LINUS KLAUSENITZER

Mit Blick auf die verspielten Songs des Solo-Debüts von Ausnahme-Bassist LINUS KLAUSENITZER überraschen vor allem die schroffe Eingängigkeit und gegebene Nachvollziehbarkeit. Gleichzeitig fällt „Tulpa“ selbstredend spannend, dynamisch und vielschichtig fordernd aus.

Der von Alkaloid, Obsidious, Obscura, Noneuclid und Fall Of Serenity her bekannte Deutsche legt im Alleingang einen imposanten Einstand vor: „Oft ist ein Solo-Album ein Aufbrechen von Konventionen, die durch die Stilmittel der eigenen Bands auferlegt werden“, weiß LINUS. „Das endet dann oft in einem wilden Genre-Mix und komplexem Material. In meiner Karriere habe ich bisher vor allem in unkonventionellen Bands und mit virtuosen Musikern gespielt. Mein Bedarf an Komplexität ist also gedeckt. Ich hatte somit den gegenteiligen Drang: „Tulpa“ ist wohl das eingängigste und geradlinigste Material, das ich je komponiert habe. Mein Fokus lag vor allem auf guten Melodien und treibenden Riffs. Ich will keine gesellschaftlichen Botschaften oder dergleichen vermitteln. Mein Album soll dazu einladen, in eine andere Emotionswelt abzutauchen und den Alltag zu vergessen.“

An der Umsetzung sind viele versierte, namhafte Gäste beteiligt gewesen: „Alle Kompositionen waren sehr weit ausgearbeitet, als ich sie den Gastmusikern übergeben habe“, erzählt LINUS. „Erst habe ich die Songs in Software angelegt, um mir ein Bild über den Gesamt-Sound zu machen. Da ich weder ein guter Gitarrist noch ein guter Drummer bin, muss ich mit dem Rechner als Hilfsmittel arbeiten. Ich habe die Notation aufgesetzt und mit verschiedenen Sound-Simulatoren eine aufwendige Vorproduktion vorbereitet. Es gab ein ziemlich konkretes Bild, wie das Album klingen soll, als ich den Gastmusikern das Material geschickt habe. Auf einem Videokurs auf meiner Webseite beschreibe ich den Prozess übrigens im Detail. Die Stimmung des Albums haben alle verstanden und mit ihrem eigenen musikalischen Charakter die Songs verbessert. Das passiert dann vor allem durch Phrasierung und dem Ton, den jeder an seinem Instrument mitbringt. Ich habe tolle Musiker auf dem Album und bin froh, dass sie das Album bereichert haben. Es komplett alleine umgesetzt zu haben, wäre da weniger befriedigend gewesen. Mir hat zudem oft ein objektiver Blick gefehlt, so dass ich die Musiker auf dem Album nach ihren Meinungen gefragt habe. Im Nachhinein hat sich der objektivere Blick in verschiedensten Situationen als richtig herausgestellt. Ein Beispiel ist die Wahl der ersten Single. Zu Beginn wollte ich auch Texte und Vocals von einem Sänger schreiben lassen. Auf Zureden der Mitmusiker habe ich mich aber dazu entschlossen, es selbst zu versuchen. Das war ein neuer Weg für mich, durch den ich gewachsen bin.“

Die Vielschichtigkeit von „Tulpa“ resultiert zu einem Teil aus der konzeptionellen Vorlage, die LINUS KLAUSENITZER gewählt hat: „Ich war überrascht, wie sehr mich die textlichen Ideen beim Songwriting beeinflusst haben. „Tulpa“ ist ein Konzeptalbum. Es kommt nur selten vor, dass mich das Konzept und die Texte eines Albums in den Bann ziehen. Ein Album hat mich jedoch besonders früh in meiner Jugend beeindruckt, bei dem das Zusammenspiel von Text, Visuals und Musik zu einer Einheit verschmelzen: „The Chemical Wedding“ von Bruce Dickinson. Innerhalb dieses Albums steht die Alchemie im Zentrum, was mich dazu inspiriert hat, meine Textidee in eine ähnliche Richtung zu lenken. In meiner Recherche stieß ich im Internet auf die grobe Handlung von Dr. Emil Besetzny’s Werk „Die Sphinx“ (1873). Darin wird die Geschichte eines österreichischen Fürsten erzählt, der den Versuch unternimmt, künstliche Menschen zu erschaffen. Obwohl dieses Unterfangen letztlich gescheitert ist, fand der Autor Aufzeichnungen darüber, dass es ihm gelang, zehn künstliche, menschenähnliche Mini-Kreaturen zu kreieren. Besetzny ringt dabei mit der Frage, welche Teile dieser Geschichte Fiktion und welche Wirklichkeit sind. All diese künstlichen Geschöpfe besaßen einzigartige Kräfte. Diese Geschichte gefiel mir so gut, dass ich mich entschloss, jeden Song auf meinem Album einer dieser Kreaturen zu widmen. Die Auswirkung auf das Songwriting hat mich überrascht. Wenn ich ein weiteres Album schreibe, werde ich mir wieder ein Thema suchen, das mich fesselt und zur Fantasie anregt.“

Stilistisch kommt dabei ebenfalls viel zusammen: „Das Album ist eine Mischung aus Stilistiken, mit denen ich aufgewachsen und in denen ich musikalisch aktiv bin: Technical Death, Melodic Death, Thrash und Progressive Metal“, ordnet LINUS KLAUSENITZER zutreffend ein. „Die Mischung klingt auf den ersten Blick etwas absurd, funktioniert in meinen Augen auf diesem Album aber auf seine eigene Art und Weise sehr gut. Speziell im Aufbau wiederholen sich Stilmittel und sollen so ein einheitliches Bild vermitteln. Ich liebe einprägsame Melodien und Riffs. Darauf lag ein großer Fokus. Ich wollte sphärische und tragende Melodie-Parts, aber auch Headbanger-Riffs, die dazu verleiten, die Boxen lauter zu drehen. Die Vielseitigkeit liebe ich am Metal am meisten: das offensichtlich Schöne und im Gegensatz dazu das Abgründige, Schwere und vermeintlich Hässliche.“

Linus Klausenitzer | Official Website (linus-klausenitzer.com)