DOWNFALL OF GAIA

Das Grundgerüst einen düsteren, drückenden Sounds zwischen Death-, Crust-, Black-, Sludge- und Post-Metal bleibt. Dennoch klingt und wirkt „Ethic Of Radical Finitude“ ganz anders als seine Vorgänger. Die sechs neuen Stücke von DOWNFALL OF GAIA zeichnen sich durch mehr Atmosphäre, Melodie und Umsicht aus, lassen es aber dennoch nicht an Brachialität und Durchschlagskraft missen.

Die Arbeit am neuen Material ist noch nicht lange beendet, die Eindrücke entsprechend frisch: „Ich würde schon sagen, es ist das Album mit der meisten Dynamik, Melodie und Struktur“, äußert Frontmann Dominik Goncalves dos Reis darauf angesprochen, inwieweit die vierte Platte für Metal Blade die Entwicklung von DOWNFALL OF GAIA fortsetzt und die Erwartungen der Band trifft: „Das ist aber generell schwierig zu beantworten. Am Ende entsteht sehr viel durch Bauchgefühl und es ist ein unterbewusster Prozess, bei dem sich viele Bausteine richtig anfühlen müssen. Bei uns ist es selten so, dass wir vorher sagen, ein Album hat so und so zu klingen oder wir eine bestimmte Richtung einschlagen. Worauf wir aber in jedem Fall geachtet haben und was uns diesmal sehr wichtig war, ist die Produktion. Wir wollten einen klaren und detaillierten Sound, weshalb wir bei dieser Platte auch komplett neue Wege gegangen sind.“ Thematisch gibt es dabei nicht wie gewohnt ein Konzept, wohl aber das übergeordnete Thema von Unzufriedenheit und einer niemals versiegenden Gier nach mehr – obgleich das Quartett dem Hören nach mit sich und seinem Sound zufrieden zu sein scheint:

„Das finde ich auf jeden Fall einen ziemlich interessanten Einwurf und irgendwo gebe ich dir da Recht,“ erwidert der Sänger und Gitarrist. „Momentan fühlt es sich auf musikalischer Ebene wirklich richtig an. Wir ziehen alle an einem Strang, was die Sache ungemein erleichtert. Auf der anderen Seite versiegt aber natürlich auch hier nie die „Gier nach mehr“. Ich würde uns schon als selbstkritisch bezeichnen, an manchen Stellen sogar zu sehr. Aus dem Grund entsteht natürlich ganz automatisch und immer wieder der Anspruch nach mehr – zumindest auf der kreativen Ebene.“ In diesem Zusammenhang erfährt der Band-Name DOWNFALL OF GAIA weiterhin Aktualität: „An der grundlegenden Bedeutung des Namens hat sich für mich nicht viel verändert“, stellt Dominik klar. „Meiner Meinung nach steht die Welt heutzutage sogar noch schlimmer da als vor zehn Jahren. Von Tag zu Tag werden die Dinge absurder. Vieles kann ich nicht mehr nachvollziehen. Wahrscheinlich war dies schon immer so. Die Leute haben lediglich ihren Mund gehalten und hatten glücklicherweise noch nicht so viel Wind in den Segeln, wie es heutzutage der Fall ist. Wir leben in absolut bedenklichen Zeiten. An der grundlegenden Auslegung des Namens hat sich also nicht viel verändert, die Dinge für uns persönlich hingegen schon. Vor zehn Jahren hatten wir noch ganz andere Maßstäbe, der Ansatz war ein ganz anderer. Wir waren inmitten einer sehr aktiven Crust-Szene unterwegs und auf der Suche nach einem Namen, der in irgendeiner Art und Weise zu unserer Musik passt. Damals haben wir das Ganze noch etwas reduzierter oder sogar oberflächlicher gesehen. Heute würde ich den Namen viel mehr auf das Persönliche beziehen, weniger auf das Allgemeine – also dem Ganzen mehr Tiefgründigkeit zusprechen, als es damals der Fall gewesen ist. Es geht jetzt viel mehr um das persönliche Ganze mit all seinen unvermeidlichen Schattenseiten und Gedanken.“

Mit Blick auf den Album-Titel „Ethic Of Radical Finitude“ führt das unweigerlich zu der Frage, welche Konsequenz der Musiker für sein Leben daraus ableitet, dass die Endlichkeit unvermeidlich ist: „So abgedroschen es auch klingt: ich finde, dass alles im Leben seinen Moment, seinen Abschnitt hat. Dessen sollte man sich bewusst sein, was viele Leute jedoch nicht können oder vielleicht auch gar nicht wollen. Diese Band wird es natürlich auch nicht auf ewig geben. Der Moment und das Kapitel sind schön und wir sind sehr dankbar dafür, dass wir das alles mitmachen dürfen. Doch auch hier wird irgendwann der nächste Abschnitt eingeläutet. Das Kapitel wird geschlossen und ein neues beginnt. So ist es mit so ziemlich allem im Leben. Bei vielen Menschen herrscht im Kopf jedoch der – vielleicht auch nachvollziehbare – Wunsch nach „ankommen“ vor; irgendwann seinen Platz zu finden. Ich spreche jetzt nicht von Haus, Partner, Job und Kind, vielmehr meine ich die innere Ruhe und den inneren Frieden. Diese Suche bestimmt den Großteil unserer Zeit, allerdings scheinen die Wenigsten wirklich anzukommen. Manchmal muss man sich einfach eingestehen, dass dieser erwünschte Punkt im Leben niemals eintreten wird. Dafür liegen das „Streben nach mehr“ und eine gewisse Unzufriedenheit viel zu sehr in unserer Natur.“

