MIRA MANN fühlt. Ihre Texte und Musik behandeln Emotionen ebenso wie sie der Welt um sich herum sinnlich nachspüren. Seit ihrer Zeit als Mitglied der Post-Punk-Band Candelilla zwischen den Jahren 2010 und 2017 hat Mann als Lyrikerin, Essayistin, Musikerin oder Veranstalterin die Oberfläche der Dinge abgetastet, um Schicht für Schicht ihre Substanz freizulegen.
Ihr gemeinsam mit Ludwig Abraham produziertes Debütalbum »weich« für das Label Kontrolle/Euphorie tut das mit Sensibilität für einschneidende wie alltägliche Erfahrungen und dem daraus gewonnenen Selbstbewusstsein. Und mit einem Gespür dafür, wie Text und Musik ineinander zerfließen, wie sparsam eingesetzte Lyrics und dezente Beats und wenige, pointiert verwendete Klänge gemeinsam mehr als die Summe ihrer Einzelteile bilden können.
Das Album ist ein postnatales, aber das Thema der Geburt ist nicht sein Leitmotiv. Stattdessenn war es die Erfahrung als solche, die in Mann verschiedene Reflektionsprozesse auslöste. Im Sommer 2020, wenige Monate nach der Entbindung, fuhr sie wieder und wieder in ihr Studio. Dort schrieb sie, schrieb sie, schrieb sie – monatelang. Und brachte den dabei entstandenen Langtext zum Regisseur und Komponisten Abraham, mit dem sie auch schon ihr Debüt »Ich mag das« aufgenommen hatte. In verschiedenen Aufnahmesessions zwischen München und Zürich nutzten die beiden das Geschriebene als Grundlage für zehn Musikstücke, in denen sich Text und Ton miteinander verweben. Wie auf ihren vorigen Veröffentlichungen ergänzen sich beide Medien, weil sie einander Raum zugestehen und ihre jeweiligen Dynamiken wechselseitig unterstreichen.
Auf der Vorabsingle »Unruhe« bilden ein zurückhaltender Midtempo-Beat und ahnungsvolle Akkorde die Kulisse für einen Text, der zuerst ein Stillleben zu beschreiben scheint. Je mehr Farben und Formen stoisch aneinandergereiht werden, desto mehr macht sich ein Gefühl von Überforderung bemerkbar, dem Versuch, die Eindrücke zu ordnen, um Zeit zu gewinnen. Doch dann setzt der Beat aus, fangen die Flächen und Synthie-Töne zu schweben an. Mann schneidet scharf in das Epizentrum der Szenerie: »Ich liege auf dem Bett / Die Welt drückt sich durch zu mir / Du bringst alles durcheinander / Einfach alles«. Der Track belässt es nicht dabei, spielt formstreng die geschilderte Erfahrung einer Entzweiung zwei weitere Male durch. Sie ist auch die eines Kontrollverlustes, einer plötzlichen Verschiebung der Wahrnehmung. Gespiegelt wird sie auch in dem von Rosanna Graf gedrehten Video. Mann bewegt sich im vernähtem Body abwechselnd zwischen Plastikfolie und dem Äußeren und Inneren eines Autos, eignet sich ein männlich codiertes Machtsymbol an und lässt es aufweichen.