PARKWAY DRIVE

Um ihr Fortbestehen zu sichern, haben sich die Australier – unabhängig von der Corona-Pandemie – eine Pause vom Album-Tour-Album-Zyklus verordnet. Zwanzig Jahre MetalCore und der Aufstieg zu einer der bekanntesten und beliebtesten Genre-Bands haben ihren Tribut gefordert. Nun melden sich PARKWAY DRIVE mit „Darker Still“ zurück.

Aufgrund der skizzierten Vorgeschichte ließ es aufhorchen, dass der Fünfer seinen siebten Longplayer als „endgültige Entfaltung unserer Fähigkeit, zu lernen und zu wachsen“ einordnet: „Ich bin mir sicher, dass dies nicht unser letztes Album sein wird“, stellt Frontmann Winston McCall darauf angesprochen klar. „Doch als wir es geschrieben haben, schien das noch eine reale Möglichkeit zu sein. Unser Land lag brach. Nichts ging mehr. Es schien, als stünden wir kurz vor der Apokalypse. Selbst die Idee, eine Band zu sein, fühlte sich zwischenzeitlich verrückt an. Es gab keine Shows und Touren mehr. Wir haben uns ernsthaft gefragt, ob wir überhaupt noch ein Album machen sollen. Es war verrückt – für uns alle. Deshalb kristallisierte sich eine besondere Geisteshaltung heraus. Wir haben so getan, als würde „Darker Still“ das letzte Album sein, das wir jemals schreiben. Um es aber ganz klar zu sagen: wir haben nicht vor, die Band aufzulösen, sondern wollen wieder voll durchstarten. Nichtdestrotz haben wir alles, was wir hatten, in diese Songs gesteckt. Auch deshalb unterscheiden sich einige von ihnen deutlich von dem, was man sonst von uns kennt.“ Der Sänger spielt darauf an, dass die neuen Stücke melancholisch-düster, immens emotional, kompositorisch durchdachter und partiell NuMetal-lisch angehaucht ausfallen. Wer sich mit „Darker Still“ beschäftigt, hört und spürt das sofort:

„Ich finde es bemerkenswert, dass alle Leute, die ich bislang gesprochen habe und die das Album schon kennen, durch die Bank weg sagen, dass sie sich mit „Darker Still“ intensiver als mit unseren früheren Alben beschäftigt haben“, greift Winston den Gedanken auf. „Das ist keine Selbstverständlichkeit und das freut mich. Es zeigt zugleich, dass die Songs etwas besitzen, das in ihren Bann zieht. Die grundsätzliche Stimmung der Stücke leitet sich aus dem übergeordneten Thema der Texte, einer Reise durch meine dunkle Seele, ab. Es handelt sich um eine persönliche, melancholische Reise. Obwohl es düster zugeht, muss es aber nicht zwangsläufig aggressiv oder brutal klingen. Es geht eher um so etwas wie eine Wiederauferstehung. Dazu kommt das Covid-Umfeld, in dem „Darker Still“ entstanden ist. Das hat die Stimmung zusätzlich gedrückt und wirkt sich klanglich aus. Die Texte spiegeln auch nicht primär nur meine Gedanken und Gefühle widern, sondern durchaus auch das, was in den Leben von uns allen vor sich ging. Die Welt, wie wir sie kannten, hat sich stark verändert. Viele Gewissheiten wurden auf den Kopf gestellt. Das Album konnte angesichts all dessen nicht anders klingen. Unsere Songs und meine Texte sind stets auch eine Reaktion auf das, was uns oder mir erfährt. In der Dunkelheit haben wir noch stets am besten gearbeitet. Wann immer es mit PARKWAY DRIVE zu positiv oder optimistisch wird, funktioniert es ab einem bestimmten Punkt nicht mehr. Als Menschen sind wir fröhlich und positiv eingestellt. In unserer Musik kommen dafür unsere dunklen Seiten zum Ausdruck.“

