

Letztlich ist von entscheidender Bedeutung, ob Hörer eine Beziehung zu den transportierten Emotionen aufbauen, oder das nicht tun. Johannes Perssons Aufgabe besteht darin, seine Gefühle in Musik zu überführen: „Ich kann sagen, dass ich heute bewusster und mit mehr Aufwand arbeite“, so der Gitarrist. „Anfangs haben wir die Dinge mitunter leichtgenommen. Das tun wir inzwischen nicht mehr. Obwohl wir als Songwriter besser geworden sind, fällt uns das Songwriting heute teils schwerer. Das liegt nicht zuletzt daran, weil unsere Ansprüche gewachsen sind. Wir haben ein gutes Gespür dafür, ob oder wann ein Stück fertig ist. Entsprechend wissen wir auch, wann das noch nicht der Fall ist. In den ersten Jahren ging es noch darum, die Instrumente richtig beherrschen zu lernen und zu verstehen, was gute Songs ausmacht. Über dieses Stadium sind wir lange hinaus, was es härter macht“. Was der schwedische Musiker auf Nachfrage ergänzt, klingt aber doch ganz anders: „Wann immer wir im Kreativmodus sind, schreiben wir so viele Songs, wie es in dieser Phase möglich ist. Das verläuft spontan und ungefiltert. Doch spätestens dann, wenn wir ins Studio gehen, wissen wir sehr genau, worauf wir aus sind und wie das Ergebnis klingen soll. Das neue Album sollte kraftvoll und impulsiv klingen. Entsprechend wirkt es. Wir haben bewusst davon abgesehen, ein Konzept zugrunde zu legen, sondern einfach drauf los gespielt. Das bedeutet allerdings nicht, dass wir im Studio improvisiert haben“.

Der Gitarrist hat für sich einen simplen, jedoch effektiven Qualitäts-Check etabliert: „Diesbezüglich halte ich die Dinge einfach“, verrät Johannes. „Entweder gefällt mir ein Stück oder es gefällt mir nicht. Das ist der Gradmesser. Ich persönlich muss kontinuierlich beschäftigt sein und Songs schreiben. Ich kann nicht ohne. Neunzig Prozent dessen, was ich schreibe, verwerfe ich schnell wieder. Dennoch ist auch dieses Material wichtig und wertvoll für mich, denn es hilft mir dabei, mich aus zu probieren. Andernfalls hätte ich ja direkt das fertige Ergebnis und würde daran nicht wachsen. Songwriting ist ein Prozess des Versuchens und Scheitern. Nur ein Bruchteil meiner Ideen funktioniert so, wie ich es mir vorstelle. Das macht es umso wertvoller. Bei der Arbeit für „A Dawn To Fear“ habe ich übrigens bewusst versucht, nicht mit zu vielen Ideen zu spielen, sondern mich auf wenige zu konzentrieren. Das betrifft das Ideenspiel in meinem Kopf, das dem eigentlichen Songwriting vorgeschaltet ist. Ich habe mich von meinen Impulsen leiten lassen und nicht zu viel nachgedacht. Ich finde, das äußert sich auf dem Album sehr deutlich“.

www.cultofluna.com