Auf der vierten Platte für Metal Blade sind als Gäste – neben Nikita Kamprad (Der Weg Einer Freiheit) und Mers Sumida (Black Table) – die früheren Weggefährten Peter Wolff (Gitarre) und Johannes Stoltenburg (Schlagzeug) mit von der Partie. Über die Entwicklung von DOWNFALL OF GAIA sprechen die Musiker weniger, als man meinen könnte: „Von Johannes weiß ich, dass er „Aeon Unveils The Thrones Of Decay“, die erste Platte nach seinem Ausstieg, nicht so mitreißend fand“, weiß Dominik zu berichten. „Generell tauschen wir uns diesbezüglich aber nicht großartig aus. Peter und ich sind immer noch sehr gute Freunde und viel in Kontakt, reden aber meist über andere Dinge als die eigene Musik. Klar spricht man mal über dies und das, aber im Großen und Ganzen macht da mittlerweile jeder sein eigenes Ding. Das komplette Album haben beide bis jetzt auch noch nicht gehört.“ Die Zusammenarbeit blieb auf die Feature-Stücke beschränkt:

„Die Arbeit war total entspannt und es war schön, mal wieder etwas gemeinsam zu machen. Auch wenn mittlerweile jeder etwas anderes macht, war die ganze Nummer total unverkrampft. Ich denke schon, dass von den beiden jeweils eine Menge in den Parts zu finden ist und die Stücke so nochmal einen anderen Twist bekommen haben. Gerade der Opener ,Seduced By‘ ist etwas komplett anderes geworden, als anfänglich geplant.“ Überhaupt ist die Entwicklung der Band von den frühen Sachen bis zur neuen Platte mehr als bemerkenswert. Gefühlt liegen zwischen den Stücken Welten – etwa, wenn man sich das nominelle Debüt „Epos“ von 2010 anhört und neben „Ethic Of Radical Finitude“ stellt: „Natürlich würden wir die Songs heutzutage so nicht mehr schreiben, aber damals war es genau das, was wir wollten und womit wir uns wohlgefühlt haben“, äußert der Sänger und Gitarrist. „Im Endeffekt ist das ja genau wie mit allem anderen auch: alles hat seine Zeit. Und damals war es schon eine verdammt gute Zeit, die mitunter mit mehr Leichtigkeit verbunden war, als es heute der Fall ist. Die Songs zu hören, ist, wie durch ein altes Foto-Album zu blättern. Man verknüpft die Dinge automatisch eher mit den guten Erinnerungen, anstatt mit den schlechten.“

Die Weiterentwicklung liegt dabei in der Natur der Sache: „Natürlich wächst du an deinen Taten; die Dinge werden strukturierter“, formuliert es Dominik. „Automatismen schleichen sich ein. Man lernt mehr und mehr umzusetzen, was man sich zuvor nur vorstellen konnte. Ebenso spielen natürlich Mitgliederwechsel eine Rolle. Das Drumming von Mike (Gemeint ist Michael Kadnar, der seit gut vier Jahren Teil der Band ist.) ist ein komplett anderes, als das von Johannes; ebenso das Gitarrenspiel von Marco (Marco Mazzola, seit 2016 mit dabei) im Vergleich mit Peter. Im Songwriting gibt es grobe Strukturen, denen wir folgen, aber am Ende sind es halt viele Kleinigkeiten, die zusammenkommen und das Ganze ausmachen.“

Auf „Ethic Of Radical Finitude“ stehen mehr denn je die Stimmungen, Kontraste und das Spiel mit Assoziationen zentral: „In der Regel bereite ich die Stücke bei mir zu Hause vor und nehme Demos auf“, erklärt der Frontmann den Arbeitsprozess: „Bis zu dem Zeitpunkt habe ich das Schlagzeug erstmal nur in meinem Kopf, aber schon mit einer konkreten Vorstellung. Sobald ein Song fertig geschrieben und aufgenommen ist, kommt Mike hinzu. Wir reden über Schlagzeug-Ideen, tauschen unsere Gedanken aus und sobald wir einen Nenner gefunden haben, werden die Drums programmiert. Wenn ein komplettes Album steht, gehen wir mit den Demos in den Proberaum und arbeiten alle gemeinsam an weiteren Details und eventuellen Veränderungen. Alleine schon dadurch, dass wir alle verstreut wohnen und wir uns erst sehen, wenn das komplette Album als Skelett vorhanden ist, kann es sich bis zum endgültigen Song gerne mal ziehen. Mal geht es schneller und die Ideen sind am Sprudeln, manchmal liegt ein angefangener Song aber auch ewig herum. „Ethic Of Radical Finitude“ als Ganzes hat etwas mehr als ein Jahr in Anspruch genommen. Das Spiel mit den Kontrasten ist uns total wichtig. Ich finde gerade von so einer Energie leben diese Songs, die gerne mal Überlänge haben. Ohne das stetige Auf und Ab wäre nach 2-3 Minuten wahrscheinlich schon alles gesagt; ohne einen Spannungsbogen würde das alles nicht funktionieren.“

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