Die angesprochene Wiederauferstehung erklärt Winston auf Nachfrage wie folgt: „Scherzhaft sprechen wir innerhalb der Band manchmal von PARKWAY DRIVE 2.0“, so der Frontmann. „Das liegt nicht am Covid-Umfeld, sondern daran, dass uns dieses Album in vielfacher Hinsicht fast an unser Ende gebracht hat. Wer sich für uns interessiert, weiß um unsere physische Verfassung und die Probleme, denen wir uns stellen mussten. Das haben wir ja öffentlich gemacht. Der Schreibprozess fiel uns schwerer als sonst und hat uns viel abverlangt. Dazu kam, dass wir Australien nicht verlassen konnten und unseren Produzenten für eine horrende Summe einfliegen mussten. Doch anders wäre das Album nie fertiggeworden. Jeff unser Gitarrist schreibt den größten Teil der Musik und hat dafür bei sich ein kleines Studio eingerichtet. Im Lockdown mit zwei kleinen Kindern kam er an seine Grenzen. Da wir alle viel mit uns selbst zu tun hatten, stellten such Spannungen zwischen uns ein, die wir so noch nicht erlebt hatten. Wir mussten erkennen, dass wir es in zwanzig Jahren nicht geschafft haben, einen Weg zu etablieren, um jederzeit vernünftig miteinander umzugehen. Diese Erkenntnis hat uns überrascht.“ Angesichts der Tatsache, dass PARKWAY DRIVE von einer Gruppe von Freunden gegründet worden ist, die bis auf einen Wechsel des Bassisten in ihrer Originalbesetzung besteht, überrascht diese Aussage:

„Natürlich kennen wir uns alle ewig und sind eng miteinander befreundet“, bestätigt der Australier. „Um die Situation zu entspannen, haben wir viel geredet und uns ausgesprochen. Unsere gemeinsame Geschichte ist nicht alltäglich und krass, wenn man darüber nachdenkt. Wir haben als Freunde klein angefangen und uns über alles gefreut, was uns widerfahren ist. Es war kein Problem, die Shows selbst zu organisieren und uns auch um alles andere zu kümmern. Die Verantwortlichkeiten waren anfangs überschaubar. Wir haben die Aufgaben untereinander aufgeteilt. Dann ging es Schlag auf Schlag. Jeder von uns musste immer mehr Aufgaben neben der bloßen Musik übernehmen. In zwanzig Jahren ist einiges zusammengekommen. PARKWAY DRIVE sind heute ohne jede Untertreibung eine wirklich große Band. Aber nicht nur eine Band, sondern auch ein Unternehmen, das wir die ganze Zeit über auf dieselbe Art und Weise wie zu Beginn unserer Karriere bearbeitet haben. Jeder von uns hat gearbeitet, gearbeitet, gearbeitet. Alles war zwischen uns aufgeteilt, aber wir haben nicht über das gesprochen, was all die Arbeit mit uns macht. Irgendwann war der Stress zu viel und es ist explodiert. Dann mussten wir innerhalb kürzester Zeit all das nachholen, was wir in zwanzig Jahren versäumt haben. Auf der Bühne war immer alles gut und die Verbindung zwischen uns intakt und stark. Doch all das, was hinter den Kulissen passiert und auch Teil der Band ist, hat uns viel abverlangt. Wir haben erkannt, dass wir etwas ändern müssen und haben es getan. Viel länger wäre es nicht gegangen. Dann wäre wohl alles vorbeigewesen. Dass wir unsere Touren abgesagt und uns professionelle Hilfe gesucht haben, war der richtige Ausweg.“

Konkret bedeutet dies: „Wir haben uns einen Psychologen als Mediator gesucht,“ erzählt Winston. „Anstatt auf Tour zu gehen, sind wir zwei Mal die Woche zu ihm gegangen und haben unsere Probleme gemeinsam aufgearbeitet. Die Zeit zwischen den Sitzungen hat jeder von uns dafür genutzt, zu reflektieren und das zu verinnerlichen, was wir gehört und übereinander gelernt haben. Es war hilfreich und wichtig, dass wir immer und immer wieder offen und ehrlich miteinander gesprochen haben. Zwanzig Jahre gemeinsames und individuelles Leben aufzubereiten, braucht seine Zeit und geht nicht von heute auf morgen. Es liegt ja im Wesen von vielen, nach außen hin keine Schwäche, Zweifel oder Unsicherheit zu zeigen, sondern alles in sich hineinzufressen. Das klappt nur nicht ewig. Nun steht nichts mehr zwischen uns. Wir haben alles herausgelassen und ausgeräumt. Als Band haben wir so viel durchgemacht. Mehr, als sich die Fans auch nur ansatzweise vorstellen können – unser Aufstieg von einer kleinen lokalen Band zu einer, die weltweit tourt und große Touren und Festivals spielt, all das Persönliche eines jeden Einzelnen von uns – es fällt mir schwer, all das zu erklären. Die Außenwelt sieht immer nur das Ergebnis der kreativen Arbeit und einen Abend auf der Bühne. Doch für uns ist es unser Leben. Die Auswirkungen sind gewaltig, doch erst nach zwanzig Jahren haben wir uns überhaupt einmal darüber ausgetauscht. Ich möchte nicht lügen. Wir wussten, dass etwas im Argen liegt. Doch erst der Corona-Lockdown hat uns die Möglichkeit gegeben, die Pause wirklich als Option anzunehmen. Andernfalls hätten wir vielleicht einfach weitergemacht und uns vollends ruiniert. Rückblickend ist es ein Glücksfall, dass wir nicht direkt in den nächsten Aufnahme-Tour-Zyklus gegangen sind. Das hat uns die Chance gegeben, inne zu halten. Wir bestreiten mit der Band ja unseren Lebensunterhalt. Während einer Auszeit verdienen wir nichts, doch die Verantwortlichkeiten gegenüber unseren Familien bleiben bestehen. Man muss sich aber aus der Maschinerie ausklingen, wenn man durchatmen und regenerieren will. Das hat unser Überleben gesichert. Ohne die Covid-Umstände wäre es vielleicht nie dazu gekommen. Hoffentlich nehmen sich andere Künstler ein Beispiel an uns. Wir sind ja nicht die einzigen, denen es so geht oder ging. Das ist ein großes Problem unserer Branche, über das viel zu wenig gesprochen wird. Der Glamour ist der kleinste Teil des Band-Daseins. Jeder muss seinen Weg finden, mit all dem umzugehen, denn letztlich ist jeder zunächst für sich verantwortlich. Innerhalb von Bands trägt man aber auch eine Verantwortung für seine Band-Mitglieder und muss sich für ihren Zustand interessieren. Doch wenn man selbst nicht mit sich im Reinen ist, wird das nichts.“

PARKWAY DRIVE haben die schwierige Phase durchgestanden und wissen wieder, was sie wollen: „Bevor das Songwriting für „Darker Still“ losging, haben wir viel Musik gehört, um uns darüber klar zu werden, welche Art von Sound wir umsetzen wollen“, sagt Winston mit Blick auf die neue Platte. „Dabei hat sich schnell herausgestellt, dass wir alle einen Sound favorisieren, der sauber, aber gleichzeitig roh klingt. Die Veröffentlichungen der 1990er Jahre haben uns besonders gefallen, bevor die digitale Revolution zugeschlagen hat. Platten aus dieser Zeit klingen breit und mächtig und schienen uns mit dem klaren Sound von PARKWAY DRIVE kompatibel. Es war uns wichtig, dass man die vertonten Emotionen in ihrem vollen Ausmaß hört, und die Produktion zugleich ein Stück weit zeitlos ist. Im digitalen Zeitalter klingt vieles austauschbar, weil viele Künstler allein Effekte aus den einschlägigen Programmen, aber nicht mehr reale Instrumente nutzen. Wir wollten nicht schummeln. Dass die Stücke von „Darker Still“ insgesamt langsamer sind, ist auch kein Zufall. Zunächst haben wir den den Basis-Groove und -Rhythmus für das Album definiert und davon dann alles abgeleitet. Für uns stand mehr die Power und weniger das Adrenalin im Vordergrund. Davon hatten wir auf den früheren Platten schon mehr als genug. Wenn wir es wollen, können wir dahin zurückkehren. Dieses Mal hat uns herausgefordert, Songs mit einer anderen Dynamik zu schreiben. Uns ist immer auch daran gelegen, zu experimentieren und die Dinge ein Stück weit anders anzugehen. Das drückt sich in den längeren Tracks aus. PARKWAY DRIVE sind nach wie vor eine Album-Band. Unser Gitarrist Jeff ist mit Metal-Gruppen wie Metallica, Pantera und Machine Head ausgewachsen. Es bereitet ihm keine Schwierigkeiten, die Spannung über eine lange Spieldauer aufrecht zu halten.“

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